Von König Drosselbart bis zu einer Prostituierten

Von Christian Geuenich |
Die Schauspielerin Rosalie Thomass hat mit ihren 19 Jahren bereits eine steile Karriere hingelegt: Für ihre Rolle als Prostituierte in einem "Polizeiruf 110" wurde sie mit einem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. In der Schule musste sie noch den König Drosselbart spielen.
Kati: "Ich lass mich doch noch absaugen, dass sag ich dir."
Jo: "Ich seh` nix, was weg muss."
Kati: "Schau dir das mal an, plump."
Jo: "Das sind halt Hüften, die hat man halt."
Kati: "Ich komm mir vor, wie ein Brauereigaul, kann ich mich gleich runterstellen zum Grasen."
Jo: "Dem Mike wird’s schon gefallen."
Kati: "Was gefällt ihm?"
Jo: "Feminine Formen."

In der Coming-of-Age-Geschichte "Beste Zeit" spielt Rosalie Thomass die 17-jährige Jo, die mit ihrer besten Freundin Kati in einem kleinen bayrischen Dorf von Liebe und Freiheit träumt. Sie suchen nach dem Sinn des Lebens und nach sich selbst.

"Jo ist ein sehr lebensfreudiger, praktischer Mensch, die nicht so wie Kati in Vergangenheit und Zukunft sich verliert, sondern eher ganz nah am Leben ist, die Momente, wie sie kommen, unglaublich gut genießen kann. Und das finde ich eine unglaublich schöne Eigenschaft, dass man so unmittelbar am Leben teilnimmt."

Mit ihrer eigenen Jugend habe der Film allerdings nur wenig zu tun, sie sei in München als Stadtkind aufgewachsen, erklärt die fast 1,80 Meter große blonde Nachwuchsschauspielerin mit den ausdrucksvollen blauen Augen und dem offenen Blick.

Umso schöner seien die Dreharbeiten gewesen, durch die Erinnerungen an die alljährlichen Sommerurlaube bei ihrem Opa in Österreich wach geworden seien. Dort auf dem Land ist sie wandern oder baden gegangen, hat Frösche gefangen und war einfach nur glücklich. Und ihre eigene "Beste Zeit"?

"Ich will jetzt nicht sagen, dass das meine beste Zeit ist, weil dann kommt ja nur noch Schlechteres, das möchte ich ja nicht, aber es ist auf jeden Fall `ne unglaubliche. Seit dem letzten Jahr ist so viel in meinem Leben passiert, dass ich gedacht hab: Wahnsinn, ich komm echt kaum noch mit, aber es ist schön so."

Denn seit ihrem sehr guten Abitur im letzten Jahr arbeitet das blasse Mädchen im beigen Häkel-Oberteil, Jeans, und pink-farbenen Turnschuhen fast ununterbrochen. Zwei Kinofilme und einen Fernsehfilm hat sie bereits abgedreht.

Im Moment steht sie in Polen und Köln für "Anonyma – Eine Frau in Berlin" vor der Kamera. Darin geht es um die Vergewaltigungen von deutschen Frauen nach dem Einmarsch der Roten Armee im April 1945. Die Dreharbeiten bei der enorm aufwendigen Großproduktion seien zwar stressig,

"aber ist halt sehr schön für mich, weil es ist halt interessant für mich zu gucken, wo ist da mein Platz, weil ich hab nicht die Hauptrolle, ich hab auch nicht immer Aufmerksamkeit. Wie finde ich mich da zu recht, dass ich trotzdem weiß, was habe ich da zu tun, was bedeutet die Szene für mich. Also es sind ganz, ganz tolle Lernerfahrungen für mich, die ich da mache."

Die turbulente Zeit verbucht die blonde junge Frau als positiven Stress, schließlich ist ihr Kindheitstraum, Schauspielerin zu werden, in Erfüllung gegangen. Denn schon früher hat sie sich gerne verkleidet, im Kindergarten und in der Schule hat sie Theater gespielt. Allerdings musste sie dort immer die Männerrollen übernehmen, weil sie schon damals für ihr Alter relativ groß gewesen ist.

"Und dann hab ich in der fünften Klasse im Gymnasium bei `König Drosselbart` nicht die Prinzessin gespielt, sondern deren Vater. Und das war so furchtbar, weil ich war in der Pubertät, und ich wollte ein Mädchen und die Prinzessin sein. Ich weiß nicht, ob das nicht einer der Punkte war, wo ich dachte: Mann, ich muss das richtig machen, damit ich nicht in so einen blöden Goldmantel gewickelt werde, das war furchtbar."

Von ihrem ursprünglichen Plan, nach dem Abitur auf eine Schauspielschule zu gehen, hat sie sich inzwischen allerdings verabschiedet. Die zahlreichen Förderpreise ermöglichen es ihr, privaten Schauspielunterricht zu nehmen.

Dabei ist es eher einem Zufall zu verdanken, dass Rosalie Thomass ihre Karriere schon so früh begonnen hat. Als sie fünfzehn ist, macht ihre Mutter ein Praktikum in einer Casting-Agentur. Rosalie besucht sie dort und wird direkt für einen Kurzfilm besetzt. Darin spielt sie Emily, ein Mädchen das verfolgt und gehänselt wird und deswegen von einem Hochhaus springen möchte.

"Andere Leute ackern sich da wund, bis sie mal soweit kommen und überhaupt `ne Agentur finden, die sie dann aufnimmt und mir ist das echt so total zugeflogen vom Schicksal-Glück oder so. Das ist total schön, weil ich das Gefühl habe, ich bin auf dem richtigen Weg, weil immer wieder Dinge passieren, die so perfekt in meinen Weg passen, und das ist halt ein Traum."

Trotz der vielen Preise für ihre ergreifende schauspielerische Leistung im "Polizeiruf 110" hat sich Rosalie Thomass eine gewisse Leichtigkeit bewahrt. Sie sei zu dem Entschluss gekommen, dass sie mit gerade einmal neunzehn noch Fehler machen dürfe, erklärt sie. Ihre Mutter, die sie mit ihrer ganz persönlichen Dankesrede beim Bayrischen Fernsehpreis zu Tränen gerührt hat, habe ihr diese Bodenständigkeit und tiefe Ruhe vermittelt.

"Klar es gibt immer Zeiten, wo man denkt: ‚Oh ich kann nichts und oh Gott, jetzt kommt nie wieder ein toller Film, und alle erwarten jetzt ganz viel von mir.`Aber so ganz tief, wenn ich ehrlich bin, glaube ich total, dass ich das kann, und dass ich den Beruf mein Leben lang machen will und dass das auch funktionieren wird, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt."

Die Nachwuchsschauspielerin legt großen Wert darauf, auch ein Leben abseits des Filmbusiness zu führen. Nach dem Deutschen Fernsehpreis ist sie in ihre alte 6er-WG in München gefahren, hat die Blumen ihren Mitbewohnern geschenkt und den Rest des Abends nicht mehr über Film geredet.

Mittlerweile lebt sie in Berlin-Kreuzberg mit einer Freundin, die nichts mit Film zu tun hat. Wenn Rosalie Thomass nicht gerade dreht, schläft sie aus, frühstückt gerne lange, fährt mit dem Fahrrad durch Kreuzberg und versucht, alle ihre Freunde zu treffen. Momentan hat sie dafür allerdings keine Zeit.

"Ich hab so das Gefühl, da fährt so ein Zug und ich muss nur aufspringen. Und das tue ich auch, aber ein Bein hängt noch so raus. Das muss noch so mit rein, ich komme fast nicht hinterher."