Von Klaus Pokatzky

Die Feuilletons würdigen die russische Journalistin Anna Politkowskajas, die am Wochenende ermordet wurde, und beklagen die Einschränkung der Pressefreiheit in Russland. Auch die beiden in Afghanistan getöteten deutschen Journalisten beschäftigen die Feuilletons. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ehrt sie für ihre "Pionierleistungen beim Wiederaufbau eines funktionierenden Mediensystems in Afghanistan".
"Sie war die härteste journalistische Kritikerin der Kremlpolitik und zugleich die verletzlichste."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG würdigt unsere russische Kollegin Anna Politkowskaja, die am Samstagnachmittag in Moskau durch vier Pistolenschüsse getötet wurde. "Am Sonntag mittag sammelten sich auf dem Moskauer Puschkinplatz um die tausend Menschen, um Anna Politkowskajas zu gedenken," schreibt Kerstin Holm aus Moskau:

"Den ganzen Morgen hatten in der nahe gelegenen Cosmas-und-Damian-Kirche an der Twerskaja-Straße, dem Gotteshaus der aufgeklärten Intelligenz, die Glocken geläutet. Der liberale Priester Georgi Tschistjakow feierte eine Totenmesse."

Anna Politkowskaja - für ihren journalistischen Mut mit zahlreichen Preisen im Westen wie in ihrem Heimatland ausgezeichnet – schrieb, so Kerstin Holm, "über die Bestialitäten, die in Tschetschenien sowohl von russischen Sicherheitskräften wie von tschetschenischen Einheiten verübt wurden. Damit machte sie sich dem inneren Kreis im Kreml wie dem von Moskau protegierten Regime in Grosnyj verhaßt."

Der Berliner TAGESSPIEGEL nimmt den Journalistenmord zum Anlass für trübe Blicke auf die Pressefreiheit in Russland.

"Mit der Pressefreiheit," schreibt Elke Windisch, "ging und geht es im postkommunistischen Russland langsam aber stetig bergab."

Bei der Medienfreiheit seien die Unterschiede zwischen kommunistischer Kommandowirtschaft und kapitalistischer Demokratie zuweilen nur an Nuancen auszumachen - die Schere im Kopf gehöre zu den Standardinstrumenten russischer Medien:

"Vor allem dann, wenn Sender oder Zeitungen staatsnahen Konzernen wie Gasprom gehören."

Da sitzen wir und fragen uns, was können wir im freien Deutschland für unsere russischen Kollegen tun – und dann lesen wir bei Elke Windisch über Gasprom:

"Die Media-Holding des Giganten, die inzwischen fast drei Dutzend Medien – darunter nahezu alle überregionalen – kontrolliert, nimmt zudem über Mittelsmänner direkt Einfluss auf die Inhalte."

Was bei Elke Windisch dann über Gasprom nicht mehr zu lesen ist, entnehmen wir der Sportberichterstattung der Agenturen vom Wochenende; Gasprom soll neuer Hauptsponsor des Bundesligisten FC Schalke 04 werden. Die E.ON-Tochter Ruhrgas hält als größter ausländischer Aktionär direkt und indirekt einen Anteil von 6,43 Prozent an Gasprom. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder leitet den Aufsichtsrat der Gasprom-Tochter Nord Stream. So nah ist uns Gasprom. Und wie nahe ist uns die Pressefreiheit in Russland?

"Wer nach Afghanistan reist, geht ein Risiko ein; ein hohes Risiko," lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN – zwei weitere tote Journalistenkollegen sind zu beklagen, zwei Deutsche: Karen Fischer und Christian Struwe von der Deutschen Welle, getötet nördlich von Kabul "In der Nacht zu Samstag wurden die beiden Journalisten in ihrem Zelt, das sie unweit einer Straße aufgeschlagen hatten, erschossen," schreibt Michael Hanfeld. Wer auch immer ihre Mörder waren – ob unbekannte Aufständische oder ganz gewöhnliche Kriminelle – es gilt der Satz des Intendanten der Deutschen Welle, Erik Bettermann, den die FRANKFURTER ALLGEMEINE zitiert:

"Karen Fischer und Christian Struwe haben Pionierleistungen beim Wiederaufbau eines funktionierenden Mediensystems in Afghanistan vollbracht."

Karen Fischer berichtete für die Deutsche Welle, den Auslandssender der Bundesrepublik, aus den Krisengebieten des Nahen Ostens, zuletzt aus dem Libanon, ihr Lebensgefährte Christian Struwe betreute als Rundfunktechniker afghanische Journalisten des öffentlich-rechtlichen Senders RTA in Kabul. So wie die Deutsche Welle diesen, hat auch die Bundeswehr in Afghanistan Rundfunksender aufgebaut – die Pressefreiheit in Afghanistan ist uns also nicht völlig fern. Der TAGESSPIEGEL interviewt den "Kriegsreporter" Ralf Finke vom Nachrichtensender N 24, der sich über einen anderen Kollegentypus äußert als Anna Politkowskaja, Karen Fischer und Christian Struwe – die "John-Wayne-Kriegsreporter":

"Die erkennt man an den Cowboystiefeln und an der rauchigen Stimme, mit der sie von ihren Heldentaten erzählen."