Von Kolja Mensing
Zwei "taz"-Reporter gaben sich als Zensus-Befrager aus und erhielten auch Antworten auf pikante Fragen, die bei der Volkszählung nicht gestellt werden. Die "Welt" berichtet über die Verhaftung des Performance-Künstlers Cheng Li in China.
Es ist eine filmreife Nummer: Zwei Journalisten basteln sich Fantasieausweise mit dem aktuellen "Zensus"-Logo, ziehen sich T-Shirts mit dem Aufdruck "Erhebungsbeauftragter" an – und klingeln mit dem Klemmbrett unter dem Arm an zufällig ausgewählten Berliner Haustüren.
Kein Witz: Die TAZ-Reporter Paul Wrusch und Annabelle Seubert sind zum Start der Volkszählung losgezogen, um auszuprobieren, wie weit die Bereitschaft der Deutschen zur Selbstentblößung tatsächlich reicht. Ausgangsfrage des Experiments: "Verraten sie uns Dinge, die sie nicht [einmal] auf Facebook posten [würden]?" – Die Antwort: Oh, ja!
Also, los: Telefonnummer, Beruf, Einkommen und die Glaubensrichtung – diese Punkte finden sich auch auf dem offiziellen Fragebogen zum "Zensus 2011". Doch Wrusch und Seubert, die selbst ernannten "Erhebungsbeauftragten" der TAGESZEITUNG, sind mit ihren eigenen, fiktiven Fragen noch einmal ein Stück weiter gegangen:
Wie viele Zigaretten rauchen Sie am Tag?
Wie viel Alkohol trinken Sie?
Irgendwelche Medikamente?
Und weiter:
"Haben Sie schon einmal illegale Drogen konsumiert?"
"Haben Sie abgetrieben?"
Was meinen Sie: "Sollte der Staat Sterbehilfe erlauben?"
Und zuletzt – mit der wunderbaren Begründung, dass die Wahlumfragen immer so ungenau sind! – dann noch ein paar ganz direkte Fragen zur politischen Ausrichtung.
Das klingt unseriös? Stimmt. Und trotzdem: Die beiden Under-Cover-Reporter der TAZ haben bei ihrem Ausflug in das Grenzland des Privaten auf sämtliche Fragen Antwort bekommen – und zwar umso bereitwilliger, je intimer sie waren.
Nicht jeder gibt offenbar gerne seine Festnetznummer oder die Höhe seines Einkommens preis. Über Drogen, Krankheiten und Sexualverhalten wird dagegen ohne zu zögern Auskunft erteilt: "Wie oft haben Sie Geschlechtsverkehr?" – Kein Problem, auch darüber kann man den Staat im Jahre 2011 offenbar getrost detailliert informieren.
Szenenwechsel. China, intim: Der Performance-Künstler Cheng Li hatte sich zu einer Selbstentblößung im wahrsten Sinne des Wortes entschlossen. Vor einigen Wochen entkleidete er sich mit einer Partnerin in Peking auf dem Dach einer Galerie für Moderne Kunst und simulierte anschließend vor 200 Zuschauern einen Geschlechtsakt. Cheng Li wollte mit seiner Aktion ein Zeichen setzen gegen die "Prostitution der Kunst" auf dem Markt – und ist dafür jetzt verhaftet worden.
Johnny Erling berichtet in der Tageszeitung DIE WELT, dass Cheng Li von den Behörden für ein Jahr in ein Arbeitslager eingewiesen worden ist. Begründung: "Störung der öffentlichen Ordnung" und "öffentliche Vorführung von Pornographie".
Eine Abschreckungsmaßnahme, meint Ehrling: Einen Monat nach der Verhaftung und Verschleppung des Konzeptkünstlers Ai Weiwei würden die chinesischen Behörden ein weiteres Mal ein Exempel an einem Künstler statuieren. Im Gegensatz zum Fall Ai Weiwei würde über die Maßnahmen gegen Cheng Li allerdings öffentlich debattiert – unter anderem habe ein renommierter Jurist in der Tageszeitung "Beijing News" Partei für den Künstler ergriffen.
Im Internet kursieren derweil Fotos von der Kunstaktion. Und während man in Deutschland über Sex mittlerweile ganz unverstellt spricht – zumindest wenn ein vermeintlicher Vertreter des Staates an die Tür klopft – hat sich in China ein feines Gespür für Doppeldeutigkeiten erhalten.
Auch das steht in der WELT: Blogger haben der Performance mit dem Geschlechtsakt über den Dächern von Peking nachträglich den subversiven Titel "gao gan" gegeben. Es handelt sich dabei um ein Wortspiel: "gao gan" hat im Slang die anzügliche Bedeutung "es hoch oben zu machen". Andererseits ist es eine gebräuchliche Abkürzung für hochrangige Funktionäre der Kommunistischen Partei.
Kein Witz: Die TAZ-Reporter Paul Wrusch und Annabelle Seubert sind zum Start der Volkszählung losgezogen, um auszuprobieren, wie weit die Bereitschaft der Deutschen zur Selbstentblößung tatsächlich reicht. Ausgangsfrage des Experiments: "Verraten sie uns Dinge, die sie nicht [einmal] auf Facebook posten [würden]?" – Die Antwort: Oh, ja!
Also, los: Telefonnummer, Beruf, Einkommen und die Glaubensrichtung – diese Punkte finden sich auch auf dem offiziellen Fragebogen zum "Zensus 2011". Doch Wrusch und Seubert, die selbst ernannten "Erhebungsbeauftragten" der TAGESZEITUNG, sind mit ihren eigenen, fiktiven Fragen noch einmal ein Stück weiter gegangen:
Wie viele Zigaretten rauchen Sie am Tag?
Wie viel Alkohol trinken Sie?
Irgendwelche Medikamente?
Und weiter:
"Haben Sie schon einmal illegale Drogen konsumiert?"
"Haben Sie abgetrieben?"
Was meinen Sie: "Sollte der Staat Sterbehilfe erlauben?"
Und zuletzt – mit der wunderbaren Begründung, dass die Wahlumfragen immer so ungenau sind! – dann noch ein paar ganz direkte Fragen zur politischen Ausrichtung.
Das klingt unseriös? Stimmt. Und trotzdem: Die beiden Under-Cover-Reporter der TAZ haben bei ihrem Ausflug in das Grenzland des Privaten auf sämtliche Fragen Antwort bekommen – und zwar umso bereitwilliger, je intimer sie waren.
Nicht jeder gibt offenbar gerne seine Festnetznummer oder die Höhe seines Einkommens preis. Über Drogen, Krankheiten und Sexualverhalten wird dagegen ohne zu zögern Auskunft erteilt: "Wie oft haben Sie Geschlechtsverkehr?" – Kein Problem, auch darüber kann man den Staat im Jahre 2011 offenbar getrost detailliert informieren.
Szenenwechsel. China, intim: Der Performance-Künstler Cheng Li hatte sich zu einer Selbstentblößung im wahrsten Sinne des Wortes entschlossen. Vor einigen Wochen entkleidete er sich mit einer Partnerin in Peking auf dem Dach einer Galerie für Moderne Kunst und simulierte anschließend vor 200 Zuschauern einen Geschlechtsakt. Cheng Li wollte mit seiner Aktion ein Zeichen setzen gegen die "Prostitution der Kunst" auf dem Markt – und ist dafür jetzt verhaftet worden.
Johnny Erling berichtet in der Tageszeitung DIE WELT, dass Cheng Li von den Behörden für ein Jahr in ein Arbeitslager eingewiesen worden ist. Begründung: "Störung der öffentlichen Ordnung" und "öffentliche Vorführung von Pornographie".
Eine Abschreckungsmaßnahme, meint Ehrling: Einen Monat nach der Verhaftung und Verschleppung des Konzeptkünstlers Ai Weiwei würden die chinesischen Behörden ein weiteres Mal ein Exempel an einem Künstler statuieren. Im Gegensatz zum Fall Ai Weiwei würde über die Maßnahmen gegen Cheng Li allerdings öffentlich debattiert – unter anderem habe ein renommierter Jurist in der Tageszeitung "Beijing News" Partei für den Künstler ergriffen.
Im Internet kursieren derweil Fotos von der Kunstaktion. Und während man in Deutschland über Sex mittlerweile ganz unverstellt spricht – zumindest wenn ein vermeintlicher Vertreter des Staates an die Tür klopft – hat sich in China ein feines Gespür für Doppeldeutigkeiten erhalten.
Auch das steht in der WELT: Blogger haben der Performance mit dem Geschlechtsakt über den Dächern von Peking nachträglich den subversiven Titel "gao gan" gegeben. Es handelt sich dabei um ein Wortspiel: "gao gan" hat im Slang die anzügliche Bedeutung "es hoch oben zu machen". Andererseits ist es eine gebräuchliche Abkürzung für hochrangige Funktionäre der Kommunistischen Partei.