Von Kolja Mensing
Die "FAZ" druckt einen Abgesang auf die Fußballreportage im Radio. Mehrere Zeitungen beschäftigen sich mit einem offenen Brief von Regisseur Roman Polanski. Und in der"SZ" äußert sich der Theologe Klaus Berger zu den Missbrauchsfällen in der Kirche.
Gönnen wir uns zu Beginn ein bisschen Wehmut in eigener Sache.
Patric Seibel hat für die "FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG" einen Abgesang auf die hohe Kunst der Fußballreportage im Radio verfasst. Der Autor, der selbst als Sport-Berichterstatter für ein kleines Internetradio arbeitet, erinnert an die großen Namen vergangener Zeiten: an Jochen Hageleit, der in den 70er-Jahren allein mit dem Klang seiner Stimme aus einer mittelmäßigen Begegnung im Ruhrstadion ein dramatisches Hörstück machen konnte, an Rudi Michel, der 1961 beim Europapokal-Halbfinale im Hamburger Volkspark-Stadion den Jubel der Zuschauer ganze 26 Sekunden lang stehen ließ, bis er lakonisch das zwei zu null für den HSV verkündete, und an die Sternstunden Heribert Fassbenders. "Seine Prosa ist Poesie", schwärmt Patric Seibel.
Doch dieser Zauber ist verflogen. Die gute, alte Fußballreportage im Radio ist längst von ihrer jüngeren Schwester, der Fernsehübertragung, verdrängt worden, und mit ihr, seufzt Seibel, die "sinnliche Erfahrung einer längst vergangenen Zeit".
Zurück in die Gegenwart. Der Filmregisseur Roman Polanski hat auf einer französischen Website einen offenen Brief veröffentlicht. Es ist seine erste öffentliche Stellungnahme seit seiner Verhaftung im vergangenen Herbst in Zürich. Polanski droht die Auslieferung an die USA: Er steht im Verdacht, im Jahre 1977 ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben.
Damals hatte er sich dem Verfahren durch Flucht entzogen, nachdem ein Deal mit einem Richter geplatzt war, der ihn zunächst nach 42 Tagen Untersuchungshaft frei laufen lassen wollte. Jetzt wirft Polanski den amerikanischen Behörden vor, ihn "den Medien zum Fraß vorwerfen" zu wollen: Der zuständige Staatsanwalt stehe bekanntlich gerade mitten im Wahlkampf. Das wirkt eher hilflos, und es ist schwer zu verstehen, warum Jürg Altwegg den Brief in der "FAZ" als "geschicktes Plädoyer" bezeichnet – und sich außerdem noch für den Regisseur in die Bresche schmeißt. Es gebe gute Gründe, Roman Polanski in Ruhe zu lassen, schreibt Altwegg: "Dieser Mann hat für sein Vergehen bezahlt; mehrfach."
Die "TAZ" sieht das nicht ganz so entspannt. "Je mehr Polanski sich als Opfer sieht, umso weniger nimmt er wahr, dass seine Erklärung für ihn selbst zu einem ungelegenen Zeitpunkt kommt", schreibt Filmkritikerin Cristina Nord und fährt in langen, zornigen Sätzen fort:
"Im September [vergangenen Jahres ] mochte es noch genug Menschen geben, die dachten, dass keine sexuelle Gewalt vorliegen kann, solange das Opfer nicht grün und blau geprügelt wurde, und es als Ausweis des liberalen Geistes der 70er-Jahre werteten, wenn ein 44 Jahre alter Mann Sex mit einem Teenager hatte. Wer Polanski heute mit diesen Argumenten entlasten möchte, sieht sich vor das Problem gestellt, dass er mit all den Priestern und Pädagogen, die Kinder und Jugendliche zu sexuellen Handlungen genötigt haben, genau so verfahren müsste."
Damit sind wir zuletzt wieder bei der traurigen Diskussion um den sexuellen Missbrauch in den Reihen der katholischen Priester angekommen. Eine der ganz wenigen guten Nachrichten in diesem Zusammenhang war die Bereitschaft zahlreicher Bischöfe in Deutschland, Verdachtsfälle künftig nicht intern zu verfolgen, sondern der Staatsanwaltschaft zu melden.
Doch das scheint noch lange nicht Konsens zu sein. Der Theologe Klaus Berger, der zuletzt aufgefallen war, weil er jahrelang an einer evangelischen Hochschule unterrichtet hatte, obwohl er Mitglied der katholischen Kirche war, meldet Kritik an: "Die Kirche ist keine Außenstelle der Strafverfolgung", schreibt er in der "SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" und warnt vor einem "Zwang zur Denunziation", dem in einer "systematisch hysterisierten Öffentlichkeit" auch Unschuldige zum Opfer fallen könnten.
Das ist fast böswillig restaurativ. Hoffen wir, dass die Kirche nicht wieder dichtmacht.
Patric Seibel hat für die "FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG" einen Abgesang auf die hohe Kunst der Fußballreportage im Radio verfasst. Der Autor, der selbst als Sport-Berichterstatter für ein kleines Internetradio arbeitet, erinnert an die großen Namen vergangener Zeiten: an Jochen Hageleit, der in den 70er-Jahren allein mit dem Klang seiner Stimme aus einer mittelmäßigen Begegnung im Ruhrstadion ein dramatisches Hörstück machen konnte, an Rudi Michel, der 1961 beim Europapokal-Halbfinale im Hamburger Volkspark-Stadion den Jubel der Zuschauer ganze 26 Sekunden lang stehen ließ, bis er lakonisch das zwei zu null für den HSV verkündete, und an die Sternstunden Heribert Fassbenders. "Seine Prosa ist Poesie", schwärmt Patric Seibel.
Doch dieser Zauber ist verflogen. Die gute, alte Fußballreportage im Radio ist längst von ihrer jüngeren Schwester, der Fernsehübertragung, verdrängt worden, und mit ihr, seufzt Seibel, die "sinnliche Erfahrung einer längst vergangenen Zeit".
Zurück in die Gegenwart. Der Filmregisseur Roman Polanski hat auf einer französischen Website einen offenen Brief veröffentlicht. Es ist seine erste öffentliche Stellungnahme seit seiner Verhaftung im vergangenen Herbst in Zürich. Polanski droht die Auslieferung an die USA: Er steht im Verdacht, im Jahre 1977 ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben.
Damals hatte er sich dem Verfahren durch Flucht entzogen, nachdem ein Deal mit einem Richter geplatzt war, der ihn zunächst nach 42 Tagen Untersuchungshaft frei laufen lassen wollte. Jetzt wirft Polanski den amerikanischen Behörden vor, ihn "den Medien zum Fraß vorwerfen" zu wollen: Der zuständige Staatsanwalt stehe bekanntlich gerade mitten im Wahlkampf. Das wirkt eher hilflos, und es ist schwer zu verstehen, warum Jürg Altwegg den Brief in der "FAZ" als "geschicktes Plädoyer" bezeichnet – und sich außerdem noch für den Regisseur in die Bresche schmeißt. Es gebe gute Gründe, Roman Polanski in Ruhe zu lassen, schreibt Altwegg: "Dieser Mann hat für sein Vergehen bezahlt; mehrfach."
Die "TAZ" sieht das nicht ganz so entspannt. "Je mehr Polanski sich als Opfer sieht, umso weniger nimmt er wahr, dass seine Erklärung für ihn selbst zu einem ungelegenen Zeitpunkt kommt", schreibt Filmkritikerin Cristina Nord und fährt in langen, zornigen Sätzen fort:
"Im September [vergangenen Jahres ] mochte es noch genug Menschen geben, die dachten, dass keine sexuelle Gewalt vorliegen kann, solange das Opfer nicht grün und blau geprügelt wurde, und es als Ausweis des liberalen Geistes der 70er-Jahre werteten, wenn ein 44 Jahre alter Mann Sex mit einem Teenager hatte. Wer Polanski heute mit diesen Argumenten entlasten möchte, sieht sich vor das Problem gestellt, dass er mit all den Priestern und Pädagogen, die Kinder und Jugendliche zu sexuellen Handlungen genötigt haben, genau so verfahren müsste."
Damit sind wir zuletzt wieder bei der traurigen Diskussion um den sexuellen Missbrauch in den Reihen der katholischen Priester angekommen. Eine der ganz wenigen guten Nachrichten in diesem Zusammenhang war die Bereitschaft zahlreicher Bischöfe in Deutschland, Verdachtsfälle künftig nicht intern zu verfolgen, sondern der Staatsanwaltschaft zu melden.
Doch das scheint noch lange nicht Konsens zu sein. Der Theologe Klaus Berger, der zuletzt aufgefallen war, weil er jahrelang an einer evangelischen Hochschule unterrichtet hatte, obwohl er Mitglied der katholischen Kirche war, meldet Kritik an: "Die Kirche ist keine Außenstelle der Strafverfolgung", schreibt er in der "SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" und warnt vor einem "Zwang zur Denunziation", dem in einer "systematisch hysterisierten Öffentlichkeit" auch Unschuldige zum Opfer fallen könnten.
Das ist fast böswillig restaurativ. Hoffen wir, dass die Kirche nicht wieder dichtmacht.