Von Klaus Pokatzky

Der "Tagesspiegel" beschäftigt sich mit der Meldung, dass Siegfried Lenz, Martin Walser und Dieter Hildebrandt NSDAP-Mitglieder gewesen sein sollen, das Blatt besuchte Walter Kempowski in Niedersachsen, außerdem befassen sich mehrere Feuilletons mit dem erneut gescheiterten Versuch Heidelbergs, auf die UNESCO-Liste des Welterbes zu kommen.
"Die Schriftsteller Siegfried Lenz und Martin Walser sowie der Kabarettist Dieter Hildebrandt sollen nach Informationen von ‚Focus’ in ihrer Jugend als Mitglieder der NSDAP registriert worden sein."

Das lesen wir im neuen TAGESSPIEGEL – es gibt mal wieder drei angeblich einst bräunliche Säue durchs mediale Dorf zu treiben.

"Hildebrandt und Walser wollen von einer NSDAP-Mitgliedschaft nichts gewusst haben. Beide behaupten, nie einen Aufnahmeantrag unterschrieben zu haben."

Vielleicht ist das Ganze ja nur ein ähnliches Sensatiönchen unseres aufgeregten Medienbetriebs wie vor vier Jahren, als unter anderem Walter Jens eine NSDAP-Zugehörigkeit zugesprochen wurde. Der Historiker Götz Aly hatte damals, 2003, den Fall recherchiert und gemeint, Walter Jens könne automatisch in die Kartei der NSDAP aufgenommen worden sein.

"Auch bei den neuerlichen Fällen fehlen Hinweise auf eine aktive Bewerbung, zumal Walser, Lenz und Hildebrandt zum Zeitpunkt der Rekrutierung 16 waren,"

heißt es nun im TAGESSPIEGEL.
"Walser, der war mal in Nartum","

das erzählte dem TAGESSPIEGEL, Tage bevor Focus mit seiner NSDAP-Meldung herauskam, der berühmteste Einwohner des niedersächsischen Dörfchens Nartum, der Schriftstellerkollege Walter Kempowski:

""Trank gleich Rotwein. Sehr herzlich. Diese Art von Herzlichkeit aber ist sonderbar: Man kennt sich doch gar nicht. Zumal Walser keine Zeile von mir gelesen hatte!"

Und dann sagt Walter Kempowski gleich noch:

"Ich aber auch nie von ihm!"

Gerrit Bartels, der für den TAGESSPIEGEL den Schöpfer von "Tadellöser & Wolf" und des "Echolots" besucht hat, hat ein liebevolles Porträt eines Todkranken verfasst, der jetzt mit einer Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste geehrt wird, und sich über Besuche freut. Da grantelt der 78jährige dann auch gerne:

"Ich bin nie zu Talkshows eingeladen worden, es gibt keine Dissertationen über mich, in Schulen gehören meine Bücher nicht zum Lehrplan, vom Goethe-Institut gab es nie eine Einladung."

Was die Talkshows angeht, können wir nur sagen: Es gibt Ehrenrührigeres, als da nicht eingeladen zu werden. Zur Talkshow-Klientel kommen wir noch – erst Mal aber das große Aufregerthema der vergangenen Woche. Ein Ort namens Christchurch im fernen Neuseeland brachte die internationale Agenturmaschinerie auf Hochtouren.

"Das Welterbekomitee der Unesco hat die Galapagos-Inseln vor Ecuador als bedrohtes Welterbe eingestuft und sie auf die Rote Liste gesetzt," vermeldete etwa die Tageszeitung DIE WELT, "Unesco entzieht erstmals Welterbe-Titel in Oman," der TAGESSPIEGEL – und außerdem: "Die Stadt Heidelberg hat es auch im zweiten Anlauf nicht auf die Unesco-Liste des Welterbes geschafft."

Was die Delegierten des Welterbekomitees der Unesco auf ihrer Tagung im neuseeländischen Christchurch so alles beschlossen haben … Heidelberg!

"Die historischen Altstädte Europas seien in der Welterbe-Liste überrepräsentiert, sagte Birgitta Ringbeck, die Vertreterin der Bundesländer bei der Unesco,"

lasen wir in der Tageszeitung TAZ.

"Die Liste, da hat nun wieder das Welterbekomitee recht, ist mit Europas vielen ‚historischen Altstädten’ schon so dermaßen überfüllt, dass höchstens noch unhistorische Altstädte eine Chance haben oder hysterische Neustädte,"

schreibt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG Peter Richter:

"Heidelberg könnte es also mit seinen Sozialwohnungsbauten vielleicht noch mal versuchen."

Und Dresden?

"Die Unesco hat Dresden eine ‚Galgenfrist’ gegeben,"

schrieb DIE WELT über die Frist bis zum Oktober, bis zu der akzeptable Brückenvorschläge vorliegen müssen oder als Alternative ja vielleicht auch ein Tunnel durch die Elbe durch – damit die "Kulturlandschaft Dresdner Elbtal" den Titel "Weltkulturerbe" weiterhin führen darf.

"Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) reagierte prompt," so DIE WELT und zitierte den Ministerpräsidenten: "Die Nachricht aus Neuseeland kommt einer Erpressung nahe. Sie setzt die Dresdner Bürgerschaft unter Druck, straft sie gewissermaßen ab."

Das strafte dann umgehend die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ab:

"Es gibt nicht wenige Beobachter, die sind sprachlos ob solcher Töne," schrieb Günter Kowa. "Denn was sich anhört, wie der Befreiungskampf von Belagerten, ist genau besehen das Ergebnis einer freiwilligen Verpflichtung. Nicht die Unesco drängt Dresden den Welterbestatus auf, sondern die Stadt hat den Antrag dazu gestellt – mit der Unterschrift der Landesregierung."

Und im neuen SPIEGEL wird die grundsätzliche Bedeutung des Dresdner Falles hervorgehoben:

"Nicht zufällig war in Neuseeland immer von Deutschland die Rede, wenn Dresden gemeint war," schreibt Susanne Beyer: "Wenn es die Deutschen nicht schaffen, ihr kulturelles Erbe zu schützen, dann wird das als fatales Signal an die armen Länder verstanden, die unendlich viel mehr Mühe aufbringen müssen, um ihre Denkmäler zu erhalten."

Und damit zu den Talkshows und ihren Berühmtheiten.

"Ich bitte um eine weitere Paris-Pause!"

Es bittet im TAGESSPIEGEL vom Sonntag die ZDF-Moderatorin Alexandra Vacano – nachdem die Hotel-Erbin Paris Hilton, kam hatte sie ihre 26 Tage Haft wegen Fahrens ohne Führerschein hinter sich, Gast beim legendären CNN-Talkmaster Larry King gewesen war. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG zählt Stefan Niggemeier all die Heuchler vom Privaten Fernsehen bis zu Spiegel Online auf und aus.

"Kein Medium auf der Welt hat darauf verzichtet, über ihren Auftritt bei Larry King zu berichten. Fast alle verbanden ihre Berichte mit der Empörung, dass nun alle Welt über diesen Auftritt berichtet. Die Berichterstattung ist ein Hochfest der Bigotterie." Und: "In der Berichterstattung über die Berichterstattung über Paris Hilton schwingt immer der Vorwurf mit, sie missbrauche die Medien. Längst ist das Gegenteil der Fall: Die Medien missbrauchen Paris Hilton."

Walter Kempowski muss wirklich nicht traurig sein, wenn er nicht zu Talkshows eingeladen wird.