Von Klaus Pokatzky

Über das On-Demand Schnellbuch aus der Konserve, Fragen an Ronald Schill und den Status des politischen Aplhatiers am Beispiel Wulff - das sind die Themen der Presseschau.
Im vergangenen Jahr setzte der deutsche Buchmarkt 9,576 Milliarden Euro um, das sind 3,4 Prozent mehr als 2006. Das ist die wirklich gute Nachricht der Woche, mit der uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beglückte.

Die Briten werden demnächst in den Niederlassungen der Buchhandelskette Blackwells Bücher des Typs Book on demand selbst ausdrucken lassen können. Das erfuhren wir ebenfalls aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN und zwar aus der Feder oder dem Laptop von Gina Thomas aus London. Der Kunde gibt einen Titel in die "Espresso Book Machine" ein, und innerhalb weniger Minuten bekommt er ein fertiges gebundenes Produkt von Bibliotheksqualität. Daran werden wir uns erst noch gewöhnen müssen.

Ich möchte gar nicht mit Ihnen jetzt im Moment! Diesen Satz lesen wir in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG. Und zwar in der Rubrik "Teledialog". Darin wird das besonders Absonderliche aus dem Fernsehen abgedruckt, Woche für Woche - und da das Fernsehen immer absonderlicher wird, herrscht da nie Mangel. Ich möchte gar nicht mit Ihnen jetzt im Moment!, sagte Roland Schill, wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG den früheren Hamburger Innensenator Ronald Barnabas Schill umtauft - einen der absonderlichsten Politiker, den die Bundesrepublik jemals hervor gebracht hat. Der lebt ja jetzt bekanntlich in Südamerika, und dort sprach ihn eine Reporterin des NDR-Magazins "Panorama" auf der Straße an. Außerdem ist es doch interessant, dass Sie berühmt wurden als Richter Gnadenlos in Hamburg, sehr gegen Junkies vorgegangen sind und jetzt hier koksen. Angeblich koksen. Das sagte die Reporterin Christine Adelhardt zu Ronald Barnabas Schill auf einer Straße in Rio de Janeiro - und der antwortete: Tja, das sind alles Unterstellungen, zu denen äußere ich mich nicht. Beschäftigen Sie sich doch mit Otto von Bismark, wenn Sie schon in die Vergangenheit gehen wollen. Bismarck schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG mit einem "k" und nicht mit einem "ck"; früher gab es für solche Fälle bei den Qualitätszeitungen Korrekturleser. Wenn denen ein Bismarck mit "k" durchgerutscht wäre, dann hätten sie sich aus dem Fenster gestürzt. Ja, aber der hat ja nicht gekokst, Herr Schill, antwortete auf jeden Fall die Reporterin Adelhardt zum Bismarck mit "k" und Herr Schill sagte darauf: Woher wissen Sie das?

Das ist eine fast schon Bismarck'sche Schlagfertigkeit; wobei der große Otto allerdings auch ein Stilist von hohen Gnaden war - und einer, der mit Medien so umgehen konnte, dass er sich mit Hilfe seines Reptilienfonds seine eigenen Journalisten hielt und etwa den Deutsch-Französischen Krieg mit Hilfe einer Medieninszenierung herbeiführte.

Sie werden gern Alphatiere genannt und heißen Kohl, Lafontaine, Schröder, Stoiber oder Westerwelle. Das stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über die Politiker unserer Tage, von denen es bedauerlicherweise keiner mit dem schriftstellerischen Talent des Otto von Bismarck aufnehmen kann. Der Kolumnismus hat auf der ganzen Linie über den Kommunismus gesiegt, schrieb Kurt Kister: Wenn ein Politiker, zumal ein Spitzenpolitiker, also etwas sagt, fragen sich seine Kollegen und die Journalisten zunächst einmal, was er eigentlich meint. Anlass für den Kister'schen Kolumnismus war ein Interview, das der Ministerpräsident von Niedersachen, Christian Wulff, dem Magazin Stern gab, und in dem er sagte: "Mir fehlt der unbedingte Wille zur Macht."

Da lacht das Feuilleton, da öffnet es seine Spalten für die Kollegen aus der Politik-Redaktion. Wie für Kurt Kister. Es geht ihm gut, nach allem, was man so weiß, schreibt der über Christian Wulff: Er ist frisch verliebt, zugleich junger und älterer Vater, durchaus erfolgreich. Und im Berliner TAGESSPIEGEL vom Sonntag äußert sich im Feuilleton eine Mutter aus dem Politik-Ressort: Warum, fragt der Sohn nach dem Krach mit seiner Freundin, warum seid ihr Frauen bloß so, dass ihr immer Ja sagt, wenn ihr Nein meint? Tissy Bruns gibt uns so nicht nur Einblick in ihr Familienleben, sondern auch in "neue Kampftechniken der mächtigen Männer": Es ist eindeutig der Frauentrick, mit dem der gestandene Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Chef die Gemüter verwirrt. Denn: In diesem Fall kam ja ein weibliches Kampfmittel zum Einsatz: die Suggestion von Machtstreben durch Verzicht. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE interviewte zum selben Thema den Kulturwissenschaftler Thomas Macho, der chevaleresk an Wulffs mögliche Kontrahentin Angela Merkel und an jene Zeiten erinnerte, als auch Bismarck sich für ein Duell nicht zu schade war. Zugleich geht es um eine Frau, die an der Macht ist. Ein Mann wie Wulff wählt hier nicht das Duell, sondern eine Art Kavaliersgeste, in seinem Fall natürlich eine ziemlich vergiftete.

Damit jetzt zum Präsidentschaftsbewerber-Duell im Medienzeitalter, damit zu Barack Obama, der ja vor den Toren Berlins steht. Die weiße amerikanische Kulturschickeria liegt dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zu Füßen, schrieb der New Yorker Dramatiker und Regisseur Tuvia Tenenbom in der Wochenzeitung DIE ZEIT: Das ist sympathisch. Doch dahinter verbirgt sich eine himmelschreiende Heuchelei. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN meinte Jordan Mejias: Ein großes Zittern hat das Land erfasst. Die Republikaner zittern, weil alles darauf hindeutet, dass sie bei den nächsten Wahlen eine Abfuhr bekommen. Die Demokraten zittern, weil sie immer wieder bewiesen haben, dass sie auch unverlierbare Wahlen zu verlieren wissen. In Berlin gab es unter den männlichen und weiblichen Alphatieren und -tierchen ein merkwürdiges Hickhack, wo Barack Obama denn in der deutschen Hauptstadt unter freiem Himmel sprechen dürfe. Von den 35 Zeitungsberichten, die ich mir heute morgen angesehen habe, erwähnte kein einziger Obamas Reise auch nur, schrieb die New Yorker Literaturwissenschaftlerin Marcia Pally in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: abgesehen von einem Meinungsartikel, der davon handelte, was die Deutschen darüber denken.