Von Klaus Pokatzky

In der "Süddeutschen" äußert sich der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung. Und die "FAZ" berichtet über die Reden bei der Trauerfeier für Joachim Fest, die bisher unbekannte Seiten des Publizisten und Historikers zeigen.
"Der Rat hat sich verständigt, in der nächsten Zeit nicht mit Empfehlungen zu kommen, weil der Markt und die Menschen erst mal beruhigt werden sollen."

Das steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG - ein Zitat des Ratsvorsitzenden Hans Zehetmair. Der Rat ist weise, der Rat will uns jetzt erst mal verschnaufen lassen, wie wir schreiben, der Rat ist der Rat für deutsche Rechtschreibung. Langfristige Aufgabe des Rats sei es, die Entwicklung der deutschen Sprache zu beobachten, gibt die SÜDDEUTSCHE Hans Zehetmair dann noch wieder: Ob und inwieweit Presseorgane die jetzige Fassung der reformierten Orthografie umsetzen werden, bleibe abzuwarten.

Die Presseorgane setzen unsere deutsche Sprache noch ganz anders um. Die Presseorgane machen ihre ganz eigene Sprache.

"Wir müssen die Zielgruppen einladen und sie journalistisch so gut versorgen, dass sie uns irgendeiner usergenerated Website vorziehen."

Das ist auch ein Zitat aus der SÜDDEUTSCHEN – und zwar aus einem Interview mit Bernd Kundrun, dem Vorstandschef des Verlagshauses Gruner + Jahr. "Usergenerated Website" – das dürfte eine von den Benutzern erzeugte Internetseite sein und nicht nur Hans Zehetmair noch im Schlafe peinigen. Die SÜDDEUTSCHE hatte den mediagenerated Verlagschef zum Interview gebeten, weil sich die deutsche Verlagszene neu ordne: Umstrukturierung, Stellenabbau und Sparpakete allerorten. "Nach wie vor ist es Aufgabe der Verlage, nicht abzubauen, sondern umzubauen", sagt Bernd Kundrun in dankenswert verständlichem Deutsch und die 14.000 Mitarbeiter seines Unternehmens, die ja nicht die schlechtesten Hochglanzmagazine hierzulande generieren, müssen sich auf verstärkte Internetpräsenzen ihrer gedruckten Werke einstellen: "Die Werbekunden wollen Angebote, die nicht mehr länger auf nur ein Medium ausgerichtet sind."

Und dann lesen wir noch etwas in diesem Interview, das uns Liebhaber des gedruckten Wortes dann doch recht erfreut und hoffnungsfroh stimmt. In den USA denken einzelne Betreiber großer Websites darüber nach, welche Magazine sie wohl dazu veröffentlichen könnten – um sich sichtbarer zu machen. All diese Strömungen gibt es, das ist ein herrliches Chaos. Man kann sich lustvoll ganz neu erfinden.

Aber bitte nicht die deutsche Sprache, die ist schon chaotisch genug. "Er liebte Scoops." Das lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG – ein Scoop ist ja eine sensationelle Erstmeldung, die ein Medium auf den Weg bringt. Der Scoop-Liebhaber war Joachim Fest, der vor zwei Wochen verstorbene ehemalige Mitherausgeber der FRANKFURTER ALLGEMEINEN, den am Freitag die Stadt Frankfurt mit einer Trauerfeier in der Paulskirche würdigte. "Niemand besaß Fests Atem, seinen weiten Blick, sein nüchternes Urteil", sagte der große Historiker Hagen Schulze über seinen großen Historiker-Kollegen in seiner Trauerrede, bezeichnete sich gar als Festens Schüler und lobte den Lehrmeister, wie er "literarischen Genius mit der Beherrschung des quellenkritischen Handwerks" verbunden habe.

Frank Schirrmacher, der Nachfolger auf dem Sessel des für das Kulturelle zuständigen Mitherausgebers der FRANKFURTER ALLGEMEINEN, steuerte dann den Liebhaber der Scoops bei, so wie wir Jochim Fest noch gar nicht kannten:

"Er konnte sich diebisch an ihnen freuen, er hat selbst einige legendäre auf den Weg gebracht. ‚Weihnachten ohne Fernsehen’ beispielsweise, jenen von Michael Schwarze verfassten, aber von niemand als Satire durchschauten F.A.Z.-Artikel, wonach die Bundesregierung unter Helmut Schmidt beschlossen habe, zur Stärkung des Gemeinschafts- und Familiengefühls Heiligabend und Weihnachten den Sendebetrieb des Fernsehens einzustellen. Den Aufruhr, den das damals auslöste, kann man sich heute nicht mehr vorstellen; es gingen waschkörbeweise Briefe ein, die bis zu Auswanderungs-, Mord-, und Selbstmorddrohungen reichten. Fest löste Debatten aus, die weit über den Radius einer Tageszeitung hinausreichten."

Das war ein hübsch generierter Scoop. Mediagenerated.