Von Kolja Mensing
Kanzlerin Merkel war im Theater, kann die „Taz“ bezeugen: Über Hauptmanns Weber soll sie sich in Berlin im DT amüsiert haben. Jetzt ist sie bestimmt schon in Davos, wo ihre Abendgestaltung wohl etwas anders aussehen wird, wie die „Faz“ vermutet.
Was macht die Bundeskanzlerin eigentlich, wenn sie einmal einen netten Abend haben will? Ganz einfach: Sie geht ins Theater. Ralf Bollmann, der das Parlamentsbüro der TAZ leitet, war Zeuge: Angela Merkel hat sich Hauptmanns „Weber“ angesehen, in der Inszenierung von Michael Thalheimer am DT in Berlin, gleich um die Ecke vom Kanzleramt.
Das Stück erzählt von einer Handvoll bettelarmer schlesischer Weber, die die Villa eines Fabrikbesitzers stürmen – und Kaiser Wilhelm II. hatte nach der Uraufführung des Sozialdramas im Jahre 1894 am gleichen Haus bekanntlich umgehend seine Loge gekündigt. Einspruch gegen die aktuelle Inszenierung kommt heute dagegen aus Reihen des Feuilletons: Die meisten Kritiker finden das Elend der Weber ein bisschen zu plakativ in Szene gesetzt.
Ralf Bollmann wundert sich über die vertauschten Rollen:
„Das Kulturvolk von Berlin-Mitte findet den aalglatten Unternehmer in der Aufführung irgendwie cool, die uncoole Politik hat sich ums abgehängte Prekariat zu sorgen. Während Merkel sich über Thalheimers zugespitzte Aufführung amüsiert, lässt sie ihre Arbeitsministerin über den Mindestlohn für die Leiharbeiter verhandeln. Gegen den Protest von Arbeitgebern.“
Mittlerweile dürfte Angela Merkel bereits in Davos sein, als Gast auf dem Weltwirtschaftsforum. Hier sieht die Abendgestaltung etwas anders aus. Mittwoch Burdas Night-Cap, Donnerstag McKinsey-Party, Freitag Deutsche-Bank-Empfang, anschließend lädt Google dann noch auf ein Gläschen ein: Networking wird in Davos groß geschrieben, und wenn man der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG glauben darf, tobt das wahre Leben in dem Graubündener Skiort abseits der offiziellen Konferenzen und Podien, bei denen über Afrikas Ernährungsprobleme und die Globalisierung 3.0 diskutiert wird.
Darüber hinaus biete das Weltwirtschaftsforum für die Reichen und Mächtigen dieser Welt die einzigartige Möglichkeit, „Ehe und Dienst“ miteinander zu verknüpfen, spottet Georg Meck in seinem zauberhaften Gesellschaftsporträt: Jeder dritte Manager, weiß er zu berichten, reise mit Gattin an, und damit die Begleiterinnen sich nicht langweilen müssten, werde allerlei Vergnügen angeboten: „Damenprogramm“ habe das früher geheißen, so Georg Meck, heute würden die Veranstaltungen schlicht unter der Überschrift „Freizeit“ laufen. Schneewandern, Husky-Schlitten, eine Kutschpartie mit Einkehr zu Käse und Schokolade, und morgens um halb zehn warte der Skilehrer an der Piste: Wer seinen Sozialneid befeuern möchte, sollte sich diesen Text auf keinen Fall entgehen lassen.
Wer weiß, vielleicht ist es sogar eine Ermutigung, im nächsten Jahr mal wieder ein bisschen in den Schweizer Alpen zu demonstrieren: Der Protest gegen Davos sei abgeflaut, auch das berichtet Georg Meck in der FAZ, die Teilnehmer des Forums würden ihn als Teil der Gipfelfolklore bereits vermissen.
Ein bisschen frecher Luxus entspricht im Moment offenbar eher dem Zeitgeist. Für einen Lamborghini Revénton zum Beispiel muss man eine gute Million auf den Tisch legen – und man könnte meinen, dass es in einem Land, in dem über Mindestlöhne im einstelligen Euro-Bereich diskutiert wird, Wichtigeres gibt, als unbezahlbare Autos.
Und dann preist in der WELT ausgerechnet ein protestantischer Theologe den sündhaft teuren Sportwagen in höchsten Tönen:
„Nonkonform, singulär, elitär, kompromisslos, die wundersame Verwandlung von Materie in Form, Stoff in Energie, Finish in Raserei“,
mit diesen Worten feiert Jochen Wagner, Leiter der Evangelischen Akademie Tutzing, den Revénton in einem wortgewaltigen Gastbeitrag, in dem er das Hohelied der Technik singt.
Dabei wird nicht nur das Prekariat abgehängt. Bedenken mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit, die Ökologie und kommende Generationen werden einfach rechts überholt: „Wer einen Lambo hat“, so Wagner, „sinniert über all so ein Zeug nicht, er fährt und fährt und fährt.“
Das Stück erzählt von einer Handvoll bettelarmer schlesischer Weber, die die Villa eines Fabrikbesitzers stürmen – und Kaiser Wilhelm II. hatte nach der Uraufführung des Sozialdramas im Jahre 1894 am gleichen Haus bekanntlich umgehend seine Loge gekündigt. Einspruch gegen die aktuelle Inszenierung kommt heute dagegen aus Reihen des Feuilletons: Die meisten Kritiker finden das Elend der Weber ein bisschen zu plakativ in Szene gesetzt.
Ralf Bollmann wundert sich über die vertauschten Rollen:
„Das Kulturvolk von Berlin-Mitte findet den aalglatten Unternehmer in der Aufführung irgendwie cool, die uncoole Politik hat sich ums abgehängte Prekariat zu sorgen. Während Merkel sich über Thalheimers zugespitzte Aufführung amüsiert, lässt sie ihre Arbeitsministerin über den Mindestlohn für die Leiharbeiter verhandeln. Gegen den Protest von Arbeitgebern.“
Mittlerweile dürfte Angela Merkel bereits in Davos sein, als Gast auf dem Weltwirtschaftsforum. Hier sieht die Abendgestaltung etwas anders aus. Mittwoch Burdas Night-Cap, Donnerstag McKinsey-Party, Freitag Deutsche-Bank-Empfang, anschließend lädt Google dann noch auf ein Gläschen ein: Networking wird in Davos groß geschrieben, und wenn man der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG glauben darf, tobt das wahre Leben in dem Graubündener Skiort abseits der offiziellen Konferenzen und Podien, bei denen über Afrikas Ernährungsprobleme und die Globalisierung 3.0 diskutiert wird.
Darüber hinaus biete das Weltwirtschaftsforum für die Reichen und Mächtigen dieser Welt die einzigartige Möglichkeit, „Ehe und Dienst“ miteinander zu verknüpfen, spottet Georg Meck in seinem zauberhaften Gesellschaftsporträt: Jeder dritte Manager, weiß er zu berichten, reise mit Gattin an, und damit die Begleiterinnen sich nicht langweilen müssten, werde allerlei Vergnügen angeboten: „Damenprogramm“ habe das früher geheißen, so Georg Meck, heute würden die Veranstaltungen schlicht unter der Überschrift „Freizeit“ laufen. Schneewandern, Husky-Schlitten, eine Kutschpartie mit Einkehr zu Käse und Schokolade, und morgens um halb zehn warte der Skilehrer an der Piste: Wer seinen Sozialneid befeuern möchte, sollte sich diesen Text auf keinen Fall entgehen lassen.
Wer weiß, vielleicht ist es sogar eine Ermutigung, im nächsten Jahr mal wieder ein bisschen in den Schweizer Alpen zu demonstrieren: Der Protest gegen Davos sei abgeflaut, auch das berichtet Georg Meck in der FAZ, die Teilnehmer des Forums würden ihn als Teil der Gipfelfolklore bereits vermissen.
Ein bisschen frecher Luxus entspricht im Moment offenbar eher dem Zeitgeist. Für einen Lamborghini Revénton zum Beispiel muss man eine gute Million auf den Tisch legen – und man könnte meinen, dass es in einem Land, in dem über Mindestlöhne im einstelligen Euro-Bereich diskutiert wird, Wichtigeres gibt, als unbezahlbare Autos.
Und dann preist in der WELT ausgerechnet ein protestantischer Theologe den sündhaft teuren Sportwagen in höchsten Tönen:
„Nonkonform, singulär, elitär, kompromisslos, die wundersame Verwandlung von Materie in Form, Stoff in Energie, Finish in Raserei“,
mit diesen Worten feiert Jochen Wagner, Leiter der Evangelischen Akademie Tutzing, den Revénton in einem wortgewaltigen Gastbeitrag, in dem er das Hohelied der Technik singt.
Dabei wird nicht nur das Prekariat abgehängt. Bedenken mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit, die Ökologie und kommende Generationen werden einfach rechts überholt: „Wer einen Lambo hat“, so Wagner, „sinniert über all so ein Zeug nicht, er fährt und fährt und fährt.“