Von Klaus Pokatzky

Die "Süddeutsche" druckt die Dankesrede des frischgebackenen Literaturnobelpreisträgers ab. "Tagesspiegel" und FAZ berichten vom Medien-Coup der Zeitschrift "Tempo" und ihrer erfundenen "Deutschen Nationalakademie", mit der sie diverse Prominente leimte. Die Wiederauferstehung des Magazins wird allerdings durchweg als unnötig empfunden.
"Schreiben bedeutet, dass man die innere Einkehr in Worte fasst, dass man aus sich heraus voller Geduld, Hartnäckigkeit und Freude an einer neuen Welt arbeitet."

Das hat der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk in seiner Dankesrede zum Nobelpreis 2006 in Stockholm gesagt, die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in breiten Auszügen abdruckt - und:

"Schriftsteller zu sein bedeutet für mich, dass man in sich selbst eine zweite, verborgene Persönlichkeit entdeckt und in jahrelanger geduldiger Mühe diese und ihr Umfeld sich herausschälen lässt."

Den Literaturnobelpreisträger kürt die Schwedische Akademie; die kennen wir. Aber was ist die "Deutsche Nationalakademie"?

"Die 'Deutsche Nationalakademie' hatte eine Website, eine zentrale Einwahl, und im Ernstfall war Akademie-Präsident Wendelin Däubler sogar telefonisch erreichbar."

Das lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL über ein Unternehmen, das ganz offensichtlich nur zu einem Zweck gegründet wurde: einem Illustriertenprojekt Schlagzeilen zu verschaffen.

"'Tempo' hat eine eindeutig rechtslastige 'Deutsche Nationalakademie' erfunden und in deren Namen Briefe an hundert deutsche Prominente verschickt", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über einen Coup der besonderen Art. Das Zeitgeist-Magazin der achtziger und neunziger Jahre namens "Tempo", glücklicherweise eingestellt 1996, ist jetzt noch einmal für eine Nummer aus der Medien-Gruft hervorgeklettert und brachte unter anderem eine Geschichte unter dem Motto:

"Rechte Parolen und rechtes Gehabe haben eine große Anziehungskraft. Gerade für die Elite."

Zu diesem Zweck verschickte also die "Tempo"-eigene Deutsche Nationalakademie an die Angehörigen der deutschen Eliten Briefe mit dem Angebot einer Ehrendoktorwürde: "Nur eine Bedingung sollte der künftige Doktor h.c. erfüllen: sich ganz und gar mit den Zielen dieser Akademie identifizieren", schreibt Nils Minkmar in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, weist darauf hin, dass in "Ziele und Programm" ihrer Akademie die "Tempo"-Macher auch einen Satz aus Adolf Hitlers "Mein Kampf" einschmuggelten und zitiert dann aus "Zielen und Programm" der "Nationalakademie":

"Der Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Erforschung deutscher Geschichte, deutscher Kultur und deutscher Nationalökonomie."

Darauf fielen nicht nur der Musikmanager Diether Bohlen, der Frisör Udo Walz und der Architekt Meinhard von Gerkan herein, sondern auch Julian Nida-Rümelin, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Universität München und Kulturstaatsminister a.D. Zwar zog Julian Nida-Rümelin sein Interesse an der Ehrendoktorwürde wieder zurück, weil er die Deutsche Nationalakademie mit Ex-Kanzler Helmut Schmidts "Deutscher Nationalstiftung" verwechselt habe, doch Nils Minkmaar ist gleichwohl erbost:

"Nida-Rümelins Reaktion ist ein Symptom der voranschreitenden Entkopplung akademischer Eliten von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, in der die Demokratie eben nicht wie eine geographische Gegebenheit in der Landschaft liegt, sondern täglich neu aufgestellt werden muss."

Was ansonsten zu "Tempo" und zu seinem Revival gesagt werden muss, sagt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Willi Winkler:

"Nach wie vor klingen die Autoren wie Schülerzeitungsredakteure, die eine Raucherecke für den Schulhof fordern."

Und im TAGESSPIEGEL schreibt Harald Martenstein über den alten und Jetzt-Wieder-"Tempo"-Chefredakteur Markus Peichl:

"Peichl soll früher ganze Storys frei erfunden haben, es waren nicht immer die uninteressantesten."

Der Kulturpressebeschauer vom Dienst kann da aus eigenem Erleben von vor zwanzig Jahren nur hinzufügen: Peichl hat auch schon mal einen Artikel in sein Gegenteil umgeschrieben und bei einem anschließenden Gerichtsverfahren eine falsche eidesstattliche Versicherung abgelegt - das nennt man dann wohl Zeitgeist.

In der Tageszeitung DIE WELT schreibt ein Fachmann über das wiedererstandene "Tempo", Franz Josef Wagner, einst Chefredakteur der Bunten, jetzt Bild-Kolumnist:

"Niemals habe ich etwas Unlebendigeres angefasst, niemals etwas Kälteres, außer einen Otto-Katalog."