Von Klaus Pokatzky

Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hat sich mit seinen Äußerungen zur "entarteten" Kunst zur Zielscheibe der Feuilletons gemacht. Der Regisseur Fatih Akin darf sich Hoffnungen auf einen Oscar machen. Und in Bayreuth wird über die Nachfolge von Wolfgang Wagner debattiert.
"Was 'richtiges Deutsch' heute noch heissen kann, ob Sprachnormen nötig sind"," lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, ""so und ähnlich lauten die Fragen, die sich die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung für ihre Herbsttagung unter dem Titel 'Zur Sprache kommen' vorgenommen hat." Beginn: 25. Oktober. Ein zeitloses und unendliches Vorhaben.

"Wir haben keine Zeit, gieren nach frischen Idolen", stand in der Tageszeitung DIE WELT in einer Konzertkritik über einen Auftritt des Dirigenten Gustavo Dudamel in Berlin. Darin wurde dann auch kurz die Opernsängerin Anna Jurjewna Netrebko erwähnt und – ohne Namensnennung – noch einige Stars der internationalen Klassikbühne, um uns den armen Dirigenten Gustavo Dudamel schmackhaft zu machen.

"Die Deutsche Grammophon hat nach dem Sopran aus der russischen Kälte und dem Letten-Mezzo, dem China-Tastenteufel und der französischen Piano-Wolfsfrau auch eine südamerikanische Dirigententarantel Im Angebot ihres Klassikmenschenparks: Gustavo Dudamel."

Das schrieb der Computertastatur-Derwisch Manuel Brug, dem wir dringend den Besuch der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung empfehlen:

"Was 'richtiges Deutsch' heute noch heissen kann, ob Sprachnormen nötig sind." Und wie.

"Ich bedaure ausdrücklich, dass diese Vokabel in der verkürzten Form des aus dem Zusammenhang gelösten Zitats Anlass zu Missverständnissen gegeben hat."

Das schrieb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, zu der von ihm verwendeten Vokabel "entartet", nachdem er zur Eröffnung seines neuen Diözesanmuseums den Satz gepredigt hatte:

"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung, abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus, und die Kultur entartet."

Das brachte das Feuilleton – und nicht nur das Feuilleton – in Wallung. Kultur entartet – entartete Kultur. "Zum Liebling der Feuilletons wird es Kölns Erzbischof nimmer bringen", schrieb in der NEUEN ZÜRCHER Joachim Güntner:

"Kardinal Joachim Meisner lässt sich Brillanz nicht nachsagen. Kölns Erzbischof ist wohl auch ein wenig reaktionär, intellektuell aber ein Mann fürs Grobe. Nichts für Kulinariker. Er hat Abtreibungen mit der Euthanasie und den braunen und roten Massenmorden verglichen, hat unverheiratete Mütter und Homosexuelle attackiert."

Zuvor hatte der Kölner Erzbischof sich ja schon einen festen Platz im Feuilleton erstritten, nachdem er die neuen, von Gerhard Richter gestalteten Chorfenster des Kölner Doms heftig kritisiert und als in einem muslimischen Gebetshaus besser aufgehoben bezeichnet hatte. "Kardinal Meisner im Abseits", hieß es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN: "Gleich zweimal innerhalb von nicht einmal drei Wochen betätigt sich der Kardinal als Nestbeschmutzer", schrieb Andreas Rossmann. Und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG meinte Jens Bisky:

"Von einer Institution, die so vertrackte Dogmen wie das von der Jungfrauengeburt oder jenes von der Dreifaltigkeit über Jahrhunderte hinweg plausibel machen konnte, hätte man derart Schlichtes nicht erwartet."

Das Erhellendste zu diesem bizarren Vorgang sagte der Kardinal selbst, gleich nachdem die ersten Wogen der Entrüstung über ihm zusammengeschlagen waren. Es stand auf der Seite 1, also im Politischen Teil, der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG:

"Ich wollte nur ganz schlicht damit sagen: Wenn man Kunst und Kultur auseinanderbringt, dann leidet beides Schaden."

Ja, warum sagt er es dann nicht so? So schlicht und einfach? Ab zur Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und klares, unmissverständliches Deutsch lernen, Eminenz.

"Nun erzählen wir unsere Geschichten nicht mehr vom Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft."

Das sagt im Interview mit dem neuen SPIEGEL der Hamburger Regisseur Fatih Akin, der die deutsch-türkischen Geschichten aus der Mitte der Gesellschaft so gut erzählt, dass sein jüngstes Werk "Auf der anderen Seite" als Kandidat für den Oscar eingereicht wurde.

"Ich habe gemerkt, dass ich weiter mein größtes Publikum in Deutschland habe, aber auch ein neues in der Türkei"," sagte Fatih Akin im Interview mit der WELT: "Und ich habe begonnen, für beide Märkte zu denken." So wünschen wir uns Multi-Kulti.

""Der radikale, gewaltbereite Islamismus steht nicht außerhalb unseres Lebens, er ist Teil unseres Lebens."

Das sagte im Interview mit der Tageszeitung TAZ über einen nicht so gelungenen Aspekt von Multi-Kulti der Regisseur Romuald Karmakar, der für seinen Film "Hamburger Lektionen" über einen hanseatischen islamistischen Hassprediger von den Feuilletons hoch gelobt wurde. "Meinen Sie, dass dies in Deutschland verdrängt wird?", fragt TAZ-Interviewer Stefan Reinecke zu Karmakars Satz, der gewaltbereite Islamismus sei "Teil unseres Lebens". Und der Regisseur antwortet:

"Ja, nicht von der Politik, aber von der Gesellschaft. Wir haben das Thema an die Politik delegiert. Auch der Kulturbetrieb hat das Thema komplett ausgeblendet. Das ist gefährlich. Es gab lange die Ansicht, dass ein Anschlag wie in London bei uns nicht passieren kann. Das ist eine blinde Hoffnung."

Kommen wir zur Unterhaltung. "Bayreuth und seine Richard Wagner-Festspiele, das ist noch immer der deutsche, zuweilen sogar sehr deutsche Stoff für eine farbenfrohe Soap-Opera", lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL vom Sonntag über den "hohen Unterhaltungswert" der opernhaften Streitigkeiten in der Familie Wagner über die zukünftige Regentschaft auf dem Grünen Hügel. "Die Suche nach einer Nachfolge für den 88-jährigen Wolfgang Wagner tritt jetzt in die entscheidende Phase", schreibt Peter Siebenmorgen – nachdem in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN Wagners jüngste Tochter Katharina und der Dirigent Christian Thielemann in einem gemeinsamen Interview ihre gemeinsame Bewerbung um die Festspielleitung angemeldet hatten. "Am 6. November tagt der Stiftungsrat", schreibt Peter Siebenmorgen:

"Die Nachfolgefrage steht dann nicht auf der Tagesordnung. Und doch wird es in Tat und Wahrheit um gar nichts anderes gehen. Die daily soap darf weitergehen."