Von Klaus Pokatzky

Die "Berliner Zeitung" verteidigt junge Menschen, die lieber Geistes- statt Ingenieurswissenschaften oder Maschinenbau studieren, gegen den Vorwurf im "Spiegel", sie studierten das Falsche. Die NZZ berichtet von Anfeindungen von Schwulen und Lesben in Kopenhagen durch Muslime. Die "Süddeutsche" kündet in einer Buchrezension von der Biederkeit des Punk auf Schweizer Art.
"Wozu ist das Leben da?", fragt die BERLINER ZEITUNG. "Zum Studieren!", antwortet Wolfgang Fuhrmann - und nimmt sich die Titelgeschichte der neuen Ausgabe des Hamburger Magazins Der Spiegel vor, in der nach einer "Umfrage unter 25.000 Hochschulabsolventen" gerätselt wird: "Warum so viele das Falsche studieren". "Zu viele Abiturienten, heißt es da", so schreibt Wolfgang Fuhrmann, "studieren am Arbeitsmarkt vorbei. Statt Wirtschaftsingenieur mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von 3227 Euro werden sie lieber Historiker mit anfangs 1731 Euro - falls überhaupt". Doch Wolfgang Fuhrmann, der uns leider nicht verrät, ob und wenn ja, was er denn studiert hat, zählt die Vorzüge des schöngeistigen akademischen Lumpenproletariats gegenüber den hart büffelnden Natur- und Wirtschaftswissenschaftlern auf:

"Es hat sich für sieben Jahre in den Zauberberg begeben, Eichendorffs 'Aus dem Leben eines Taugenichts' oder Millöckers 'Bettelstudent' analysiert, es hat sich an der Theorie sozialer Systeme, der Grammatologie, vorsokratischen Kosmologievorstellungen und anderem köstlichen und völlig nutzlosen Wissen gelabt. Daneben blieb noch genug Zeit für Partys. Vielleicht studiert man so am Arbeitsmarkt vorbei - aber sicher nicht am Leben."

Bei manchen Studiengängen weiß man ja vorher auch überhaupt nicht, zu welchen schönen Hoffnungen sie berechtigen können. Wer hätte denn vor zwanzig Jahren gedacht, dass eines Tages Islamwissenschaftler so schwer in Mode kommen würden?

"In den skandinavischen Ländern wird ein Kulturkampf ausgetragen", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG auf die Frage "Wie vereinbar sind Islam und westliche Kultur?" Aldo Keel nennt unter anderem ein Beispiel, bei dem westlich-libertäre Lebensphilosophie und orthodox-islamische Sexualitätsfeindschaft gewiss nicht vereinbar sind - wenn dänische Schwule und Lesben etwa durch ein von Muslimen dominiertes Stadtviertel in ihrer Hauptstadt ziehen wollen:

"Die Route der jährlichen Schwulenparade musste verlegt werden, und der Kopenhagener Imam Ahmed Akkari erklärte sich mit Bezug auf die Scharia mit der Todesstrafe für praktizierte Homosexualität einverstanden. In Oslo wiederum wurden in letzter Zeit wiederholt Homosexuelle von muslimischen Halbwüchsigen überfallen, was eine Debatte unter intellektuellen Muslimen auslöste."

Da wird manch einer sofort auf den Vatikan verweisen, der ja nun auch nicht unbedingt ein Hort der Schwulentoleranz ist.

"Das interessiert mich nicht, weil ich die kirchliche Position dazu absurd finde. Da berufe ich mich auf das klassische Institut des Gewissens", sagt sehr bestimmt im Interview mit dem Berliner TAGESSPIEGEL der katholische Schriftsteller und Büchner-Preisträger Arnold Stadler:

"Die letzte Instanz ist das Gewissen, nicht der Papst. Und was bitte ist homosexuell? Das ist ein technisches Wort, fast schon wie aus der Tiermedizin. Es stammt aus dem sexualfeindlichen 19. Jahrhundert. Dass in meinen Büchern Männer vorkommen, die katholisch sind und sich lieben, ist nur lebensnah. Die katholische Kirche ist traditionell überhaupt nicht sexualfeindlich."

Arnold Stadler ist übrigens gerade vom Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität Berlin die Ehrendoktorwürde verliehen worden.

"Manche Geschichten kommen ganz bieder daher."

Das lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu einem Buch über Punk in der Schweiz 1976-1980. Felix Denk erinnert in seiner Rezension an ein Punk-Geschwisterpaar:

"Die Maeschi-Brüder aus Biel beispielsweise: Nach einer durchzechten Nacht zertrampelten die ein Blech voller 'Gipfeli' in der Bäckerei des Vaters."

"Gipfeli" sind Hörnchen, auf österreichisch: Kipferl - also das, was die Franzosen Croissants nennen. Felix Denk über das brüderliche Punker-Paar:

"Zur Strafe mussten sie die Croissants am nächsten Tag aufessen."

Das ist wahrer Punk; das ist die Schweiz, wie wir sie lieben - wo sogar väterliche Bäckereibesitzer einen kleinen Sado-Anarcho in sich schlummern haben.