Von Kolja Mensing
Sind die deutschen Theater selbst schuld, wenn sie zu Tode gespart werden? Der Blick in die Feuilletons vom Dienstag.
Ein Theaterstück von Botho Strauß. Der Titel: "Groß und klein", die Uraufführung war 1978. Jetzt wird es in Paris gespielt, in einer englischsprachigen Version.
Warum die Tageszeitung DIE WELT darüber groß aufgemacht im Feuilleton berichtet? Ganz einfach: Weil Cate Blanchett die Hauptrolle übernommen hat. Botho Strauß leuchtet im Glanze Hollywoods, und Rezensent Johannes Wetzel ist begeistert: "Ein australischer Weltstar stellt ein Drama, das selbst in Deutschland nicht mehr oft gespielt wird, ins Licht seines Ruhms."
So einfach kann man den Wert eines Stückes steigern: Cate Blanchett verkauft mit Erfolg einen gut 30 Jahre alten Text von Botho Strauß. Ein hübscher Beleg für die These, dass sich das Theater – insbesondere das deutsche Theater – den Gesetzen des Marktes unterwirft.
Das behauptet auf jeden Fall die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in ihrer aktuellen Ausgabe. "Zunehmend hysterisch, gehorcht dieses in sich gefangene System derselben Logik wie die Blase auf den Finanzmärkten", schreibt der Kritiker und Kulturjournalist Michael Stallknecht in einer scharfen Kritik am deutschen Schauspielbetrieb: "Immer gieriger und immer verzweifelter."
Die Vorgeschichte: In den vergangenen Wochen war im Feuilleton heftig über das Buch "Der Kulturinfarkt" gestritten worden. Die Autoren fordern einen radikalen Umbau des subventionierten Kulturbetriebs im Geiste des Kapitalismus.
Eine überflüssige Forderung, erklärt Michael Stallknecht jetzt in der SZ. Denn zumindest die Bühnen sind selbst schon auf dem besten Weg, sich der Marktlogik zu unterwerfen: "Längst sind es die Regisseure, die als Labels fungieren", meint Stallknecht – und spricht von einem "Markentheater", das "wie in der Produktwerbung den jungen Menschen als bevorzugtes, wenn auch selten erreichtes Zielpublikum propagiert".
Kunst wird zur Ware, die irgendwann niemand mehr haben will. Händeringend sucht man nach neuen Inhalten, verheizt junge Autoren, die frisch von den "Stückemärkten" kommen, setzt eine Uraufführung nach der nächsten auf den Spielplan – und produziert so "ein Überangebot an Neuem, aber Unfertigem", das die Aufmerksamkeit des Publikums beständig weiter sinken lässt. Die Folge: Die Eintrittspreise werden gesenkt, die Karten verschleudert. Das Theater verliert an Wert.
"Mit ihrer eigenen Ästhetik", so fasst Michael Stallknecht seine an Adorno geschulte Kritik zusammen, "unterwerfen sich die Theater ebenjener Rechtfertigungslogik, mittels derer ihnen nun die Subventionen bestritten werden." Anders gesagt: Selbst schuld, wenn die Häuser zu Tode gespart werden. Sie haben es nicht besser verdient.
Wie es da draußen im subventionierten Kulturbetrieb wirklich aussieht, darüber berichtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG – ebenfalls mit Blick auf die Debatte um die Kulturförderung. Sieglinde Geisel hat eine Veranstaltung in der Berliner Galerie Kunstwerke besucht, eine turbulente Mischung aus Konferenz und Performance zum Thema "Zukunft", großzügig gefördert vom Hauptstadtkulturfonds und dem Goethe-Institut. "Nach außen Spektakel, nach innen schwindelnde Leere", so Geisel: "Eventkultur, wie man sie kennt und fürchtet."
Unter anderem sollte der britische Schriftsteller Iain Sinclair auf einem Berliner Ausflugsdampfer lesen. Doch dann ließ sich leider die automatische Ansage der Stadtführung auf dem Schiff nicht abschalten. Die Lesung fiel ins Wasser. Sinclair nahm es gelassen. Sein Honorar bekomme er auch so, zitiert Sieglinde Geisel den desillusionierten Schriftsteller in der NZZ, und das sei auch willkommen, denn je schwieriger die Literatur, desto weniger lebe ihr Autor bekanntlich vom Schreiben allein.
Ein bisschen mehr Glamour hätte der Veranstaltung sicher gut getan. Wie dumm, dass Cate Blanchett gerade in Paris Theater spielen muss.
Warum die Tageszeitung DIE WELT darüber groß aufgemacht im Feuilleton berichtet? Ganz einfach: Weil Cate Blanchett die Hauptrolle übernommen hat. Botho Strauß leuchtet im Glanze Hollywoods, und Rezensent Johannes Wetzel ist begeistert: "Ein australischer Weltstar stellt ein Drama, das selbst in Deutschland nicht mehr oft gespielt wird, ins Licht seines Ruhms."
So einfach kann man den Wert eines Stückes steigern: Cate Blanchett verkauft mit Erfolg einen gut 30 Jahre alten Text von Botho Strauß. Ein hübscher Beleg für die These, dass sich das Theater – insbesondere das deutsche Theater – den Gesetzen des Marktes unterwirft.
Das behauptet auf jeden Fall die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in ihrer aktuellen Ausgabe. "Zunehmend hysterisch, gehorcht dieses in sich gefangene System derselben Logik wie die Blase auf den Finanzmärkten", schreibt der Kritiker und Kulturjournalist Michael Stallknecht in einer scharfen Kritik am deutschen Schauspielbetrieb: "Immer gieriger und immer verzweifelter."
Die Vorgeschichte: In den vergangenen Wochen war im Feuilleton heftig über das Buch "Der Kulturinfarkt" gestritten worden. Die Autoren fordern einen radikalen Umbau des subventionierten Kulturbetriebs im Geiste des Kapitalismus.
Eine überflüssige Forderung, erklärt Michael Stallknecht jetzt in der SZ. Denn zumindest die Bühnen sind selbst schon auf dem besten Weg, sich der Marktlogik zu unterwerfen: "Längst sind es die Regisseure, die als Labels fungieren", meint Stallknecht – und spricht von einem "Markentheater", das "wie in der Produktwerbung den jungen Menschen als bevorzugtes, wenn auch selten erreichtes Zielpublikum propagiert".
Kunst wird zur Ware, die irgendwann niemand mehr haben will. Händeringend sucht man nach neuen Inhalten, verheizt junge Autoren, die frisch von den "Stückemärkten" kommen, setzt eine Uraufführung nach der nächsten auf den Spielplan – und produziert so "ein Überangebot an Neuem, aber Unfertigem", das die Aufmerksamkeit des Publikums beständig weiter sinken lässt. Die Folge: Die Eintrittspreise werden gesenkt, die Karten verschleudert. Das Theater verliert an Wert.
"Mit ihrer eigenen Ästhetik", so fasst Michael Stallknecht seine an Adorno geschulte Kritik zusammen, "unterwerfen sich die Theater ebenjener Rechtfertigungslogik, mittels derer ihnen nun die Subventionen bestritten werden." Anders gesagt: Selbst schuld, wenn die Häuser zu Tode gespart werden. Sie haben es nicht besser verdient.
Wie es da draußen im subventionierten Kulturbetrieb wirklich aussieht, darüber berichtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG – ebenfalls mit Blick auf die Debatte um die Kulturförderung. Sieglinde Geisel hat eine Veranstaltung in der Berliner Galerie Kunstwerke besucht, eine turbulente Mischung aus Konferenz und Performance zum Thema "Zukunft", großzügig gefördert vom Hauptstadtkulturfonds und dem Goethe-Institut. "Nach außen Spektakel, nach innen schwindelnde Leere", so Geisel: "Eventkultur, wie man sie kennt und fürchtet."
Unter anderem sollte der britische Schriftsteller Iain Sinclair auf einem Berliner Ausflugsdampfer lesen. Doch dann ließ sich leider die automatische Ansage der Stadtführung auf dem Schiff nicht abschalten. Die Lesung fiel ins Wasser. Sinclair nahm es gelassen. Sein Honorar bekomme er auch so, zitiert Sieglinde Geisel den desillusionierten Schriftsteller in der NZZ, und das sei auch willkommen, denn je schwieriger die Literatur, desto weniger lebe ihr Autor bekanntlich vom Schreiben allein.
Ein bisschen mehr Glamour hätte der Veranstaltung sicher gut getan. Wie dumm, dass Cate Blanchett gerade in Paris Theater spielen muss.