Von Klaus Pokatzky

Diese Woche in den Feuilletons: Fehlende Feiertage und ein Phantombild des heiligen Paulus, der Jahrestag der Bücherverbrennung, ein Netz gegen Nazis sowie die Ehrung Marcel Reich-Ranickis für sein Lebenswerk mit dem Henri-Nannen-Preis.
"Der Feiertagsklau geht um."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU beschwerte sich, dass in diesem Jahr Pfingsten und Muttertag auf ein und denselben Sonntag fallen. Das ist noch harmlos verglichen mit dem "1. Mai, der zugleich Himmelfahrtstag war" - was dazu führte, dass die trinkenden Arbeiterklassen an ein und demselben Tag demonstrieren und trinken sollten - schließlich ist der Himmelfahrtstag in weiten Kreisen der Bevölkerung ja eher als Vatertag bekannt, an dem sich Vater komatös betätigt.

"Das Zusammenlegen und Verschwinden lassen von Feiertagen liegt im Trend", schrieb Hans-Jürgen Linke in seiner Pfingst-Glosse:

"Am schlechtesten ist es um überregionale Feiertage bestellt, die nur die Evangelische Kirche interessieren."

Also werden wir ökumenisch; der Heilige Geist geht uns alle an, der auf die Apostel und Jünger herabkam, als sie zum Schawuot-Fest in Jerusalem weilten. "Das Phantombild des Paulus haben Experten des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes erstellt", klärte uns die Tageszeitung DIE WELT zu einem großen Porträt eines ernst blickenden Mannes mit, das sie abdruckte, mit Bart und heftigen Geheimratsecken. "Den besten PR-Experten, den Christus selbst für die Verbreitung des Evangeliums rekrutieren konnte", nennt Paulus-Biograph Michael Hesemann jenen schreibwütigen Apostel, auf den sich heute gerne fundamentalistische Christen berufen, wenn sie die Frauen ins zweite Glied und die Schwulen am liebsten ganz aus dem Gotteshaus verbannen würden. Alles Vorurteile, meinte WELT-Autor Gernot Facius und zitierte einen Fachmann:

"'Paulus', sagt der Benediktiner Anselm Grün, 'spricht nicht von Homosexualität an sich, sondern nur von Unzucht zwischen Männern und vom widernatürlichen Verkehr zwischen Frauen. Daraus eine Verurteilung der Homosexualität zu lesen, steht uns nicht zu'."
In der Woche vor dem Fest des Heiligen Geistes veröffentlichte Hans Maier ein "Plädoyer für die Anerkennung von Religionsflüchtlingen" - da Christen in China und Indien und vor allem in islamischen Ländern verfolgt werden. "Die Anerkennung von Religionsflüchtlingen als Flüchtlinge im Sinn der internationalen Konventionen", verlangte Hans Maier in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Die Beschränkung auf 'politisch Verfolgte' ist in der heutigen Situation längst weltfremd und illusionär", schrieb der einstige bayerische Kultusminister und ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

"Sodann wäre ein - weltweit geltendes - 'Recht auf Konversion' anzustreben: das Recht, seine Religion zu wechseln ohne Gefahr für Leib und Leben."

Und in der Woche vor dem Fest des Heiligen Geistes erinnerten die Feuilletons an eine der schändlichsten Taten des deutschen Ungeistes. DIE WELT zitierte Bundespräsident Horst Köhler aus der Gedenkstunde der Berliner Akademie der Künste zum 75. Jahrestag der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933:

"Der Hass auf alles Freiheitliche, Demokratische, Republikanische, vor allem aber auf alles Jüdische, bekam ausgerechnet von deutschen Intellektuellen geistige Nahrung."

Man könnte hier fragen, ob Barbaren zugleich auch Intellektuelle sein können - wir zitieren hier aber lieber aus dem berühmten Offenen Brief, den der im Wiener Exil lebende Schriftsteller Oskar Maria Graf veröffentlichte, nachdem seine Werke nicht verbrannt worden waren, abgedruckt nun in der BERLINER ZEITUNG:

"Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen."
Und damit zu einer Initiative gegen die rechten Dummen von heute. "Die Zeit hat mit Sportverbänden, Feuerwehr und ZDF ein Netz gegen Nazis gesponnen", berichtete die FRANKFURTER RUNDSCHAU über das Online-Portal www.netz-gegen-nazis.de der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". "Die Partnerschaften sind kein Zufall", hieß es im Berliner TAGESSPIEGEL:

"Gerade erst sei in der 'Deutschen Stimme' ein Strategiepapier veröffentlicht worden mit dem klaren Auftrag an die Nazis, Sportvereine und freiwillige Feuerwehren zu unterwandern, sagte 'Zeit'-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU zitiert den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger:

"Ein Verband wie der DFB ist durch seine basisbezogenen Strukturen in den Vereinen im Höchstmaß vom Rechtsextremismus gefährdet"."

Es wäre da schön, wenn ein Verband wie der DFB auch einmal rigoros und mit den entsprechenden Finanzmitteln jene Fan-Initiativen fördern würde, die gegen Nazi-Sprüche in den Fußballstadien arbeiten und gegen junge Nazis, die manchen Fan-Club schon unterwandert haben.

"Geradezu ein Muss ist die Rubrik 'Woran man Nazis erkennt', in der über die Bedeutung von Zahlenkombinationen wie 88 (Heil Hitler) oder von Thor-Steinar-Pullovern informiert wird", so lobt im TAGESSPIEGEL Kurt Sagatz www.netz-gegen-nazis.de:

""Zudem weist das Portal den Weg zu Initiativen gegen rechts sowie Beratungs- und Selbsthilfeorganisationen."

Abschließend dahin, wo der Geist zu Hause ist. "Die Zeit ist reif, eine Ikone, eine Ikone im besten Sinne des Wortes, eine Ikone des Feuilletons in diesem Rahmen zu ehren", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitagabend im Hamburger Schauspielhaus in ihrer Laudatio zur Verleihung des Henri-Nannen-Preises an Marcel Reich-Ranicki für sein Lebenswerk - was jetzt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG nachzulesen ist. Der Geehrte selbst hatte zuvor der WELT ein langes, schönes Interview gegeben - und war darin natürlich auch befragt worden, wie es sich denn mit einer solchen Fernsehprominenz leben lässt. Marcel Reich-Ranicki:

"In den vergangenen Jahren hatte ich nie ein Problem, in Restaurants spontan einen Tisch zu bekommen. Das ist doch ein großer Vorteil."