Von Klaus Pokatzky
Über ausgestorbene Worte wie Klammerblues, Sommerfrische und Bückware schreibt Evelyn Roll in der "Süddeutschen Zeitung". Ansonsten wird in den überregionalen Blättern vor allem über die endende Ära Aust beim "Spiegel" geschrieben.
"Es traf mich wie ein Hammerschlag vor die Stirn."
Das war, als Evelyn Roll, die Kollegin von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, im Berliner TAGESSPIEGEL blätterte und dort in einem Artikel "das ausgestorbene und vergessene Wort Klammerblues" las. Evelyn Roll rappelte sich nach dem Hammerschlag vor die Stirn aber ziemlich schnell wieder auf - jedenfalls konnte sie ganz rasch eine Glosse darüber verfassen, was ein längst in unserem Gedächtnis versenktes Wort, plötzlich hervorgeholt, so alles anrichten kann:
"Sofort ist da der mit Capri-Fischernetzen und Wandmalereien ausstaffierte Partykeller der Eltern. Und die Panik, wenn im Schein der Tropfkerzen zu 'Angie' oder 'Sailing' wieder mit dem Falschen stehgetanzt werden musste."
Klammerblues eben.
#"Ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Wörter haben es sehr viel besser als aussterbende oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tierarten."
Freundlicherweise kommt uns Evelyn Roll jetzt nicht mit der Kleine Hufeisennase, die durch den Streit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke auch in kulturell interessierten Kreisen als Fledermaus heimisch wurde. Von der Brücke in dieser Kulturpresseschau kein Wort. Lieber noch andere ausgestorbene Wörter, die uns in der Glosse der SÜDDEUTSCHEN aufgezählt werden wie "Sommerfrische, Flegeljahre, Bückware, Affenschaukel" - die man in Roten Listen sammeln könne.
"Man kann sie aber auch unbetreut sterben lassen im Bewusstsein, sie jederzeit wieder beleben zu können, allein durch Aussprechen oder Hinschreiben."
Was würden wir nicht noch alles gerne wieder beleben lassen?
"Auf dem Friedhof ahnt man, wie großartig ein angstfreier Blick auf den Tod sein könnte."
Das steht im neuen SPIEGEL, eigens als Glosse überschrieben, damit wir auch wissen, dass es eine ist. Diesmal von Nikolaus von Festenberg als "Wort zum Totensonntag":
"Da gehen wir hin, wenn uns Konvention noch etwas bedeutet. Auf den Friedhof, wo Oma und Opa liegen oder der kranke Nachbar auch."#
Also, ich besuche meinen kranken Nachbarn im Krankenhaus, auf dem Friedhof besuche ich ihn dann, wenn er tot ist.
"Die Dramaturgie hätte ihm als Spiegel-Geschichte vermutlich gefallen"," lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN:
""Im Urlaub auf Bali erfuhr Stefan Aust am Donnerstagnachmittag von seiner vorzeitigen Kündigung."
Das Medienthema der zurückliegenden Woche: Die Ära Aust beim SPIEGEL endet nach 13 Jahren.
"Aust werden schlechte Personalentscheidungen angekreidet, Debatten im Innern sollen abgewürgt worden sein"," schrieb die SÜDDEUTSCHE, deren heutiger Chefredakteur Hans Werner Kilz vor Stefan Aust Chefredakteur des SPIEGEL war und den als politisches Nachrichtenmagazin gestaltete. Zu den schlechten Personalentscheidungen könnte etwa auch die Berufung des Patrioten-Bramarbasierers Matthias Matussek als einer der beiden SPIEGEL-Kulturchefs gehören, der aus einem ohnehin nie sonderlich ansehnlichen Ressort des Blattes ein noch unansehnlicheres gemacht hat.
""Für den umstrittenen Kulturchef Matthias Matussek sehen viele die Zeit der Trennung gekommen"," schrieb in der Tageszeitung DIE WELT Ulrike Simon für die Zeit nach Aust - und fasste die Reaktionen im Hamburger SPIEGEL-Haus zusammen:
""Die Basis, Redakteure ohne Ressortverantwortung, feierte ihre Erleichterung. Bald werde man wieder unabhängig über Bildungsthemen, die Automobilbranche, Energiepolitik oder Frauenthemen schreiben können, freuten sich jene, die unter dem autoritären Führungsstil des Machtmenschen Stefan Aust gelitten haben. Das andere Lager innerhalb der Redaktion, jene also, die Aust stützten, machten ihrem Unmut über die Stillosigkeit des Rauswurfs Luft."
Immerhin hatte Stefan Aust, der Inhaber eines der mächtigsten Posten in der deutschen Medienlandschaft, mit der Umgestaltung eines politischen Nachrichtenmagazins in ein buntes Bilderblatt eine stabile Auflage von mehr als einer Million Exemplaren erreicht - und ihm im Urlaub auf Bali gleichsam den Ledersessel vor die Tür zu setzen, ist wirklich nicht feine hanseatische Art.
"Es war vermutlich gar nicht so böse gemeint, es war wohl eher eine Mischung aus Inkompetenz und Dilettantismus"," heißt es in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, ""dass dieser Stefan Aust auf eine Art brüskiert, beleidigt und verhöhnt wurde, wie man sie dem schlimmsten Versager nicht wünschen möchte"."
Das schreibt Claudius Seidl und wirft schon einmal einen Blick auf mögliche Nachfolger:
""Man suche, so heißt es, jetzt einen Chefredakteur, der beliebt sei in der Redaktion - und wer den 'Spiegel' kennt, der weiß, dass es eine Vollzeitbeschäftigung wäre, sich in der Redaktion beliebt zu machen. Wer es versuchte, fände kaum noch die Zeit, zu tun, was die eigentliche Aufgabe ist - und eine Wissenschaft: Titelgeschichten zu bringen, die sich gut verkaufen; und Titelgeschichten, die Prestige und Autorität sichern."
Der TAGESSPIEGEL befragte die Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen Miriam Meckel, was sie von einem SPIEGEL nach Aust erwartet:
"Mir fehlt in Deutschland insgesamt ein Medium, das die erschlaffte deutsche Gesellschaft mal wieder in Diskussionswallung bringt. Wer führt denn die Debatten über die wirklich spannenden Fragen in Politik, Wirtschaft und Kultur?"
Das Feuilleton, könnten wir da antworten, das nun wahrlich besser ist, als mancher und manche meinen. Einfach öfter die Kulturpresseschau hören, Frau Professor.
"Ich glaube, dass Medienpolitik da generell besser funktioniert, wo der Katholizismus zu Hause ist."
Das sagte im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt - und erfreute damit unser katholisches Herz: "Katholizismus ist sinnlicher - mehr Nähe zwischen Inhalt und Entertainment oder Inhalt und Show."
Und: "Generell haben katholisch geprägte Politiker eine größere Nähe zu Entertainment als protestantische.
Fragte die SÜDDEUTSCHE: "Weil in katholischen Kirchen ein roter Teppich liegt, der zum Altar führt?"
Antwortete Hubertus Meyer-Burckhardt: "So ist es."
Wir haben auch die schöneren Friedhöfe.
Das war, als Evelyn Roll, die Kollegin von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, im Berliner TAGESSPIEGEL blätterte und dort in einem Artikel "das ausgestorbene und vergessene Wort Klammerblues" las. Evelyn Roll rappelte sich nach dem Hammerschlag vor die Stirn aber ziemlich schnell wieder auf - jedenfalls konnte sie ganz rasch eine Glosse darüber verfassen, was ein längst in unserem Gedächtnis versenktes Wort, plötzlich hervorgeholt, so alles anrichten kann:
"Sofort ist da der mit Capri-Fischernetzen und Wandmalereien ausstaffierte Partykeller der Eltern. Und die Panik, wenn im Schein der Tropfkerzen zu 'Angie' oder 'Sailing' wieder mit dem Falschen stehgetanzt werden musste."
Klammerblues eben.
#"Ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Wörter haben es sehr viel besser als aussterbende oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tierarten."
Freundlicherweise kommt uns Evelyn Roll jetzt nicht mit der Kleine Hufeisennase, die durch den Streit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke auch in kulturell interessierten Kreisen als Fledermaus heimisch wurde. Von der Brücke in dieser Kulturpresseschau kein Wort. Lieber noch andere ausgestorbene Wörter, die uns in der Glosse der SÜDDEUTSCHEN aufgezählt werden wie "Sommerfrische, Flegeljahre, Bückware, Affenschaukel" - die man in Roten Listen sammeln könne.
"Man kann sie aber auch unbetreut sterben lassen im Bewusstsein, sie jederzeit wieder beleben zu können, allein durch Aussprechen oder Hinschreiben."
Was würden wir nicht noch alles gerne wieder beleben lassen?
"Auf dem Friedhof ahnt man, wie großartig ein angstfreier Blick auf den Tod sein könnte."
Das steht im neuen SPIEGEL, eigens als Glosse überschrieben, damit wir auch wissen, dass es eine ist. Diesmal von Nikolaus von Festenberg als "Wort zum Totensonntag":
"Da gehen wir hin, wenn uns Konvention noch etwas bedeutet. Auf den Friedhof, wo Oma und Opa liegen oder der kranke Nachbar auch."#
Also, ich besuche meinen kranken Nachbarn im Krankenhaus, auf dem Friedhof besuche ich ihn dann, wenn er tot ist.
"Die Dramaturgie hätte ihm als Spiegel-Geschichte vermutlich gefallen"," lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN:
""Im Urlaub auf Bali erfuhr Stefan Aust am Donnerstagnachmittag von seiner vorzeitigen Kündigung."
Das Medienthema der zurückliegenden Woche: Die Ära Aust beim SPIEGEL endet nach 13 Jahren.
"Aust werden schlechte Personalentscheidungen angekreidet, Debatten im Innern sollen abgewürgt worden sein"," schrieb die SÜDDEUTSCHE, deren heutiger Chefredakteur Hans Werner Kilz vor Stefan Aust Chefredakteur des SPIEGEL war und den als politisches Nachrichtenmagazin gestaltete. Zu den schlechten Personalentscheidungen könnte etwa auch die Berufung des Patrioten-Bramarbasierers Matthias Matussek als einer der beiden SPIEGEL-Kulturchefs gehören, der aus einem ohnehin nie sonderlich ansehnlichen Ressort des Blattes ein noch unansehnlicheres gemacht hat.
""Für den umstrittenen Kulturchef Matthias Matussek sehen viele die Zeit der Trennung gekommen"," schrieb in der Tageszeitung DIE WELT Ulrike Simon für die Zeit nach Aust - und fasste die Reaktionen im Hamburger SPIEGEL-Haus zusammen:
""Die Basis, Redakteure ohne Ressortverantwortung, feierte ihre Erleichterung. Bald werde man wieder unabhängig über Bildungsthemen, die Automobilbranche, Energiepolitik oder Frauenthemen schreiben können, freuten sich jene, die unter dem autoritären Führungsstil des Machtmenschen Stefan Aust gelitten haben. Das andere Lager innerhalb der Redaktion, jene also, die Aust stützten, machten ihrem Unmut über die Stillosigkeit des Rauswurfs Luft."
Immerhin hatte Stefan Aust, der Inhaber eines der mächtigsten Posten in der deutschen Medienlandschaft, mit der Umgestaltung eines politischen Nachrichtenmagazins in ein buntes Bilderblatt eine stabile Auflage von mehr als einer Million Exemplaren erreicht - und ihm im Urlaub auf Bali gleichsam den Ledersessel vor die Tür zu setzen, ist wirklich nicht feine hanseatische Art.
"Es war vermutlich gar nicht so böse gemeint, es war wohl eher eine Mischung aus Inkompetenz und Dilettantismus"," heißt es in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, ""dass dieser Stefan Aust auf eine Art brüskiert, beleidigt und verhöhnt wurde, wie man sie dem schlimmsten Versager nicht wünschen möchte"."
Das schreibt Claudius Seidl und wirft schon einmal einen Blick auf mögliche Nachfolger:
""Man suche, so heißt es, jetzt einen Chefredakteur, der beliebt sei in der Redaktion - und wer den 'Spiegel' kennt, der weiß, dass es eine Vollzeitbeschäftigung wäre, sich in der Redaktion beliebt zu machen. Wer es versuchte, fände kaum noch die Zeit, zu tun, was die eigentliche Aufgabe ist - und eine Wissenschaft: Titelgeschichten zu bringen, die sich gut verkaufen; und Titelgeschichten, die Prestige und Autorität sichern."
Der TAGESSPIEGEL befragte die Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen Miriam Meckel, was sie von einem SPIEGEL nach Aust erwartet:
"Mir fehlt in Deutschland insgesamt ein Medium, das die erschlaffte deutsche Gesellschaft mal wieder in Diskussionswallung bringt. Wer führt denn die Debatten über die wirklich spannenden Fragen in Politik, Wirtschaft und Kultur?"
Das Feuilleton, könnten wir da antworten, das nun wahrlich besser ist, als mancher und manche meinen. Einfach öfter die Kulturpresseschau hören, Frau Professor.
"Ich glaube, dass Medienpolitik da generell besser funktioniert, wo der Katholizismus zu Hause ist."
Das sagte im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt - und erfreute damit unser katholisches Herz: "Katholizismus ist sinnlicher - mehr Nähe zwischen Inhalt und Entertainment oder Inhalt und Show."
Und: "Generell haben katholisch geprägte Politiker eine größere Nähe zu Entertainment als protestantische.
Fragte die SÜDDEUTSCHE: "Weil in katholischen Kirchen ein roter Teppich liegt, der zum Altar führt?"
Antwortete Hubertus Meyer-Burckhardt: "So ist es."
Wir haben auch die schöneren Friedhöfe.