Von Klaus Pokatzky
Die "Welt" erinnert an den "Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag", den ein amerikanischer Journalist 1973 ausrief. Die Debatte um die Jugendkriminalität hat sich nun auf den Feuilletonchef der "Zeit", Jens Jessen, und dessen Äußerungen zum Überfall in der Münchner U-Bahn in einem Videoblog eingeschossen.
" Es muss einen Tag im Jahreslauf geben, an dem rein gar nichts passieren soll. "
Mit diesem frommen Wunsch erfreute uns die Tageszeitung DIE WELT.
" Einfach herumsitzen, nichts im Besonderen und das Nichts im Einzelnen beobachten und den lieben Gott und den vielleicht etwas weniger lieben Arbeitgeber heute einfach mal einen guten Mann sein lassen. "
Das war die Idee des amerikanischen Journalisten Harold Pullman Coffin, als er 1973 den "National Do Nothing Day", den landesweiten "Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag", ausrief – manchmal haben Journalisten eben wirklich richtig gute Ideen. Und DIE WELT, die uns in einer eigenen kleinen Rubrik verlässlich über alle wichtigen Gedenktage unterrichtet – vom "Tag des Deutschen Butterbrotes", über den nationalen "Tag des Kaffees" bis hin zum "Welttag der weißen Socken" – vergaß auch den Nichtstutag selbstverständlich nicht. Danke.
"Dummheit", "Perversion", "Dreckschleuder", "Stürmer-Niveau", "Schande", "Schweinerei". "
Die Tageszeitung TAZ zitierte aus Äußerungen im Internet. Reaktionen, die der Feuilletonchef der Wochenzeitung "Die Zeit", Jens Jessen, bekam, nachdem er in seinem Videoblog in die derzeit tobende Debatte um jugendliche Gewalt eingegriffen hatte. Er, so hieß es in der WELT,
" hätte seinen Schreibtisch besser nicht vor der Video-Kamera zum Stammtisch gemacht "
– und WELT-Autor Eckhard Fuhr zitierte fast genüsslich, was der Kollege Jessen hinter seinem Schreibtisch und vor der Videokamera über jenen Rentner gesagt hatte, der vor Weihnachten in München von einem griechischen und einem türkischen jungen Mann krankenhausreif getreten worden war:
" "Man fragt sich doch, ob dieser Rentner, der sich das Rauchen in der Münchner U-Bahn verbeten hat und damit den Auslöser gegeben hat zu einer zweifellos nicht entschuldbaren Tat, eben sicher nur in der Kette einer unendlichen Masse von Gängelungen, blöden Ermahnungen, Anquatschungen zu sehen ist, die der Ausländer, namentlich der jugendliche, hier ständig zu erleiden hat."
Man kann sich auch fragen, ob Jens Jessen, einer unserer klügsten Feuilletonisten, einen solchen Satz in einem zum Drucken vorgesehenen Artikel verwendet hätte – und man darf sich fragen, ob unsere klügsten Zeitungsfeuilletonisten gut beraten sind, wenn sie jede mediale Mode mitmachen und das, was ihnen gerade so durch den Kopf geht, wie ein wahlkämpfender Provinzpolitiker in Kameras sprechen.
" "Ich glaube, die deutsche Gesellschaft hat nicht so sehr ein Problem mit ausländischer Kriminalität, sondern mit einheimischer Intoleranz", "
zitierte DIE WELT den "Zeit"-Feuilletonchef weiter. Und plötzlich schien es, als ginge es nur noch um den. Gegen den "feinen Kultur-Chef der ,Zeit‘" eröffnete die "Bild"-Zeitung, unser Zentralorgan für feine Sitten und gehobenen Anstand, eine Kampagne, zu der auch gehörte, dass der "Bild"-Kolumnist Franz-Josef Wagner forderte, Jessen möge ins RTL-Dschungelcamp eingewiesen werden.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, deren Feuilleton-Redakteur Jessen von 1988 bis 1996 war, nahm sich sein einstiger Chef, der fürs Kulturelle verantwortliche Mitherausgeber Frank Schirrmacher, des "Kollegen Jens Jessen" und des Problems jugendlicher Gewalt an. Er sah dabei eine "seltsame Parallele zwischen Neo-Nazis und kriminellen jungen Muslimen":
" Sie reicht von der Herabwürdigung und Verfolgung aller Minderheiten bis zum Dekadenzvorwurf an die Mehrheit. "
Rassismus gegen Deutsche also als Motiv für Gewalttäter mit Migrationshintergrund? Frank Schirrmacher:
" Zur Klarheit, die vom Staat gefordert ist, gehört auch, dass man ausspricht, dass die Mischung aus Jugendkriminalität und muslimischem Fundamentalismus potentiell das ist, was heute den tödlichen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts am nächsten kommt. "
Das war dann die nächste Stufe.
" Diese Sätze sind skandalös, "
hieß es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
" Sie schreiben der Minderheit gewalttätiger ausländischer Jugendlicher in Deutschland das Potential zu, Menschheitsverbrechen hervorzubringen, die denen des Stalinismus und Nationalsozialismus im zwanzigsten Jahrhundert ebenbürtig sind, "
meinte Lothar Müller und zählte dann Fälle auf, wo sich durchaus Rassismus muslismischer Prägung zeige, allerdings nicht gegen "Deutsche im allgemeinen".
" Das wird niemand bestreiten, der schon einmal erlebt hat, wie ein junger türkischer Macho junge Frauen mit Pöbeleien behelligt, oder deutsche Homosexuelle, die nach Berlin gezogen sind, um dort unbehelligt zu leben, hat erzählen hören, wie junge Türken vor ihnen auf den Boden spucken, wenn sie in Neukölln spazieren gehen. Aber für die Debatte darüber gilt die triviale Faustregel: dass solche Vorfälle empörend sind, rechtfertigt es nicht, muslimische Jugendliche unter Generalverdacht auf Rassismus und Gewaltbereitschaft zu stellen. "
Anzufügen ist noch eine eher erheiternde Facette des Ganzen. Die "Bild"-Zeitung druckte in weiten Auszügen den Text von Frank Schirrmacher, ohne nachzufragen, einfach nach.
" Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat den Springer-Verlag und die "Bild"-Zeitung abgemahnt, "
erfuhren wir prompt aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
" Die "Bild"-Chefredaktion erklärte sich bereit, den Artikel nicht erneut ohne Nachdruckgenehmigung zu veröffentlichen und ihn unverzüglich aus dem eigenen Internetangebot zu entfernen. Zudem wurde vereinbart, dass "Bild" für den unerlaubten Nachdruck eine Spende von fünftausend Euro an die Initiative "F.A.Z.-Leser helfen" entrichtet. "
Werden wir abschließend sonntäglich friedlich.
" Sitzen, schweigen, sinnieren, letzteres aber nicht zu viel, kurz: nichts tun. Und dem Nichts huldigen. "
Damit kommen wir noch einmal zurück, wie wir den bevorstehenden Sonntag genießen könnten – wobei nur das Sitzen und Sinnieren in Loriotschen Ehen schnell zu veritablen Dramen führen kann. Aber vielleicht trotzdem einmal versuchen, seinen eigenen "Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag" zu zelebrieren, den uns die WELT ans Herz und in den Terminkalender legte:
" Süßes, süßes Nichts. Denn nur wer das Nichts kennt, kann das Sein sein lassen. "
Mit diesem frommen Wunsch erfreute uns die Tageszeitung DIE WELT.
" Einfach herumsitzen, nichts im Besonderen und das Nichts im Einzelnen beobachten und den lieben Gott und den vielleicht etwas weniger lieben Arbeitgeber heute einfach mal einen guten Mann sein lassen. "
Das war die Idee des amerikanischen Journalisten Harold Pullman Coffin, als er 1973 den "National Do Nothing Day", den landesweiten "Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag", ausrief – manchmal haben Journalisten eben wirklich richtig gute Ideen. Und DIE WELT, die uns in einer eigenen kleinen Rubrik verlässlich über alle wichtigen Gedenktage unterrichtet – vom "Tag des Deutschen Butterbrotes", über den nationalen "Tag des Kaffees" bis hin zum "Welttag der weißen Socken" – vergaß auch den Nichtstutag selbstverständlich nicht. Danke.
"Dummheit", "Perversion", "Dreckschleuder", "Stürmer-Niveau", "Schande", "Schweinerei". "
Die Tageszeitung TAZ zitierte aus Äußerungen im Internet. Reaktionen, die der Feuilletonchef der Wochenzeitung "Die Zeit", Jens Jessen, bekam, nachdem er in seinem Videoblog in die derzeit tobende Debatte um jugendliche Gewalt eingegriffen hatte. Er, so hieß es in der WELT,
" hätte seinen Schreibtisch besser nicht vor der Video-Kamera zum Stammtisch gemacht "
– und WELT-Autor Eckhard Fuhr zitierte fast genüsslich, was der Kollege Jessen hinter seinem Schreibtisch und vor der Videokamera über jenen Rentner gesagt hatte, der vor Weihnachten in München von einem griechischen und einem türkischen jungen Mann krankenhausreif getreten worden war:
" "Man fragt sich doch, ob dieser Rentner, der sich das Rauchen in der Münchner U-Bahn verbeten hat und damit den Auslöser gegeben hat zu einer zweifellos nicht entschuldbaren Tat, eben sicher nur in der Kette einer unendlichen Masse von Gängelungen, blöden Ermahnungen, Anquatschungen zu sehen ist, die der Ausländer, namentlich der jugendliche, hier ständig zu erleiden hat."
Man kann sich auch fragen, ob Jens Jessen, einer unserer klügsten Feuilletonisten, einen solchen Satz in einem zum Drucken vorgesehenen Artikel verwendet hätte – und man darf sich fragen, ob unsere klügsten Zeitungsfeuilletonisten gut beraten sind, wenn sie jede mediale Mode mitmachen und das, was ihnen gerade so durch den Kopf geht, wie ein wahlkämpfender Provinzpolitiker in Kameras sprechen.
" "Ich glaube, die deutsche Gesellschaft hat nicht so sehr ein Problem mit ausländischer Kriminalität, sondern mit einheimischer Intoleranz", "
zitierte DIE WELT den "Zeit"-Feuilletonchef weiter. Und plötzlich schien es, als ginge es nur noch um den. Gegen den "feinen Kultur-Chef der ,Zeit‘" eröffnete die "Bild"-Zeitung, unser Zentralorgan für feine Sitten und gehobenen Anstand, eine Kampagne, zu der auch gehörte, dass der "Bild"-Kolumnist Franz-Josef Wagner forderte, Jessen möge ins RTL-Dschungelcamp eingewiesen werden.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, deren Feuilleton-Redakteur Jessen von 1988 bis 1996 war, nahm sich sein einstiger Chef, der fürs Kulturelle verantwortliche Mitherausgeber Frank Schirrmacher, des "Kollegen Jens Jessen" und des Problems jugendlicher Gewalt an. Er sah dabei eine "seltsame Parallele zwischen Neo-Nazis und kriminellen jungen Muslimen":
" Sie reicht von der Herabwürdigung und Verfolgung aller Minderheiten bis zum Dekadenzvorwurf an die Mehrheit. "
Rassismus gegen Deutsche also als Motiv für Gewalttäter mit Migrationshintergrund? Frank Schirrmacher:
" Zur Klarheit, die vom Staat gefordert ist, gehört auch, dass man ausspricht, dass die Mischung aus Jugendkriminalität und muslimischem Fundamentalismus potentiell das ist, was heute den tödlichen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts am nächsten kommt. "
Das war dann die nächste Stufe.
" Diese Sätze sind skandalös, "
hieß es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
" Sie schreiben der Minderheit gewalttätiger ausländischer Jugendlicher in Deutschland das Potential zu, Menschheitsverbrechen hervorzubringen, die denen des Stalinismus und Nationalsozialismus im zwanzigsten Jahrhundert ebenbürtig sind, "
meinte Lothar Müller und zählte dann Fälle auf, wo sich durchaus Rassismus muslismischer Prägung zeige, allerdings nicht gegen "Deutsche im allgemeinen".
" Das wird niemand bestreiten, der schon einmal erlebt hat, wie ein junger türkischer Macho junge Frauen mit Pöbeleien behelligt, oder deutsche Homosexuelle, die nach Berlin gezogen sind, um dort unbehelligt zu leben, hat erzählen hören, wie junge Türken vor ihnen auf den Boden spucken, wenn sie in Neukölln spazieren gehen. Aber für die Debatte darüber gilt die triviale Faustregel: dass solche Vorfälle empörend sind, rechtfertigt es nicht, muslimische Jugendliche unter Generalverdacht auf Rassismus und Gewaltbereitschaft zu stellen. "
Anzufügen ist noch eine eher erheiternde Facette des Ganzen. Die "Bild"-Zeitung druckte in weiten Auszügen den Text von Frank Schirrmacher, ohne nachzufragen, einfach nach.
" Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat den Springer-Verlag und die "Bild"-Zeitung abgemahnt, "
erfuhren wir prompt aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
" Die "Bild"-Chefredaktion erklärte sich bereit, den Artikel nicht erneut ohne Nachdruckgenehmigung zu veröffentlichen und ihn unverzüglich aus dem eigenen Internetangebot zu entfernen. Zudem wurde vereinbart, dass "Bild" für den unerlaubten Nachdruck eine Spende von fünftausend Euro an die Initiative "F.A.Z.-Leser helfen" entrichtet. "
Werden wir abschließend sonntäglich friedlich.
" Sitzen, schweigen, sinnieren, letzteres aber nicht zu viel, kurz: nichts tun. Und dem Nichts huldigen. "
Damit kommen wir noch einmal zurück, wie wir den bevorstehenden Sonntag genießen könnten – wobei nur das Sitzen und Sinnieren in Loriotschen Ehen schnell zu veritablen Dramen führen kann. Aber vielleicht trotzdem einmal versuchen, seinen eigenen "Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag" zu zelebrieren, den uns die WELT ans Herz und in den Terminkalender legte:
" Süßes, süßes Nichts. Denn nur wer das Nichts kennt, kann das Sein sein lassen. "