Von Klaus Pokatzky

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit Verhaftungen von zwei Dutzend mutmaßlichen Angehörigen einer nationalistischen Terrorvereinigung namens "Ergenekon" sowie mit dem entlassenen Leiter für Moderne Kunst an der Moskauer Tretjakow-Galerie und mit dem erfolgreichen Attentat auf Hitler im Wachsfigurenkabinett.
"Frühstücksdirektor – das muss ein Traumjob sein!," lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. "Als Frühstücksdirektor, klärt das Online-Lexikon Wikipedia auf, werde in abwertender Absicht "eine Person bezeichnet, die in einem Unternehmen vom äußeren Status her eine herausgehobene Position hat, die aber wegen fehlender Entscheidungskompetenzen oder fachlicher Eignung keine wirkliche Führungstätigkeit ausübt"." Wie beim Kulturpressebeschauer, der in diesen Minuten ja auch eine herausgehobene Position hat, aber keine Entscheidungskompetenz – denn hier diktiert das Feuilleton. Und die fachliche Eignung? "Wir sollen uns, obwohl wir ungleich sind, wechselseitig als Gleiche behandeln," lesen wir in einem Interview des Berliner TAGESSPIEGELs. "Das ist die Pointe der Gleichheitsidee, die als gleiche Menschenwürde in der Verfassung zu finden ist," sagt der Philosoph Stefan Gosepath zum Dauer-Thema "Gerechtigkeitssinn und Chancengleichheit". "Das heißt dass grundsätzlich erstmal alle gleich zu behandeln und alles gleich zu verteilen ist. Und dann muss man über Ausnahmen reden." Wie bei der Kulturpresseschau - denn hier kann ja nicht alles zitiert, also gleich behandelt werden, was so in den Feuilletons erscheint.
"Niemals zuvor haben die Staatsanwaltschaft und die Polizei gewagt, Offiziersclubs zu durchsuchen und Generäle zu verhaften - bis zur vergangenen Woche galten diese in der Türkei als "unberührbar"," schreibt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG Cemal Karakas zu den Verhaftungen von zwei Dutzend mutmaßlichen Angehörigen einer nationalistischen Terrorvereinigung namens "Ergenekon", darunter zwei pensionierte Generäle – in einem Land, das sich immer mehr an die Europäische Union (EU) anzunähern versucht. Cemal Karakas von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: "Die Verhaftung der Generäle könnte, stärker als die bisherigen EU-Reformen, zu einem Mentalitätswandel und einer Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen. "

Mentalitätswandel könnte auch Russland nicht schaden. "Man kann natürlich auch einem Dürer Pornographie vorwerfen," lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – und können nur hinzufügen: Man kann vor allem der Bibel jede Menge Pornographie zugute halten. "Zwar gibt es keine Zensurbehörde mehr, die anonym schwarze Listen verschickt, aber ein funktionierendes System der Selbstzensur," beklagt im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN, Andrej Jerofejew, der entlassene Leiter für Moderne Kunst an der Moskauer Tretjakow-Galerie, der unter anderem mit einem Bild der sibirischen Künstlergruppe "Blaue Nasen" Ärger bei seinen Vorgesetzten ausgelöst hatte, das zwei uniformierte Milizionäre zeigt, die sich küssen. Ein Bild, das die SÜDDEUTSCHE auch abbildet – passend zum zurückliegenden Wochenende, wo in der deutschen Frohsinnshauptstadt Köln Hunderttausende von Schwulen und Lesben den Christopher Street Day feierten; während bei ähnlichen Umzügen in den Staaten des einstigen Ostblocks unter den Augen der Polizei die Demonstranten von Schlägertrupps misshandelt werden. "Die Leiter der Institute oder die Behörden entfernen Werke," schildert Andrej Jerofejew die Ausstellungspraxis in Russland, wenn es um moderne Kunst geht: "Manchmal hilft ihnen der Zoll, manchmal das Kulturministerium, in jedem Fall aber fehlt jede fachliche Begründung."

In Berlin ging es einem Exponat an den Kragen – als jetzt in der neueröffneten Berliner Dépendance von Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett ein ehemaliger Polizist aus Kreuzberg dem wächsernen Adolf Hitler den Kopf abriss. "Was also beweist uns das Attentat?," fragt in der WELT Rolf Schneider. "Es beweist die Bedeutung von Wachfigurenkabinetten. Als sie aufkamen, gab es die beliebige technische Reproduzierbarkeit von Bildern noch nicht. Heute umgibt sie uns mit quälender Ausführlichkeit. Doch haben alle jene Bildnisse einen gewichtigen Nachteil: Sie sind bloß zweidimensional, und man kann die Figuren nicht anfassen. Madame Tussaud liefert uns beides: die dritte Dimension und die Haptik. "

Anfassen bis zum Abriss eben.