Von Kolja Mensing
Ilse Aigners offener Brief an Facebook wird von der FAZ müde belächelt. Die "Süddeutsche" hingegen stimmt ein in den Jubelchor unkritischer Stimmen angesichts der Markteinführung von Apples iPad. Die Taz begleitet lieber Neopunks von heute auf ihrer Tour.
Ilse Aigner sagt Facebook den Kampf an. Die deutsche Verbraucherschutz-Ministerin hat einen offenen Brief an Mark Zuckerberg geschrieben, den Chef des derzeit größten sozialen Netzwerks, und sich über den lockeren Umgang mit dem Thema Datenschutz beklagt. Die CSU-Politikerin bezieht sich dabei auf die Pläne des Unternehmens, Informationen über seine Benutzer künftig auch an externe Firmen weitergeben zu wollen – und nur bei ausdrücklichem Wunsch des Users davon abzusehen. "Privates muss privat" bleiben, fordert Ilse Aigner – und droht damit, ihren eigenen Facebook-Account zu löschen, falls der Konzern seine Datenschutzrichtlinien nicht anpassen sollte.
Austritt statt Rücktritt als letztes politisches Mittel? Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat für Aigners offenen Brief nur Spott übrig: Wenn es so einfach wäre, schreibt Swantje Karich, dann müsste der Wirtschaftsminister ja nur damit drohen, sein Girokonto zu kündigen, um die Banken zur Räson zu bringen. Im Internet auf jeden Fall gehöre die Macht nicht den Politikern, sondern der "globalen Masse", den Nutzern also, die für den kommerziellen Erfolg eines Unternehmens verantwortlich seien.
Bisher habe Ilse Aigner die Masse allerdings nicht auf ihre Seite ziehen können: Ihre Facebook-Gruppe "Appell für mehr Datenschutz" zähle bisher nur 1280 Mitglieder, berichtet die FAZ, und glaubt man dem Berliner TAGESSPIEGEL, ist die Sozialstatistik der prominenten Netzwerk-Nutzerin eher trostlos: Gerade einmal 600 neue Freunde habe die Ministerin seit der Veröffentlichung ihres offenen Briefs bei Facebook hinzugewonnen – angesichts von 7,5 Millionen deutschen Mitgliedern eine verschwindend kleine Zahl.
Es ist doch ein merkwürdiger Rollentausch, der hier stattfindet: Eine deutsche Politikerin kritisiert die fragwürdigen Geschäftspraktiken eines internationalen Großkonzerns und erntet dafür unter den Journalisten nur ein müdes Lächeln – und gleichzeitig begleitet das Feuilleton die Markteinführung eines neuen Apple-Produkts über Tage hinweg mit werbewirksamen Jubel-Texten. Das iPad ist offenbar das neue Lieblingsspielzeug der Kulturberichterstatter, und wehe, jemand sagt ein böses Wort darüber!
Auch die SÜDEUTSCHE ZEITUNG ist ganz auf diese Linie eingeschwenkt. Bernd Graff freut sich wie viele seiner Kollegen über das "perfekte Couchwerkzeug", das Steve Jobs der Welt geschenkt habe. Und genau wie viele seiner Kollegen ist er von dem "schillernd-schönen" iPad so fasziniert, dass er über die letzten kritischen Anmerkungen aus der Blogosphäre nur lächeln kann.
Bernd Graff auf jeden Fall hat kein Problem damit, dass Apple mit dem neuen Gerät auf dem Markt der elektronischen Bücher eine "Quasi-Monopolstellung" anstrebt und bereits damit angefangen hat, im sogenannten iBookstore politisch inkorrekte Titel von Literaturklassikern einzuschwärzen. Microsoft und Google hätten schließlich längst vorgeführt, dass Marktbeherrschung durch Technik nicht nur ökonomischen Erfolg bedeute, sondern auch Einfluss auf die Inhalte habe. Jetzt habe sich eben auch Apple in ein "evil empire" verwandelt.
High-Tech und Internet, das ist die Party, auf der am Ende dann eben doch alle dabei sein wollen. Das gilt nicht nur für etablierte Kulturjournalisten, sondern auch für dezidiert antikapitalistisch eingestellte Punkmusiker. Die TAZ hat die Hamburger Krach-und-Spaß-Bands Egotronic, Bratze und Frittenbude auf ihrer Tournee durch die deutsche Provinz begleitet – und Alexandra Eul hat dabei unter anderem festgestellt, dass die beste Werbung für ein Konzert ein gut gepflegtes Tourtagebuch in einem sozialen Netzwerk ist: Früher sei das, was backstage passiert sei, geheim geblieben, erklärt ihr einer der Punkmusiker, heute könne man alles bei Facebook nachlesen.
Damit Sie nicht selbst nachschauen müssen: Bei Facebook ist über die Tournee dann allerdings auch nicht mehr zu erfahren als in der TAZ. Am Geheimnis des Punkrock hat sich eben auch im digitalen Zeitalter kaum etwas geändert: Viel Bier, wenig Schlaf. Darauf läuft es letzten Endes hinaus.
Austritt statt Rücktritt als letztes politisches Mittel? Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat für Aigners offenen Brief nur Spott übrig: Wenn es so einfach wäre, schreibt Swantje Karich, dann müsste der Wirtschaftsminister ja nur damit drohen, sein Girokonto zu kündigen, um die Banken zur Räson zu bringen. Im Internet auf jeden Fall gehöre die Macht nicht den Politikern, sondern der "globalen Masse", den Nutzern also, die für den kommerziellen Erfolg eines Unternehmens verantwortlich seien.
Bisher habe Ilse Aigner die Masse allerdings nicht auf ihre Seite ziehen können: Ihre Facebook-Gruppe "Appell für mehr Datenschutz" zähle bisher nur 1280 Mitglieder, berichtet die FAZ, und glaubt man dem Berliner TAGESSPIEGEL, ist die Sozialstatistik der prominenten Netzwerk-Nutzerin eher trostlos: Gerade einmal 600 neue Freunde habe die Ministerin seit der Veröffentlichung ihres offenen Briefs bei Facebook hinzugewonnen – angesichts von 7,5 Millionen deutschen Mitgliedern eine verschwindend kleine Zahl.
Es ist doch ein merkwürdiger Rollentausch, der hier stattfindet: Eine deutsche Politikerin kritisiert die fragwürdigen Geschäftspraktiken eines internationalen Großkonzerns und erntet dafür unter den Journalisten nur ein müdes Lächeln – und gleichzeitig begleitet das Feuilleton die Markteinführung eines neuen Apple-Produkts über Tage hinweg mit werbewirksamen Jubel-Texten. Das iPad ist offenbar das neue Lieblingsspielzeug der Kulturberichterstatter, und wehe, jemand sagt ein böses Wort darüber!
Auch die SÜDEUTSCHE ZEITUNG ist ganz auf diese Linie eingeschwenkt. Bernd Graff freut sich wie viele seiner Kollegen über das "perfekte Couchwerkzeug", das Steve Jobs der Welt geschenkt habe. Und genau wie viele seiner Kollegen ist er von dem "schillernd-schönen" iPad so fasziniert, dass er über die letzten kritischen Anmerkungen aus der Blogosphäre nur lächeln kann.
Bernd Graff auf jeden Fall hat kein Problem damit, dass Apple mit dem neuen Gerät auf dem Markt der elektronischen Bücher eine "Quasi-Monopolstellung" anstrebt und bereits damit angefangen hat, im sogenannten iBookstore politisch inkorrekte Titel von Literaturklassikern einzuschwärzen. Microsoft und Google hätten schließlich längst vorgeführt, dass Marktbeherrschung durch Technik nicht nur ökonomischen Erfolg bedeute, sondern auch Einfluss auf die Inhalte habe. Jetzt habe sich eben auch Apple in ein "evil empire" verwandelt.
High-Tech und Internet, das ist die Party, auf der am Ende dann eben doch alle dabei sein wollen. Das gilt nicht nur für etablierte Kulturjournalisten, sondern auch für dezidiert antikapitalistisch eingestellte Punkmusiker. Die TAZ hat die Hamburger Krach-und-Spaß-Bands Egotronic, Bratze und Frittenbude auf ihrer Tournee durch die deutsche Provinz begleitet – und Alexandra Eul hat dabei unter anderem festgestellt, dass die beste Werbung für ein Konzert ein gut gepflegtes Tourtagebuch in einem sozialen Netzwerk ist: Früher sei das, was backstage passiert sei, geheim geblieben, erklärt ihr einer der Punkmusiker, heute könne man alles bei Facebook nachlesen.
Damit Sie nicht selbst nachschauen müssen: Bei Facebook ist über die Tournee dann allerdings auch nicht mehr zu erfahren als in der TAZ. Am Geheimnis des Punkrock hat sich eben auch im digitalen Zeitalter kaum etwas geändert: Viel Bier, wenig Schlaf. Darauf läuft es letzten Endes hinaus.