Von Kolja Mensing

Der Streit um den Suhrkamp Verlag beschäftigt die überregionalen Blätter.
Wir geben es gerne zu: Der Streit um den Suhrkamp Verlag hat uns in den vergangenen Jahren gut unterhalten. Die ewige Suche nach einem Nachfolger für den großen Siegfried Unseld, der endlose Kampf um das Erbe des Patriarchen mit Joachim Unseld in der Rolle des verstoßenen Sohns und Ulla Unseld-Berkéwicz als böse Stiefmutter und Konkurrentin - das war schon nicht schlecht.

Als dann noch der juristische Kleinkrieg um den Einfluss des Hamburger Investors und Anteilseigners Hans Barlach begann, genossen wir das nostalgische Gefühl, einen Roman aus dem 19. Jahrhundert vor uns zu haben: mit rücksichtslosen Geschäftsleuten, zerrütteten Familien und einer kaum noch zu überblickenden Handlung. Balzac hätte es nicht besser hinbekommen.

Schade, dass das jetzt alles vorbei sein soll. Die Feuilletons vom Sonnabend kennen kein anderes Thema: Joachim Unseld hat seine Anteile am Unternehmen zu gleichen Teilen an die beiden Mehrheitseigner verkauft - an die amtierende Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz und Barlachs Medienholding AG Winterthur.

Damit dürfte auch dem Umzug des Traditions-Verlags nach Berlin, den Joachim Unseld vor Kurzem noch per Gerichtsbeschluss unterbinden wollte, nichts mehr im Wege stehen. Die Info-Post von Suhrkamp trägt bereits einen Stempel mit der neuen Adresse, und die FRANKFURTER RUNDSCHAU - ein Hoch auf den investigativen Journalismus - hat bereits den genauen Termin recherchiert: Am 7. Dezember fahren die ersten Umzugswagen in der Frankfurter Lindenstraße vor.

Endlich sei das "unwürdige Schauspiel" vorbei, schreibt Thomas Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Er scheint der "großen, bösen Seifenoper des deutschen Geistes" keine Träne nachzuweinen, genau wie Jörg Sundermeier, der in der BERLINER ZEITUNG von einem "Befreiungsschlag" spricht: Nach dem "Hickhack" der letzten Jahre könne der Verlag in Berlin nun endlich "zur Ruhe kommen"."

Das klingt schon fast wie ein Nachruf - und auch Uwe Wittstocks Kommentar in der Tageszeitung DIE WELT ist eigentlich eher ein Abgesang. Er fasst noch einmal genüsslich den Streit um das letzte Buch von Katharina Hacker zusammen, über den der Suhrkamp Verlag seine erfolgreiche Schriftstellerin verloren hat: ""Ein überdeutliches Zeichen", meint Wittstock, "wie schlecht es um die Wertschätzung der Arbeit von Autoren im Suhrkamp Verlag mittlerweile bestellt ist."

Richtig gut wird Katharina Hackers Roman "Alix, Anton und die anderen" auf den Literaturseiten vom Wochenende dann aber auch nicht besprochen - das nur am Rande.

Nur die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gibt sich in Sachen Suhrkamp regelrecht optimistisch. Die Zukunft des Verlags sei gesichert, freut sich Felicitas von Lovenberg. Sie geht dann auch gleich ins Detail und berichtet von einem neuen Gesellschaftervertrag, auf den sich die beiden verbliebenen Anteilseigner geeinigt haben: Die Siegried und Ulla Unseld Familienstiftung und Hans Barlachs Medienholding hätten ihre letzten Differenzen "formaljuristisch beigelegt", weitere "Eifersüchteleien", stellt von Lovenberg zufrieden fest, seien von vornherein ausgeschlossen.

Doch, keine Angst, damit ist längst noch kein Frieden eingekehrt. Joachim Güntner hat sich den Vertrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ein bisschen genauer angesehen. Und er schlägt Alarm. Barlachs Medienholding, die sich selbst für den "spannendsten Player im E-Business" halte, scheine ihr Engagement bei Suhrkamp mit dem Umzug nach Berlin deutlich verstärken zu wollen - um den Nachschub für das eigene Geschäft zu sichern. Barlach soll erklärt haben, dass der Verlag genau das besitze, was im Zeitalter des E-Books gefragt sei: nämlich Inhalte.

Der Ausverkauf hat begonnen. Mal sehen, ob Ulla Unseld-Berkéwicz es einfach so hinnimmt, dass ihr Verlag zum Content-Provider für das Internet-Geschäft umgemodelt wird.

Für uns Feuilleton-Leser gilt: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Der Suhrkamp-Roman wird fortgesetzt.