Von Kolja Mensing

Die Feuilletons beschäftigen sich mit der Geschichte der Droge LSD, denn ihr Schöpfer, der Schweizer Wissenschaftler Albert Hofmann, wäre am 11. Januar hundert Jahre alt geworden. Die "Taz" beschreibt dagegen die berauschende Wirkung eines neuen deutschen Gemeinschaftsgeistes, der sich in diversen Kampagnen niederschlägt.
Albert Hofmann wird an diesem Mittwoch hundert, eine lebende Legende ist er allerdings schon lange. Der Schweizer Wissenschaftler hatte 1943 den Wirkstoff des Mutterkornpilzes isoliert und das Ergebnis, die Substanz Lysergsäurediäthylamid, hat unter der griffigen Abkürzung "LSD" Geschichte gemacht.

Matthias Heine erzählt in der WELT von den Anhängern der Droge, zu denen unter anderem der hemdsärmlige Guru Timothy Leary und der Feingeist Ernst Jünger gehörten. "Eine altmodische Sehnsucht nach mystischen Erfahrungen" habe sie angetrieben, meint Heine:

"Am Ende eines 200-jährigen Säkularisierungsprozesses schienen die psychedelischen Drogen ein letztes Mal Spiritualität zu ermöglichen."

Einen ernüchternden Rückblick auf die eigenen Erfahrungen mit LSD liefert Detlef Kuhlbrodt in der TAZ.

"Leider blieb die große Erleuchtung aus", "

schreibt er,

""leider landete man auch nicht in Woodstock; nur manchmal kam eine unglaubliche Harmonie daher, und am Ende fühlte man sich meist ziemlich fertig."

Ein besserer Trip ist offenbar das neue "Wir-Gefühl" in Deutschland. Dirk Knipphals beschreibt in der TAZ die berauschende Wirkung des Gemeinschaftsgeistes, der in der "Du bist Deutschland"-Kampagne genauso beschworen wird wie in den PR-Aktionen rund um die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft: Das ganze Land werde auf nationalen Teamgeist eingeschworen.

"Menschen, die Individualisierung für eine gute Sache halten, müssen derzeit ganz tapfer sein", "

erklärt Knipphals – und erinnert an Zeiten, als man sorgsam auf den Unterschied zwischen der "Bundesrepublik" und "Deutschland" geachtet habe. Die praktische Seite sei die

" "immer schon existierende Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft (gewesen). Und etwas, was man als ein Danebenstehen bei Gemeinschaftsdenken bezeichnen könnte."

Wie eine ironische Fußnote zu diesem Text liest sich im Übrigen der Titel eines aktuellen Sachbuchs, das in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG besprochen wird:

"Die Weisheit der vielen. Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nutzen können". "

Aber das nur am Rande. Ob es nun um kollektives Wissen oder kollektiven Wahnsinn geht – es stellt sich die Frage, wer daran teilhaben darf. - Wer darf deutscher Staatsbürger werden?

In Baden-Württemberg gibt es neuerdings einen Katalog mit 30 Fragen, die Einbürgerungswillige beantworten müssen. Natürlich wird bereits heftig darüber gestritten. Der Schriftsteller Peter Schneider hatte sich kritisch geäußert, was ihm jetzt seine Kollegin, die Krimiautorin Thea Dorn in der WELT zum Vorwurf macht: Sie habe den Verdacht, merkt sie an,

" "dass der deutsche Politisch-Intellektuelle lieber im ewigen Anti-Faschismus, Anti-Totalitarismus, Anti-Deutsch-Sein schwelgt, als sich den Fragen der Zeit zu stellen."

Der Frontverlauf kommt einem bekannt vor, aber egal: Es hat immer einen gewissen Unterhaltungswert, wenn prominente Kulturschaffende übereinander herfallen.

Parallel zu den Kriterien der Einbürgerung beschäftigt sich die deutsche Öffentlichkeit mit dem Fall einer Staatsbürgerin, die lieber nicht in ihr Heimatland zurückkehren würde: Es geht um Susanne Osthoff, die nun auch bei Reinhold Beckmann war. Wie mittlerweile üblich, wird die Sendung anschließend in den großen Zeitungen ausführlich analysiert - oder besser gesagt: noch einmal durchgekaut.

Interessant ist eigentlich nur der selbstkritische Beitrag von Harald Martenstein, der im TAGESPIEGEL aufzeigt, wie Susanne Osthoff in den letzten Wochen "zur ideellen Gesamtkronzeugin für fast jede denkbare Geisteshaltung" wurde: gegen Amerika und gegen Deutschland, als Heldin und Mutter, Opfer und Verrückte.

Harald Martenstein bringt es auf den Punkt:

"Der Entführungsfall Osthoff war ein Meilenstein der deutschen Mediengeschichte. Das Missverhältnis zwischen dem Angebot an Fakten und der Nachfrage nach Einordnung und Einfühlung war selten so groß."