Von Kolja Mensing

Die Feuilletons beschäftigen sich mit dem tragischen Unfall des Kandidaten bei der ZDF-Show "Wetten dass … ?". Während die "SZ" auf der Medienseite titelt: "Wie riskant darf Unterhaltung sein?", fragt die "FAZ" im Interview mit Thomas Gottschalk nach den "persönliche Konsequenzen" des Moderators.
Wir geben es zu: Das Interview mit Fatboy Slim in der WELT hätten wir wahrscheinlich nur überflogen. Doch dann kommt die Frage nach dem Unfall. Vor acht Jahren stürzte eine junge Frau nach einem Konzert von Fatboy Slim in Brighton Beach von einem Geländer und erlag kurz darauf ihren Verletzungen. Er habe später einen Brief von den Eltern bekommen, erzählt der DJ und Musiker:

"Ihre Tochter hatte sie vor [ihrem Tod] angerufen und gesagt, es sei der beste Abend ihres Lebens. [Sie] haben mir gedankt, dass ich ihren letzten Abend zu ihrem besten gemacht habe."

Das ist nicht einfach nur ein trauriges Raver-Märchen. An diesem Montag bekommt die Geschichte der Party-Tragödie von Brighton Beach einen besonderen Klang. Mehr als acht Millionen Fernsehzuschauer konnten sich am Wochenende davon überzeugen, dass wir in einer Welt leben, in der man sich im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode amüsieren kann: In der ZDF-Show "Wetten, dass ... ?" kam es zu einem Unfall, als ein junger Mann namens Samuel Koch versuchte, mit Stahlfedern an den Füßen vor laufenden Kameras über ein fahrendes Auto zu springen. Er ist schwer verletzt, und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat die Medienseite freigeräumt, um die Frage zu beantworten: "Wie riskant darf Unterhaltung sein?"

Bekannt ist: "Wetten, dass ... ?" steht seit längerem unter Druck. Hans Hoff erinnert daran, dass am Samstagabend einst auf den anderen Kanälen nur Wiederholungen liefen, um die Quote der "größten europäischen Unterhaltungssendung" nicht zu gefährden. Dieser "Nichtangriffspakt" sei allerdings längst aufgekündigt worden, und Thomas Gottschalk würden seit Jahren die Zuschauer weglaufen.

Die Frage, ob das ZDF sich mit besonders gefährlichen Wetten gegenüber den Privatsendern konkurrenzfähig machen wolle, lässt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG dann allerdings offen – und lobt stattdessen den Umgang mit dem Unfall im Rahmen einer Live-Sendung. Hans Hoff erinnert an die Pro-Sieben-Show, in der Stefan Raab mit einem Mountainbike verunglückt war und die Kamera nach dem Crash gnadenlos auf den regungslosen Showmaster hielt. Bei "Wetten, dass ... ?" sei am Samstagabend dagegen nur das schockierte Publikum im Bild gewesen: "Beim ZDF wird eben nicht draufgehalten", schreibt Hoff, und weiter:

"Dass dann noch eine Riesenshow wie 'Wetten, dass ... ?' zum ersten Mal in ihrer beinahe 30-jährigen Geschichte abgebrochen wird, ist als Leistung verantwortungsbewusster Programmmacher zu werten."

Doch hätten nicht genau diese Programmmacher einfach sehr viel früher die Reißleine ziehen müssen? In der Politik werden in solchen Momenten gerne "persönliche Konsequenzen" der Verantwortlichen eingeklagt. Danach erkundigt sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG jetzt auch prompt im Interview mit Thomas Gottschalk, und siehe da: Der Moderator antwortet genauso ausweichend und kalkuliert vage, wie ein Politiker es tun würde. Im Moment gehe es weder um sein Moderatorenschicksal noch um die Zukunft der Sendung, sondern ausschließlich um die Zukunft des Wettkandidaten. Über alles andere, so Gottschalk, werde er sich zu gegebener Zeit in enger Absprache mit dem ZDF Gedanken machen.

So klingt ein Minister kurz vor dem Rücktritt – und der Kommentar von FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld liest sich dann auch fast schon wie ein Nachruf. Nicht der Mann mit den Sprungfedern ist hier das Opfer, sondern der Moderator:

"Es ist tragisch, dass gerade ihm so etwas passiert ist. Thomas Gottschalk ist einer der letzten Fernsehunterhalter, der es darauf anlegt, die ganze Familie zu unterhalten. [ ... ] Er stellt die Menschen in seiner Show nicht aus, es geht nicht um ein Höher, Schneller, Weiter, sondern um absonderliche und eben auch wagemutige Unternehmungen."

Setzen Sie das ins Imperfekt – und schon ist Thomas Gottschalk Vergangenheit.