Von Kolja Mensing

Die "Berliner Zeitung" greift nochmals die umstrittene "Regensburger Rede" von Papst Benedikt auf und meint ketzerisch: "Der Papst mag unfehlbar sein, Professor Ratzinger ist es nicht." Und für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" war die Rede von Bundespräsident Köhler in einer Berliner Schule ein reines Lippenbekenntnis.
"Der Papst mag unfehlbar sein, Professor Ratzinger ist es nicht."

Mit diesem ketzerischen Satz beginnt der Philosoph Kurt Flasch in der BERLINER ZEITUNG einen Beitrag, der vermutlich zum Besten gehört, was bisher über Benedikts berüchtigte "Regensburger Rede" und den Islam-Streit geschrieben wurde.

Der ausgewiesene Kenner des mittelalterlichen Gedankenguts weist in einfachen Worten nach, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht einfach nur unvorsichtig mit einem Zitat umgegangen ist, sondern vielmehr die historische Wahrheit den strategischen Interessen seiner altehrwürdigen Institution untergeordnet habe.

Die von Papst Benedikt postulierte Einheit von "Vernunft und Glauben" im Christentum habe es nie gegeben, so Flasch – und führt nicht wenige Beispiele an für ausgesprochen vernunftfeindliches und gewaltbereites Gedankengut aus den frühen Tagen der katholischen Kirche:

"Der Papst zeichnet ein harmonisches Wunschbild der Geschichte des christlichen Denkens. Er ordnet dem Islam die bedenklichen, dem Christentum die liebenswürdigen Tendenzen zu. Dies ergibt keinen Dialog."

Benedikt begebe sich in eine "dogmatische Defensivposition", meint Flasch und erwischt den Papst dann noch bei einem fehlerhaften Kant-Zitat. Als Entschuldigung will er immerhin gelten lassen, dass "Professor Ratzinger" in seiner neuen Rolle als Papst vermutlich anderes zu tun habe, als mittelalterliche Quellen oder neuzeitliche Philosophie zu lesen:

"Wenn der Papst ein wirklich regierender Papst ist", so Flasch, "dann hat er seine Redenschreiber schon gefeuert; sie könnten in der Landseelsorge in Niederbayern nützliche Arbeit im Weinberg des Herrn leisten."

Toller Text - man muss ihn unbedingt ganz lesen, um zu begreifen, wie groß die Kluft zwischen Vernunft und Glauben im gelehrten Christentum heute wirklich ist.

Gänzlich verzichtbar ist dagegen ein Interview in der Tageszeitung DIE WELT. Elmar Krekeler hat mit dem Schriftsteller Christoph Peters über dessen neuen Roman gesprochen, in dem ein junger Deutscher zum islamischen Attentäter wird. Peters führt so ziemlich alle positiven Klischees an, die über den muslimischen Glauben im Umlauf sind - und Krekeler kontert mit Fragen wie: "Muss man den Islam nicht durch eine Aufklärungswaschstraße schicken?"

Solche Metaphern, da sind wir ganz dogmatisch, gehören unbedingt verboten.

Auch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG wird mit einem Oberhaupt abgerecht, hier: mit einem Staatsoberhaupt.

Regina Mönch war dabei, als Bundespräsident Horst Köhler der Neuköllner Kepler-Hauptschule einen Besuch abgestattet hat. Für die Autorin war seine Rede dort ein reines Lippenbekenntnis: "Vom Humboldtschen Bildungsideal bis zur Sendung mit der Maus" habe der Bundespräsident all das "routiniert abgespult", was die "große Blase rund um seinen Leitsatz "Bildung für alle"" füllen könne.

An der Realität der Kepler-Schule – unter deren Absolventen im vergangenen Jahr nur ein einziger mit einem Lehrvertrag gewesen war – gehe das vorbei:

"Köhlers Rede am sozialen Brennpunkt erinnerte an die Besuche feiner Damen im Kriegslazarett", so Regina Mönch: "Es ist gut gemeint – aber wirklich helfen tut es nicht."

Erfreulich klare Worte also an diesem Freitag im Feuilleton – auch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.

Joachim Güntner widmet sich in einem kurzen Text der deutschen Diskussion über den Libanon-Einsatz der Bundeswehr – und wundert sich zu Recht über die "doppelte Rhetorik aus Pathos und Besänftigung" unter den Politikern. Lautstark beschwöre man "internationale Verantwortung" und "Glaubwürdigkeit", spiele aber die militärischen Szenarien gleichzeitig herunter. Von einem "Kampfeinsatz" rede man lieber gar nicht erst, sondern halte sich an die sonderbare Formulierung vom "robusten Mandat".

Diesen Begriff, stellt Joachim Güntner lakonisch fest, kenne die Uno-Charta nicht: "Das Wort lautet dort ganz ungeschönt: "Mit Waffengewalt."