Von Klaus Pokatzky

"Sprachmüll" stellt der Autor in den Mittelpunkt der Presseschau, als Beispiele dienen ihm unter anderem die Berichterstattung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" über die Frankfurter Buchmesse.
"Was haben die Messebesucher Horst Köhler, Karl Dall, Heiner Geißler und Udo Lindenberg gemeinsam?"

Das fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG von der Frankfurter Buchmesse.

"Sie sind kaufkräftig, sie sind älter, und sie sind ‚buchaffin’."

Da greifen wir erst einmal zum Duden und gucken, was affin überhaupt heißt – es heißt: verwandt.

"Dieses neue, sich wie ein Flächenbrand ausbreitende Adjektiv zählt zu den heimlichen Stars der Messe," klärt uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE aus einer Welt auf, in der der Sprachmüll offenbar immer modischer wird.

"Seit ein paar Jahren geistert es erst durchs Marketinggebälk, aber schon hört man es immer öfter auch aus dem Mund von vormals als vernunftbegabt eingeschätzten Zeitgenossen."

Solche vernunftbegabten Zeitgenossen kennen wir auch aus Funk und Fernsehen. Unser vernunftbegabtester Zeitgenosse auf diesem Gebiet heißt Wolfgang Tiefensee und ist Bundesverkehrsminister. Der sagte neulich im Zusammenhang mit einem Verkehrsprojekt wörtlich: "Der Bund hat sich committed seit längerer Zeit schon mit einem ganz namhaften Betrag".

Damit wollte er wohl sagen, dass sich die Bundesregierung mit einem namhaften Betrag verpflichtet hat. Das Wort to commit folgt im englischen Wörterbuch übrigens ziemlich schnell nach dem Wort commiseration – und das heißt Mitleid. So wie affin im Wörterbuch ziemlich schnell nach Affe kommt.
"Nichts aber beweist den Besucherschwund deutlicher wie das Vordringen des Paarlaufs."

Diesen Beitrag zur Sprechverhunzung entnehmen wir einem Buchmessen-Bericht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – und empfehlen dieser ganz dringend eine Buchaffinität zum Duden: Stichwort Komparativ. Das kommt ziemlich schnell hinter Kommunikation.

"In einem Bericht der anglikanischen Kirche wird vor der Verwendung von Begriffen wie ‚Gottvater’ und ‚unser Herr’ gewarnt, weil sie Männer zur Gewalttätigkeit gegenüber Frauen ermutigen könnten."

Das erfahren wir ebenfalls aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.

"Auch das traditionelle Ehegelübde wird in Frage gestellt. Während der Mann gelobt, seine Frau zu lieben und ehren, verspricht die Frau, den Gatten zu lieben und ehren und ihm zu gehorchen."

Gina Thomas berichtet aus London über den anglikanischen Bericht mit dem Titel: "Eine Antwort auf die häusliche Gewalt - Richtlinien für die pastorale Verantwortung". Je besser in den Familien kommuniziert wird, desto seltener kommt es natürlich zu häuslicher Gewalt und da freuen wir uns, dass den anglikanischen Geistlichen und Geistlichinnen nun mit dem immerhin vom Erzbischof von Canterbury, dem geistlichen Oberhaupt der Kirche von England, gutgeheißenen Bericht endlich eine Handlungsanweisung gegeben wird, zu der sie sich commiten können:

"Er empfiehlt Geistlichen bei der Vorbereitung von Paaren auf die Ehe die Gleichwertigkeit von Männern und Frauen hervorzuheben und darauf hinzuweisen, dass der Begriff ‚gehorchen’ eine veraltete Vorstellung der männlichen Vorherrschaft festige."

Die Tageszeitung DIE WELT druckt einen Artikel des "Vice President European Operations von Google" ab. Diese Bezeichnung steht so unter dem Artikel und wir wörterbuchaffinen Zeitgenossen, die hin und wieder doch noch die deutsche Sprache recht gern haben, würden das mit Vizepräsident für das Europäische Geschäft übersetzen.

"Lesen und Schreiben ist kein Luxus, sondern stellt vielmehr ein Menschenrecht dar," schreibt Nikesh Arora von Google jedenfalls in seinem WELT-Artikel und stellt sein neues Internet- Portal www.google.de/literacy vor – hier kapitulieren wir und versuchen erst gar keine Übersetzung.

"Es soll als offene Plattform für Alphabetisierungskampagnen weltweit dienen," lesen wir und erfahren etwa "vom britischen National Literacy Trust and Booktrust, der Autoren und Geschichtenerzähler in Schulen entsendet" oder vom "deutschen Bundesverband Alphabetisierung, der Tagesunterricht in Lesen und Schreiben für arbeitslose Jugendliche anbietet."
Diese Internet-Initiative gefällt uns sehr, der fühlen auch wir uns ganz affin committed.