Von Klaus Pokatzky

Die „Welt“ schreibt eine hymnische Eloge auf Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der am 23. Dezember 90 Jahre alt wird. Im „Rheinischen Merkur“ echauffiert sich Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, über den Umgang mit der Sprache, während sich die „Zeit“ fragt, ob es wirklich sinnig ist, die deutsche Sprache in Verfassungsrang zu heben. Die FAZ wundert sich, woher die jugendlichen Autonomen in Griechenland in so großer Zahl ihr Outfit beziehen.
„Es gibt keine Pflicht, die nicht der Heiterkeit bedürfe, um recht erfüllt zu werden“. "

Die katholische Wochenzeitung RHEINISCHER MERKUR zitierte den englischen Philosophen und Schriftsteller John Milton zu seinem 400. Geburtstag und unser aller Seelenaufbau. Wer seine Pflichten recht erfüllen möchte, sollte das heiter tun.

„Das Verhältnis vieler zu unserem nordatlantischen Besitz“, lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zur Beziehung zwischen dem dänischen Mutterland und dem riesigen Grönland, die beide in einer „Reichsgemeinschaft“ verbunden sind, „das Verhältnis vieler Dänen zu unserem nordatlantischen Besitz beschränkt sich auf die rituellen Fernsehaufnahmen, wenn Königin Margrethe auf ihrer Sommerreise mit der königlichen Jacht in irgendeinem Fjordflecken von Tracht tragenden, Kirchenliedern anstimmenden Grönländern empfangen wird.“

Das schrieb der dänische Filmregisseur und Schriftsteller Jens Christian Grøndahl.

„"Ihre Majestät ist dann wie immer in hohe Robbenfellstiefel und das charakteristische, mit bunten Glasperlen bestickte Oberteil gewandet, während der Prinzgemahl den weißen Anorak trägt, den die Jäger zu festlichen Gelegenheiten anziehen. Wir lieben diese Bilder.“

Auch ich liebe diese Bilder. Und betrauere dann immer, dass wir keine kettenrauchende, Fahrrad fahrende Königin haben. Nur wenige bekennen sich hierzulande ja zu ihren monarchistischen Neigungen. Dabei sind sie doch so ausgeprägt. Wir haben zwar keine Königin. Doch dafür haben wir Helmut Schmidt.

„Der Kluge überlebt sie alle.“

So war die Hymne der Tageszeitung DIE WELT auf den ehemaligen Bundeskanzler überschrieben, der zwar erst am 23. Dezember seinen 90. Geburtstag begeht – doch „auf den Deutschland stolz ist“, wie der Historiker Hans-Peter Schwarz schrieb. Hans-Peter Schwarz ist der Biograph Konrad Adenauers. Wer wäre berufener, dem anderen großen Kanzler der Bundesrepublik schon zwei Wochen vor dem Neunzigsten zu gratulieren? Und zwar auch und gerade dem Publizisten Helmut Schmidt.

„An seine Leitartikel, Bücher und Ansprachen werden sich die Historiker erinnern, wenn später einmal nach dem halben Dutzend bedeutender Publizisten gefragt werden wird, die der in die Jahre kommenden Republik über ein Vierteljahrhundert hinweg die großen Zusammenhänge erklärten, Fehler aufspießten, mit Narren und Narreteien abrechneten, doch stets auch skizzierten, wo's lang gehen sollte.“

Helmut Schmidt – der große Sicherheits- und Verteidigungspolitiker. Helmut Schmidt – der Finanzfachmann. Helmut Schmidt – ein Politiker, den wir noch verstanden haben, wenn er sprach. Ach ja: ein großer Raucher ist er auch. Das vereint unseren Ersatzmonarchen aus Hamburg mit der Königin von Dänemark.

„Zum ‚Wort des Jahres 2008‘ hat die Gesellschaft für deutsche Sprache den Ausdruck ‚Finanzkrise‘ gekürt.“

Das stand unter anderem in der WELT. Da gibt es gewaltige Sünden, erfuhren wir aus dem RHEINISCHEN MERKUR zur Entwicklung unserer schönen deutschen Sprache. „Wer Sprache verhunzt, muss öffentlich als lächerlich dastehen“, verlangte im Interview Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

„Das fängt mit der Rechtschreibreform an. Sie hat die Attitüde vermittelt, Sprache sei nichts Exaktes und hat damit der Beliebigkeit das Wort geredet."“

Attitüde! Das ist richtiges Deutsch. Das ist kräftiges Deutsch. Da freut sich der Franzose.

„Den Mangel an ikonischer Plastizität und kultureller Evidenz der Europäischen Union wollen Museen und Bildungsprojekte beheben.“

Das schrieb in der WELT Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen – ikonisch plastisch und kulturell evident, als er die Frage beantworten wollte: „Wie kann Europa einprägsame Bilder und Symbole entwickeln?“ Damit der Professor Claus Leggewie für sich selber eine plastisch-evidente Sprache entwickeln kann, die auch ein normaler Mensch auf Anhieb versteht, will die CDU ja, das in unser Grundgesetz der Artikel eingefügt wird: „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch.“

„Das gibt zu denken“, meinte in der Wochenzeitung DIE ZEIT Jens Jessen.

„"Wer weiß, was sonst noch unbemerkt ins Fragliche geraten ist und durch einen Eintrag ins Grundgesetz vor dem Zweifel gerettet werden muss? Der Schäferhund der Bundesrepublik Deutschland ist der deutsche Schäferhund – oder etwa nicht mehr? Der Imbiss der Bundesrepublik Deutschland ist die Bockwurst – oder doch schon der Döner?“

Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, kann über so etwas gar nicht lachen. Josef Kraus will die deutsche Sprache retten. „Ich denke in zeitlichen Dimensionen, die weit über die nächste Bundestagswahl hinausgehen“, sagte er noch im Interview mit dem RHEINISCHEN MERKUR.

„Es wäre allerdings nicht verkehrt, wenn das Thema in den kommenden Wahlkämpfen artikuliert würde, damit das Volk weiß, wie Politiker hier denken. Unsere Identität schöpfen wir doch hoffentlich nicht nur aus einem Sozialstaatspatriotismus und aus Debatten um Hartz IV oder Konsumgutscheine.“

„Dimensionen“, „artikuliert“, „Identität“, „Patriotismus“, „Konsum“. Alles so ur-deutsche Wörter. Da lacht der Lateiner. Und wir können Josef Kraus nur zustimmen, wenn er sagt:

„Die leidenschaftliche Beschäftigung mit unserer Sprache wäre ein wunderbarer Einstieg.“

Steigen Sie ein, Herr Kraus!

„'Gammelfleischparty‘ ist das Jugendwort des Jahres 2008“, klärte uns DIE WELT über das Ergebnis eines Wettbewerbs auf, zu dem der Sprach-Verlag Langenscheidt aufgerufen hatte. „Gammelfleischparty“ gegen „Finanzkrise“ – da fällt die Wahl nicht leicht.

„Die ganzen Kappen und schwarzen Gesichtsmasken! Wo kommen die alle her?“, fragte die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG angesichts der Bilder von den Jugendunruhen in Griechenland – und gab rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest Einkaufstipps. „Der echte Autonome weiß, wo er die Sachen zum Fest bestellen kann“, schrieb Lorenz Jäger und nannte Bezugsquellen.

„Den ‚Anarchie‘-Aufkleber, das große A mit dem Kreis drum herum, bietet der anarchistisch gestimmte Punkrock-Versandhändler ‚Impact‘ für sage und schreibe einen Euro an.“

Ein Schnäppchen in jeder Finanzkrise – und ein Hit auf jeder Gammelfleischparty.