Von Kolja Mensing

Die Feuilletons kommentieren die Affäre um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises. Die "SZ" wertet die Geschichte der Frauen-Emanzipation als Erfolgsgeschichte. Und die "FAZ" beschreibt, wie der italienische Ministerpräsident Berlusconi den weiblichen politischen Nachwuchs auf seine Weise fördert.
Navid Kermani bemüht sich redlich. In einem Interview mit dem SPIEGEL erklärt er noch einmal, dass er kein islamischer Gotteskämpfer sei. Seine Kritik an der Kreuzigungstheologie des Christentums richte sich einzig gegen die damit verbundene "Ästhetisierung des menschlichen Leidens". Den Gedanken des Martyriums finde er grundsätzlich "abstoßend", auch wenn er ihm in seiner eigenen Religion begegnen würde.

Zu weiteren Zugeständnissen ist Kermani allerdings nicht bereit, und zum Schluss platzt ihm dann doch der Kragen:

"Für die christlichen Beteiligten scheint die Voraussetzung für ein Gespräch mit mir zu sein, dass ich mich zum Glauben an den gekreuzigten Jesus bekenne. Das ist doch absurd", "

so Kermani wörtlich:

" "Ich verlange auch nicht von Kardinal Lehmann, dass er sagt, Mohammed war ein Prophet. Dann wäre er ein Muslim, und wir könnten zusammen nach Mekka pilgern."

Die Affäre um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises ist noch lange nicht ausgestanden. Dem SPIEGEL kommt das gerade recht. In Deutschland seien die Konflikte zwischen den Religionen all zu lange totgeschwiegen worden, behauptet ein Meinungskollektiv von vier Redakteuren in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins und jubelt über das "Ende der Höflichkeiten" im interkulturellen Dialog.

Micha Brumlik kann die Freude nicht teilen. Die Tatsache, dass ein Muslim einen staatlichen Kulturpreis nur deshalb nicht bekommen solle, weil zwei christliche Mit-Preisträger seine theologischen Ansichten nicht teilen würden, sei eine politische Katastrophe: "Die Ausgrenzung Kermanis", warnt der Erziehungswissenschaftler in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, "kann nur dazu führen, integrationswillige Muslime in die Arme der Fundamentalisten zu treiben."

Was jetzt? Brumlik fordert Kardinal Lehmann, Peter Steinacker und Benjamin Korn auf, den Hessischen Kulturpreis abzulehnen, um so den "Weg für das Gespräch" erneut zu öffnen. Ein ähnlicher Vorschlag zur Schadensbegrenzung sei auch von Bischof Wolfgang Huber gekommen, berichtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.

Auch auf einem anderen gesellschaftlichen Schlachtfeld branden neue Gefechte auf. Es geht um den Dauerkonflikt zwischen Mann und Frau.

Jens-Christian Rabe beschreibt die Geschichte der Emanzipationsbewegungen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zunächst als eine Erfolgsgeschichte. Der Gedanke der Gleichberechtigung sei mittlerweile in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft "mentalitätsprägend". Die Frauen von heute, führt Rabe leicht gönnerhaft an, ständen den Männern damit "endlich" als ebenbürtige Partnerinnen gegenüber, oder besser gesagt: als ebenbürtige Gegnerinnen. Der Kampf der Geschlechter fange also gerade erst richtig an. Beide Seiten hätten sich dabei "radikal egoistische Selbstverwirklichung" auf die Fahnen geschrieben, ein schnelles Ende sei also nicht abzusehen.

In Italien scheinen sich die Karrierestrategien der Frauen und Männer dagegen noch ganz gut miteinander zu vertragen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG weist darauf hin, dass Ministerpräsident Berlusconi den weiblichen politischen Nachwuchs vor allem aus den eigenen Werbe- und Fernsehfirmen rekrutiere. "Die Parteitage von ,Forza Italia’ wirken wie eine Misswahl" schreibt Dirk Schümer:

"Manches kluge Mädchen hat sich, statt weiter in Strapsen durchs Nachmittagsprogramm zu hüpfen, für den schnellen Aufstieg in der Partei des Patrons entschieden."

Die Folge seien jede Menge Klatsch und Tratsch, aber das, meint Schümer, sei Berlusconi nur recht. Sogar die aktuellen Gerüchte über eine Beziehung mit einer minderjährigen Sängerin verstehe er noch zu seinem Vorteil zu nutzen. Die von ihm kontrollierten Fernsehstationen würden die Öffentlichkeit gezielt mit Informationen über die Affäre füttern und damit die Einschaltquoten nach oben treiben.

Berlusconi hat also wieder einmal mehr Geld und mehr Macht. Auch das ist die Geschichte einer erfolgreichen Emanzipation: Die Geschichte eines Politikers, der sich von jeder moralischen Verantwortung frei gemacht hat.