Von Kolja Mensing
"FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher hat sich einen Tag lang an die Fersen von Paul Kirchhof geheftet. Die "Süddeutsche Zeitung" druckt die Rede nach, mit der Günter Grass Werbung für Kanzler Schröder macht. Und die "Welt" denkt über die Vergänglichkeit von Musik im Zeitalter der MP3-Datei nach.
Der Wahlkampf will nicht enden. Für die FAZ hat sich Herausgeber Frank Schirrmacher persönlich einen Tag lang an die Fersen von Paul Kirchhof geheftet - und ihn unter anderem nach Ludwigshafen begleitet:
"Die Tatsache, daß Paul Kirchhof einen Ortstermin in der Pfalz absolviert, während die Nation über Kirchhof streitet, wirkt wie ein Krankheitssymptom der verängstigten und überforderten Parteizentrale. Statt ihm Foren zu bieten oder ihm zur Seite zu springen, verschickt sie ihn zu Terminen, auf denen er über Getreideveredelung unterrichtet wird."
Den Grund dafür sieht Schirrmacher in Kirchhofs Forderung nach weniger staatlicher Intervention:
"Die Tatsache Kirchhof bedeutet Machtverzicht für die Gralshüter der vermeintlichen Realpolitik. Das spüren (…) ohne Zweifel auch die Ministerpräsidenten der CDU."
Natürlich hält Günter Grass ebenfalls keine allzu großen Stücke auf Paul Kirchhof. "Frau Merkels Wunderknabe" nennt er ihn und beschimpft sein Steuerkonzept als "Meisterstück in Sachen Neoliberalismus".
Aus solchen Parolen ist die mehr oder weniger kämpferische Rede zusammengesetzt, mit der Grass in diesen Tagen Werbung für Kanzler Schröder macht - und die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG jetzt nachdruckt.
Die lobenswerte Haltung im Irak-Krieg, die liberale Einwanderungspolitik und das Beharren auf sozialer Gerechtigkeit - ein bisschen wundert man sich schon, dass dem Schriftsteller und Nobelpreisträger Grass nicht mehr eingefallen ist als das, was ohnehin schon auf den Wahlplakaten steht.
Politik und Literatur, vielleicht geht das doch nicht so gut zusammen. Zumindest haben nicht wenige Schriftsteller dankend abgewunken, als Günter Grass vor einigen Wochen um Unterschriften für Rot-Grün warb.
Das gefällt nicht jedem. Richard Kämmerlings hat sich für die FAZ mit Eva Menasse und Michael Kumpfmüller getroffen, die in einem Rundschreiben ihre zögerlichen Kollegen doch noch überzeugen wollten.
Leider haben sie sich dabei leicht im Ton vergriffen - und jetzt gibt es Streit im Literaturbetrieb: Eva Demski fühlt sich moralisch erpresst, Tanja Dückers besteht auf der politischen Unabhängigkeit der Intellektuellen, und Ingo Schulze würde ohnehin lieber die Linkspartei wählen.
Kämmerlings findet das in jedem Fall interessanter als die phantasielosen Solidaritätsbekundungen mit der bestehenden Regierung:
"Es ist merkwürdig: In diesem Wahlkampf lehnen sich diejenigen am weitesten aus dem Fenster, die für die geringsten Veränderungen eintreten."
Der Schriftsteller Stefan Weidner stellt sich immerhin öffentlich auf die Seite der CDU. "Das Phänomen Merkel enthält eine stille Verheißung", verkündet er weihevoll in der WELT:
" Es ist die Verheißung, ja, der Eigentlichkeit."
Weidner beharrt ganz unironisch darauf, dass Angela Merkel einen "völlig ungetrübten Sinn" dafür habe, dass "der Schein eben nur der Schein" sei - und sie darum im Gegensatz zu Gerhard Schröder noch zwischen Politik und Show unterscheiden könne.
Passenderweise beklagt DIE WELT in dieser Ausgabe nicht nur den Substanzverlust in der Politik, sondern auch gleich den in der Popkultur.
"Eine MP3-Datei ist kein Musikstück mehr, es hört sich nur so an", stellt Michael Pilz zum Auftakt der Branchenmesse Popkomm fest - und erschrickt als alter Plattensammler zunächst angesichts der Flüchtigkeit der digitalen Downloads:
"Sie stellen keinen Wert mehr dar, den man schon aus Respekt auf Trödelmärkte schleppt. Auf Knopfdruck ist diese Musik wieder verschwunden."
Die Vorstellung, dass ganze musikalische Epochen und damit das "wuchtige historische System" des Pop einfach so von der Festplatte gelöscht werden könnte, findet Pilz dann doch ziemlich aufregend: Reset - und alles noch mal auf Anfang. Warum nicht?
Schade nur, dass das in der Politik nicht funktioniert. Da geht es so immer weiter.
"Die Tatsache, daß Paul Kirchhof einen Ortstermin in der Pfalz absolviert, während die Nation über Kirchhof streitet, wirkt wie ein Krankheitssymptom der verängstigten und überforderten Parteizentrale. Statt ihm Foren zu bieten oder ihm zur Seite zu springen, verschickt sie ihn zu Terminen, auf denen er über Getreideveredelung unterrichtet wird."
Den Grund dafür sieht Schirrmacher in Kirchhofs Forderung nach weniger staatlicher Intervention:
"Die Tatsache Kirchhof bedeutet Machtverzicht für die Gralshüter der vermeintlichen Realpolitik. Das spüren (…) ohne Zweifel auch die Ministerpräsidenten der CDU."
Natürlich hält Günter Grass ebenfalls keine allzu großen Stücke auf Paul Kirchhof. "Frau Merkels Wunderknabe" nennt er ihn und beschimpft sein Steuerkonzept als "Meisterstück in Sachen Neoliberalismus".
Aus solchen Parolen ist die mehr oder weniger kämpferische Rede zusammengesetzt, mit der Grass in diesen Tagen Werbung für Kanzler Schröder macht - und die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG jetzt nachdruckt.
Die lobenswerte Haltung im Irak-Krieg, die liberale Einwanderungspolitik und das Beharren auf sozialer Gerechtigkeit - ein bisschen wundert man sich schon, dass dem Schriftsteller und Nobelpreisträger Grass nicht mehr eingefallen ist als das, was ohnehin schon auf den Wahlplakaten steht.
Politik und Literatur, vielleicht geht das doch nicht so gut zusammen. Zumindest haben nicht wenige Schriftsteller dankend abgewunken, als Günter Grass vor einigen Wochen um Unterschriften für Rot-Grün warb.
Das gefällt nicht jedem. Richard Kämmerlings hat sich für die FAZ mit Eva Menasse und Michael Kumpfmüller getroffen, die in einem Rundschreiben ihre zögerlichen Kollegen doch noch überzeugen wollten.
Leider haben sie sich dabei leicht im Ton vergriffen - und jetzt gibt es Streit im Literaturbetrieb: Eva Demski fühlt sich moralisch erpresst, Tanja Dückers besteht auf der politischen Unabhängigkeit der Intellektuellen, und Ingo Schulze würde ohnehin lieber die Linkspartei wählen.
Kämmerlings findet das in jedem Fall interessanter als die phantasielosen Solidaritätsbekundungen mit der bestehenden Regierung:
"Es ist merkwürdig: In diesem Wahlkampf lehnen sich diejenigen am weitesten aus dem Fenster, die für die geringsten Veränderungen eintreten."
Der Schriftsteller Stefan Weidner stellt sich immerhin öffentlich auf die Seite der CDU. "Das Phänomen Merkel enthält eine stille Verheißung", verkündet er weihevoll in der WELT:
" Es ist die Verheißung, ja, der Eigentlichkeit."
Weidner beharrt ganz unironisch darauf, dass Angela Merkel einen "völlig ungetrübten Sinn" dafür habe, dass "der Schein eben nur der Schein" sei - und sie darum im Gegensatz zu Gerhard Schröder noch zwischen Politik und Show unterscheiden könne.
Passenderweise beklagt DIE WELT in dieser Ausgabe nicht nur den Substanzverlust in der Politik, sondern auch gleich den in der Popkultur.
"Eine MP3-Datei ist kein Musikstück mehr, es hört sich nur so an", stellt Michael Pilz zum Auftakt der Branchenmesse Popkomm fest - und erschrickt als alter Plattensammler zunächst angesichts der Flüchtigkeit der digitalen Downloads:
"Sie stellen keinen Wert mehr dar, den man schon aus Respekt auf Trödelmärkte schleppt. Auf Knopfdruck ist diese Musik wieder verschwunden."
Die Vorstellung, dass ganze musikalische Epochen und damit das "wuchtige historische System" des Pop einfach so von der Festplatte gelöscht werden könnte, findet Pilz dann doch ziemlich aufregend: Reset - und alles noch mal auf Anfang. Warum nicht?
Schade nur, dass das in der Politik nicht funktioniert. Da geht es so immer weiter.