Von Kolja Mensing
Der Wochenrückblick in die Feuilletons behandelt folgende Themen: den Streit um eine geplante Ausstellung mit Werken des Nazi-Bildhauers Arno Breker, Migration und Integration sowie der Kampf muslimischer Frauen um Gleichberechtigung, den sie als "Gender Jihad" bezeichnen.
Zuerst sah es so aus, als ob es richtig Ärger geben würde. Das Schweriner Schleswig-Holstein-Haus bereitet schon länger eine Ausstellung mit Skulpturen des 1991 verstorbenen Bildhauers Arno Breker vor. Breker gilt als "Lieblingsbildhauer" Hitlers - und so kam es zwei Wochen vor der geplanten Eröffnung dann auch zum Eklat. Unter anderem sagte Klaus Staeck, seines Zeichens Präsident der Berliner Akademie der Künste, unter lautem Protest eine für das nächste Jahr angesetzte Ausstellung mit eigenen Werken in der Stadt ab.
Der Kurator der Breker-Schau, Rudolf Conrades, verteidigte sich in einem Interview in der WELT: Man könne den Bildhauer schließlich nicht totschweigen. "Ich denke,", so Conrades wörtlich, "nach dieser Ausstellung sind der Muff und Mief raus aus dem Thema."
Auf den Kulturseiten wollte sich niemand so richtig aufregen. Conrades Standpunkt sei vielleicht ein wenig naiv, befand Holger Liebs in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Grundsätzlich sei es aber gut, dass über Breker nun angesichts seiner Werke gestritten werden könne.
Auch die Tageszeitung TAZ hat nichts gegen die Ausstellung: Brekers "hochpolierte Idealgestalten" wirkten auf heutige Betrachter vor allem "hohl" und "komisch", formulierte Jörg Magenau. Spannend sei vielmehr die Aussicht, dass die Schweriner Ausstellung "erstaunliche Kontinuitäten" zu Tage fördern könne - unter anderem die Tatsache, dass Nachkriegspolitiker einst nichts dabei fanden, sich von Breker abbilden zu lassen:
"Wenn nun in Schwerin auch die Adenauer Büste zu sehen ist, erzählt das weniger über Brekers Kunst als über die politische Wirklichkeit der alten Bundesrepublik."
Vielleicht lassen wir die ideologisch geprägte Diskussionskultur des guten alten Feuilletons langsam wirklich hinter uns…
Interessant ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall noch ein zweiter, kleiner Fast-Skandal: Der Thüringer Landtag hatte einige Werke des verstorbenen Leipziger Malers Werner Tübke gezeigt. Nachdem sich herausstellte, dass Tübke auf einer Radierung zum Ungarn-Aufstand die Ereignisse von 1956 als "faschistischen Terror" bezeichnet hatte und damit der offiziellen SED-Linie gefolgt war, ließ Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski das Bild abhängen.
Ein Fehler, befand Johann Michael Möller in der WELT: Kunst und Politik könne man eben nicht gegeneinander aufrechnen. Soviel dazu.
Doch das eigentliche Thema der vergangenen Woche war die Frage der Einwanderung. Zwischen der europäisch-afrikanischen Migrationskonferenz am Anfang der Woche und dem so genannten "Integrationsgipfel", der am Freitag in Berlin stattfand, erschien eine ganze Reihe von Beiträgen.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG räumte gleich zwei ganze Seiten frei, um sich der kulturellen Dimension der Einwanderung zu widmen. Der Tenor war optimistisch: Die Migranten "sind angekommen im Film und in der Literatur, im Internet, sogar in der Architektur. Und sie werden bleiben, neue Geschichten des Erfolges erzählen, neue Fluchten inspirieren - und finanzieren."
Auch der amerikanische Soziologe Mike Davis kann kein Einwanderungsproblem erkennen: "Insbesondere die Deutschen sollten "akzeptieren, dass Zuwanderung ihre einzige Hoffnung ist, den Transfer von Renten- und Sozialleistungen an eine alternde Bevölkerung zu sichern", gab er der SZ zu Protokoll.
Doch was ist dann eigentlich das Problem? Hilal Seczgin kommentierte in der ZEIT die Integrationsbemühungen der Bundesrepublik aus der Sicht einer Betroffenen: "Bis vor wenigen Jahren war ich einfach nur Deutsche", spottete sie. "Seit neuestem habe ich 'Migrationshintergrund'."
Hilal Seczgin hat das Gefühl, dass die Fremden in Deutschland immer fremder würden - und dass ein bisschen Aufklärungsarbeit daran auch nichts ändern werde. Ganz im Gegenteil:
"Der einzelne Mensch versinkt im allgemeinen Morast der Debatte um Integration und Parallelgesellschaft, ist nur als potenzieller Härtefall sichtbar."
Heinrich Wefing hat dann auch gleich für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen Spezialisten für die Härtefälle unter den "Integrationsverlierern" getroffen: den Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch. Reusch hat sich auf jugendliche Intensivtäter spezialisiert - 80 Prozent seiner Klientel haben besagten Migrationshintergrund.
Man darf dem Oberstaatsanwalt dabei zuhören, wie er aus ethnologischen Freizeitbeobachtungen und kulturellen Halbwahrheiten Rechtsforderungen ableitet: Seine "Stammkunden", wie er sich ausdrückt, seien "von Kind an gewohnt, dass Autorität und Gewaltausübung Synonyme sind". Mit Langmut käme man bei ihnen gar nicht weiter, so Reusch. Stattdessen müssten bereits früh härtere Sanktionen folgen, sprich: Gefängnisstrafen.
Einsperren statt integrieren, das ist natürlich auch eine Möglichkeit!
Die vermeintlich repressiven Strukturen islamisch geprägter Gesellschaften sorgen übrigens nicht nur für eine Konjunktur reaktionärer Straftheorie und -Praxis, sondern werden auch auf dem europäischen Buchmarkt stark nachgefragt.
Sonja Zekri beschäftigte sich in der SZ mit den "Leidensgeschichten muslimischer Frauen", die zu Bestsellern werden. Zwangsheiraten, Schläge und Vergewaltigungen:
"Die Wirkung dieser Bücher liegt in der Authentizität des Leides, im Pathos einer Emanzipation unter Lebensgefahr."
Neben dieser Art von Prosa, die wohl eher auf die voyeuristischen Neigungen ihrer Leser und Leserinnen setzt, gibt es unter muslimischen Frauen natürlich auch ein ernsthaftes Bemühen um Emanzipation.
In Pakistan, im Iran und im Libanon, aber auch in den USA und Europa kämpfen islamische Journalistinnen, Publizistinnen und Wissenschaftlerinnen für eine Reform ihrer Religion, erklärte Alfred Hackensberger in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Als Feministinnen würden sie sich allerdings nicht bezeichnen, der Terminus sei einfach zu westlich geprägt. Ihren Einsatz für die Gleichberechtung unter dem Banner des Islams bezeichnen sie lieber als "Gender Jihad".
Und das erklären wir hiermit: zum Kampfbegriff der Woche.
Der Kurator der Breker-Schau, Rudolf Conrades, verteidigte sich in einem Interview in der WELT: Man könne den Bildhauer schließlich nicht totschweigen. "Ich denke,", so Conrades wörtlich, "nach dieser Ausstellung sind der Muff und Mief raus aus dem Thema."
Auf den Kulturseiten wollte sich niemand so richtig aufregen. Conrades Standpunkt sei vielleicht ein wenig naiv, befand Holger Liebs in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Grundsätzlich sei es aber gut, dass über Breker nun angesichts seiner Werke gestritten werden könne.
Auch die Tageszeitung TAZ hat nichts gegen die Ausstellung: Brekers "hochpolierte Idealgestalten" wirkten auf heutige Betrachter vor allem "hohl" und "komisch", formulierte Jörg Magenau. Spannend sei vielmehr die Aussicht, dass die Schweriner Ausstellung "erstaunliche Kontinuitäten" zu Tage fördern könne - unter anderem die Tatsache, dass Nachkriegspolitiker einst nichts dabei fanden, sich von Breker abbilden zu lassen:
"Wenn nun in Schwerin auch die Adenauer Büste zu sehen ist, erzählt das weniger über Brekers Kunst als über die politische Wirklichkeit der alten Bundesrepublik."
Vielleicht lassen wir die ideologisch geprägte Diskussionskultur des guten alten Feuilletons langsam wirklich hinter uns…
Interessant ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall noch ein zweiter, kleiner Fast-Skandal: Der Thüringer Landtag hatte einige Werke des verstorbenen Leipziger Malers Werner Tübke gezeigt. Nachdem sich herausstellte, dass Tübke auf einer Radierung zum Ungarn-Aufstand die Ereignisse von 1956 als "faschistischen Terror" bezeichnet hatte und damit der offiziellen SED-Linie gefolgt war, ließ Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski das Bild abhängen.
Ein Fehler, befand Johann Michael Möller in der WELT: Kunst und Politik könne man eben nicht gegeneinander aufrechnen. Soviel dazu.
Doch das eigentliche Thema der vergangenen Woche war die Frage der Einwanderung. Zwischen der europäisch-afrikanischen Migrationskonferenz am Anfang der Woche und dem so genannten "Integrationsgipfel", der am Freitag in Berlin stattfand, erschien eine ganze Reihe von Beiträgen.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG räumte gleich zwei ganze Seiten frei, um sich der kulturellen Dimension der Einwanderung zu widmen. Der Tenor war optimistisch: Die Migranten "sind angekommen im Film und in der Literatur, im Internet, sogar in der Architektur. Und sie werden bleiben, neue Geschichten des Erfolges erzählen, neue Fluchten inspirieren - und finanzieren."
Auch der amerikanische Soziologe Mike Davis kann kein Einwanderungsproblem erkennen: "Insbesondere die Deutschen sollten "akzeptieren, dass Zuwanderung ihre einzige Hoffnung ist, den Transfer von Renten- und Sozialleistungen an eine alternde Bevölkerung zu sichern", gab er der SZ zu Protokoll.
Doch was ist dann eigentlich das Problem? Hilal Seczgin kommentierte in der ZEIT die Integrationsbemühungen der Bundesrepublik aus der Sicht einer Betroffenen: "Bis vor wenigen Jahren war ich einfach nur Deutsche", spottete sie. "Seit neuestem habe ich 'Migrationshintergrund'."
Hilal Seczgin hat das Gefühl, dass die Fremden in Deutschland immer fremder würden - und dass ein bisschen Aufklärungsarbeit daran auch nichts ändern werde. Ganz im Gegenteil:
"Der einzelne Mensch versinkt im allgemeinen Morast der Debatte um Integration und Parallelgesellschaft, ist nur als potenzieller Härtefall sichtbar."
Heinrich Wefing hat dann auch gleich für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen Spezialisten für die Härtefälle unter den "Integrationsverlierern" getroffen: den Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch. Reusch hat sich auf jugendliche Intensivtäter spezialisiert - 80 Prozent seiner Klientel haben besagten Migrationshintergrund.
Man darf dem Oberstaatsanwalt dabei zuhören, wie er aus ethnologischen Freizeitbeobachtungen und kulturellen Halbwahrheiten Rechtsforderungen ableitet: Seine "Stammkunden", wie er sich ausdrückt, seien "von Kind an gewohnt, dass Autorität und Gewaltausübung Synonyme sind". Mit Langmut käme man bei ihnen gar nicht weiter, so Reusch. Stattdessen müssten bereits früh härtere Sanktionen folgen, sprich: Gefängnisstrafen.
Einsperren statt integrieren, das ist natürlich auch eine Möglichkeit!
Die vermeintlich repressiven Strukturen islamisch geprägter Gesellschaften sorgen übrigens nicht nur für eine Konjunktur reaktionärer Straftheorie und -Praxis, sondern werden auch auf dem europäischen Buchmarkt stark nachgefragt.
Sonja Zekri beschäftigte sich in der SZ mit den "Leidensgeschichten muslimischer Frauen", die zu Bestsellern werden. Zwangsheiraten, Schläge und Vergewaltigungen:
"Die Wirkung dieser Bücher liegt in der Authentizität des Leides, im Pathos einer Emanzipation unter Lebensgefahr."
Neben dieser Art von Prosa, die wohl eher auf die voyeuristischen Neigungen ihrer Leser und Leserinnen setzt, gibt es unter muslimischen Frauen natürlich auch ein ernsthaftes Bemühen um Emanzipation.
In Pakistan, im Iran und im Libanon, aber auch in den USA und Europa kämpfen islamische Journalistinnen, Publizistinnen und Wissenschaftlerinnen für eine Reform ihrer Religion, erklärte Alfred Hackensberger in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Als Feministinnen würden sie sich allerdings nicht bezeichnen, der Terminus sei einfach zu westlich geprägt. Ihren Einsatz für die Gleichberechtung unter dem Banner des Islams bezeichnen sie lieber als "Gender Jihad".
Und das erklären wir hiermit: zum Kampfbegriff der Woche.