Von Klaus Pokatzky
Der "Tagesspiegel" bietet eine "kleine Geschichte des politischen Mordes". Außerdem in den Feuilletons: Die Papst-Reise in die Türkei und die "Verrohung der Sprachkultur in der CDU".
"Nora, worüber haben Sie sich in den Medien in der vergangenen Woche am meisten geärgert?" Das fragt der Berliner TAGESSPIEGEL in seiner Sonntagsausgabe für seine wöchentliche Medienkolumne "Zu meinem Ärger" Nora. Und Nora antwortet: "Mich regen unbeschlüpferte Popstars/It-Girls tierisch auf. Und erst recht dann, wenn ich auch noch Bilder von eben diesen in jeder Zeitung oder Klatschsendung regelrecht unter die Nase gerieben bekomme." Wir wissen erstens nicht, was It-Girls sind; wir wissen zweitens auch nicht, wer Nora ist. Der TAGESSPIEGEL klärt uns soweit auf: "Nora, 22, moderiert zusammen mit Basty wochentäglich ‚von Sex bis 10’ beim Radiosender ‚Kiss FM’." Drittens wissen wir auch nicht, wer Basty ist – und viertens wollen wir das auch gar nicht wissen, sondern hoffen inständig darauf, dass am nächsten Sonntag in dieser ansonsten recht lesenswerten TAGESSPIEGEL-Kolumne wieder einer jener gewohnten Zeitgenossen auftaucht, der nicht nur einen vollständigen Namen, sondern auch Intelligentes zu den Medien der zurückliegenden Woche zu bieten hat.
"Sie halten in solchen Fällen meistens diskret den Mund." Das steht in einem anderen Artikel des sonntäglichen TAGESSPIEGELs.
"Mordenden Machthabern müsste man eine Wahrheitsdroge einflößen, um ihre Erklärung dafür zu hören, weshalb sie einen Zeitgenossen von gedungenen Killern meucheln lassen."
Die sehr kluge Caroline Fetscher liefert eine "kleine Geschichte des politischen Mordes" – aus aktuellem Anlass: den grausamen Tod des russischen Exilanten Alexander Litwinenko in London, nur wenige Wochen nach den tödlichen Schüssen auf die Putin-kritische Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau. "Das ‚Beseitigen’ Litwinenkos nun enthält, nach Politkowskaja, eine zusätzliche Botschaft: Keiner kann entkommen", schreibt Caroline Fetscher:
"Nicht allein zu Hause in Russland wird der politische Gegner aufgespürt und zur Strecke gebracht, sondern auch im Zentrum einer westlichen Großstadt wie London."
Es gibt auch die Stufe darunter im Reich des lupenreinen Demokraten Wladimir Putin. "Ich wurde zweimal zur Einschüchterung ins Gefängnis geworfen. Zweimal bedrohten und verprügelten mich Unbekannte", erklärt in einer Umfrage der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG die russische Schriftstellerin Alina Wituchnowskaja. "Letztlich passt für mein Land nicht eine einzige der bekannten Regierungsformen", meinte in der Tageszeitung DIE WELT der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew:
"Das Land ist vom demokratischen Weg abgekommen, es läuft im Kreis. In diesem Kreis lauert eine ganze Ansammlung von Schrecken."
Die zurückliegende Woche hatte aber auch durchaus Angenehmes aus der internationalen Welt der Politik zu melden. "Leise und in demütiger Körperhaltung bewegt sich Benedikt über das Minenfeld", meinte in der WELT der deutsch-türkische Schriftsteller Zafer Senocak über die Türkeireise von Papst Benedikt XVI., die nach der berühmten Regensburger Rede des Papstes "unter erschwerten Bedingungen" über die Bühne ging, wie die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in schwyzerischem Understatement formulierte. Doch dann? "Der Papst und der türkische Ministerpräsident, wahrscheinlich zwei Männer, die mehr verbindet als trennt, sitzen unter einem überdimensionalen Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, fast wie Vater und Sohn", wunderte sich nicht nur Zafer Senocak. Fast könnten wir alten Katholiken anfangen, hier mal sehr jesuitisch zu denken und zu fragen: cui bono? Hat etwa die Regensburger Rede dem Papst bei seinem Türkeibesuch am Ende mehr genutzt als geschadet? Jedenfalls hat sie der Reise von vornherein ein noch größeres Interesse beschert als sie es ohnehin gehabt hätte – und der Papst, der stilsicher auf einmal alles richtig machte, bis hin zur Verneigung gen Mekka, hatte nicht nur wiedergutgemacht, sondern auch reichlich islamische Pluspunkte gewonnen.
"Der Versuch, die EU über gemeinsame kulturelle Herkunft, über christlichabendländische Werte zu definieren, muss scheitern", schrieb zu einer möglichen Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union der Soziologe Ulrich Beck in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – eine Mitgliedschaft, für die Benedikt XVI. ja dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan die Sympathie bekundet haben soll, vom Vater zum Sohne sozusagen. "Die Verbindung der EU und der Türkei beruht" laut Ulrich Beck in der SÜDDEUTSCHEN "auf einem grenzenübergreifenden Länderpakt: demokratische Modernisierung und Stabilität gegen den Aufstieg in die EU". Einer Europäischen Union, die als Antwort auf den Horror des 20. Jahrhunderts entstanden sei – mit zwei Weltkriegen, Holocaust und stalinistischem Terror – und die "das europäische Wunder" gebracht habe: "wie aus Feinden Nachbarn werden". Ulrich Beck:
"Vielleicht ist das der Grund, warum der Papst, der die weltgeschichtliche Bedeutung des Ausgleichs von Christen und Muslimen erkannt hat, für das Versprechen einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft und damit für die heutige Selbsteuropäisierung der Türkei plädiert."
Mit dem Horror des 20. Jahrhunderts geht hierzulande bekanntlich manch einer recht seltsam um. Im TAGESSPIEGEL vom Sonntag schreibt Frank Jansen" über die Verrohung der Sprachkultur in der CDU" – und meint damit den sächsischen Bundestagsabgeordneten der CDU Henry Nitzsche, dessen sommerliche Rede vom deutschen "Schuldkult" nun in die Zeitungsspalten geriet – was sie auch wert ist und ihm eine Mitgliedseinladung der NPD einbrachte: "Zumal Nitzsche die bräunliche Färbung noch verstärkte, als er in derselben Rede über ‚Multikultischwuchteln in Berlin’ schwadronierte", wie Frank Jansen schreibt. Mit den "Multikultischwuchteln in Berlin" waren aber offenbar nicht die Mannen um den bekennenden Homosexuellen Ernst Röhm gemeint, der als Hitlers SA-Chef fungierte, bis Hitler ihn ermorden ließ – und der immerhin auch mal der bolivianischen Armee gedient hatte. Frank Jansen im TAGESSPIEGEL:
"Diese ressentimentgeladene Gossensprache ist eines Bundestagsabgeordneten nicht würdig, welcher Fraktion er auch angehört."
"Sie halten in solchen Fällen meistens diskret den Mund." Das steht in einem anderen Artikel des sonntäglichen TAGESSPIEGELs.
"Mordenden Machthabern müsste man eine Wahrheitsdroge einflößen, um ihre Erklärung dafür zu hören, weshalb sie einen Zeitgenossen von gedungenen Killern meucheln lassen."
Die sehr kluge Caroline Fetscher liefert eine "kleine Geschichte des politischen Mordes" – aus aktuellem Anlass: den grausamen Tod des russischen Exilanten Alexander Litwinenko in London, nur wenige Wochen nach den tödlichen Schüssen auf die Putin-kritische Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau. "Das ‚Beseitigen’ Litwinenkos nun enthält, nach Politkowskaja, eine zusätzliche Botschaft: Keiner kann entkommen", schreibt Caroline Fetscher:
"Nicht allein zu Hause in Russland wird der politische Gegner aufgespürt und zur Strecke gebracht, sondern auch im Zentrum einer westlichen Großstadt wie London."
Es gibt auch die Stufe darunter im Reich des lupenreinen Demokraten Wladimir Putin. "Ich wurde zweimal zur Einschüchterung ins Gefängnis geworfen. Zweimal bedrohten und verprügelten mich Unbekannte", erklärt in einer Umfrage der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG die russische Schriftstellerin Alina Wituchnowskaja. "Letztlich passt für mein Land nicht eine einzige der bekannten Regierungsformen", meinte in der Tageszeitung DIE WELT der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew:
"Das Land ist vom demokratischen Weg abgekommen, es läuft im Kreis. In diesem Kreis lauert eine ganze Ansammlung von Schrecken."
Die zurückliegende Woche hatte aber auch durchaus Angenehmes aus der internationalen Welt der Politik zu melden. "Leise und in demütiger Körperhaltung bewegt sich Benedikt über das Minenfeld", meinte in der WELT der deutsch-türkische Schriftsteller Zafer Senocak über die Türkeireise von Papst Benedikt XVI., die nach der berühmten Regensburger Rede des Papstes "unter erschwerten Bedingungen" über die Bühne ging, wie die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in schwyzerischem Understatement formulierte. Doch dann? "Der Papst und der türkische Ministerpräsident, wahrscheinlich zwei Männer, die mehr verbindet als trennt, sitzen unter einem überdimensionalen Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, fast wie Vater und Sohn", wunderte sich nicht nur Zafer Senocak. Fast könnten wir alten Katholiken anfangen, hier mal sehr jesuitisch zu denken und zu fragen: cui bono? Hat etwa die Regensburger Rede dem Papst bei seinem Türkeibesuch am Ende mehr genutzt als geschadet? Jedenfalls hat sie der Reise von vornherein ein noch größeres Interesse beschert als sie es ohnehin gehabt hätte – und der Papst, der stilsicher auf einmal alles richtig machte, bis hin zur Verneigung gen Mekka, hatte nicht nur wiedergutgemacht, sondern auch reichlich islamische Pluspunkte gewonnen.
"Der Versuch, die EU über gemeinsame kulturelle Herkunft, über christlichabendländische Werte zu definieren, muss scheitern", schrieb zu einer möglichen Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union der Soziologe Ulrich Beck in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – eine Mitgliedschaft, für die Benedikt XVI. ja dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan die Sympathie bekundet haben soll, vom Vater zum Sohne sozusagen. "Die Verbindung der EU und der Türkei beruht" laut Ulrich Beck in der SÜDDEUTSCHEN "auf einem grenzenübergreifenden Länderpakt: demokratische Modernisierung und Stabilität gegen den Aufstieg in die EU". Einer Europäischen Union, die als Antwort auf den Horror des 20. Jahrhunderts entstanden sei – mit zwei Weltkriegen, Holocaust und stalinistischem Terror – und die "das europäische Wunder" gebracht habe: "wie aus Feinden Nachbarn werden". Ulrich Beck:
"Vielleicht ist das der Grund, warum der Papst, der die weltgeschichtliche Bedeutung des Ausgleichs von Christen und Muslimen erkannt hat, für das Versprechen einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft und damit für die heutige Selbsteuropäisierung der Türkei plädiert."
Mit dem Horror des 20. Jahrhunderts geht hierzulande bekanntlich manch einer recht seltsam um. Im TAGESSPIEGEL vom Sonntag schreibt Frank Jansen" über die Verrohung der Sprachkultur in der CDU" – und meint damit den sächsischen Bundestagsabgeordneten der CDU Henry Nitzsche, dessen sommerliche Rede vom deutschen "Schuldkult" nun in die Zeitungsspalten geriet – was sie auch wert ist und ihm eine Mitgliedseinladung der NPD einbrachte: "Zumal Nitzsche die bräunliche Färbung noch verstärkte, als er in derselben Rede über ‚Multikultischwuchteln in Berlin’ schwadronierte", wie Frank Jansen schreibt. Mit den "Multikultischwuchteln in Berlin" waren aber offenbar nicht die Mannen um den bekennenden Homosexuellen Ernst Röhm gemeint, der als Hitlers SA-Chef fungierte, bis Hitler ihn ermorden ließ – und der immerhin auch mal der bolivianischen Armee gedient hatte. Frank Jansen im TAGESSPIEGEL:
"Diese ressentimentgeladene Gossensprache ist eines Bundestagsabgeordneten nicht würdig, welcher Fraktion er auch angehört."