Von Kolja Mensing

"FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher schreibt über seine Begegnung mit Mond-Pionier Neil Amstrong, die "ZEIT" setzt sich mit "scripted reality" auseinander und in der "WELT" geht es um Models und Diktatoren.
"Der August ist eine Ebene, eine Fläche, man könnte auch sagen, er ist ein stillstehender Teich, der Monat, in dem jegliche Betriebsamkeit gesenkt wird"," behauptet Alexander Kluge in der "ZEIT".

Auch im Feuilleton hat der Spätsommer Einzug gehalten, und selbst die honigtrunkenen Berichte aus Salzburg und Bayreuth können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Themenfelder gründlich abgeerntet sind. Was liegt näher, als diesen Dürremonat genauer anzuschauen: Alexander Kluge hangelt sich im Gespräch mit Ursula März vom römischen Kaiser Augustus über den Ersten Weltkrieg, der am 1. August 1914 begann, bis zu Gottfried Benns Gedicht "Einsamer nie- [als im August]".

Im August ist alles möglich. Frank Schirrmacher ist berauscht aus Salzburg heimgekehrt, nicht von den Festspielen, sondern von einer Begegnung mit Neil Armstrong, besser bekannt als: der erste Mensch auf dem Mond.

Armstrong hat sich 40 Jahre lang erfolgreich der Öffentlichkeit verweigert, und als es einem österreichischen Fernsehsender gelang, ihn für ein Interview zu seinem 80. Geburtstag zu gewinnen, durfte eine kleine Schar von Medien-VIPs bei der Aufzeichnung dabei sein. Viel hat der amerikanische Astronaut wieder nicht gesagt, und genau darin sieht Schirrmacher seine Leistung. Er ist kein Entdecker, sondern einfach nur ein Pilot, der einen Auftrag erfüllt hat und sich seitdem weigert, der Sache Bedeutung beizumessen: ""Die wirkliche Heldenarbeit kam danach", schreibt Schirrmacher: "Keine Werbung, keine Publicity, keine Sätze, die die Mondlandung zu irgend etwas anderem machen als der Landung auf einem Felsbrocken im Weltall."

Dass andere Menschen – insbesondere der Bedeutungs-Experte Frank Schirrmacher – hier mehr erkennen, lässt sich nicht verhindern: "Immerhin", schreibt der "FAZ"-Herausgeber, "wissen wir dank Armstrong, dass wir theoretisch [von der Erde] flüchten können."

Gründe dafür gäbe es genug. Ganz oben auf der Liste steht das Nachmittagsprogramm des deutschen Privatfernsehens. Die "ZEIT" hat einen Blick in Sendungen wie "Familien im Brennpunkt" gewagt: "Wer gerne die stille Verwahrlosung einsamer, sozial inkompetenter Menschen beobachtet oder gerade andersherum die gewaltsame Eskalation von Eifersuchtsdramen präferiert, wird hier fündig", schreibt Nina Pauer leicht schockiert.

Die Medienwissenschaftler nennen es "scripted reality": Die Doku-Soaps sehen echt aus, mit Wackelkamera, Laiendarstellern und Allerweltskulissen, die haarsträubenden Geschichten aber sind frei erfunden. Das ist das Problem, meint Nina Pauer: Wenn das Fernsehen den emotionalen und sozialen Ausnahmezustand zur Wirklichkeit erklärt, muss man sich nicht wundern, wenn auch das echte Leben immer "lauter, kaputter und grausamer" wird.

Der umgekehrte Fall - dass die Wirklichkeit wie eine Inszenierung wirkt - lässt sich nun in Den Haag beobachten. Das Fotomodell Naomi Campbell soll vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal Auskunft darüber geben, ob Charles Taylor, der ehemalige Präsident Liberias, ihr Ende der Neunziger bei einem Wohlfahrtsball einen Diamanten geschenkt hat. Es geht um die Frage, ob Taylor in Besitz von so genannten "blood diamonds" war, mit denen in Afrika gewalttätige Konflikte finanziert werden - eine Tragödie, die über den Celebrity-Faktor leicht in Vergessenheit gerät.

"Man kann sich das Drama, auch was die Umstände seines Entstehens angeht, kaum ‚mehr Hollywood’ vorstellen"," schreibt der Schriftsteller Eckhard Nickel in der "WELT". Er glaubt allerdings, dass genau das etwas bewirken könnte. "Die Mode und der Luxus stehen nach dieser Geschichte nicht besonders gut da", formuliert er salopp: ""Wenn immer offensichtlicher wird, wie und wo die Ströme blutigen Geldes fließen, wird vielleicht auch der Überfluss an sich in Frage gestellt."

Naomi Campbell haben wir zuletzt auf den Werbeplakaten von H&M gesehen. Sollte sie doch noch zur Sozialrevolutionärin werden? Es ist August. In diesem Monat ist alles möglich.