Von Klaus Pokatzky

Das dominierende Thema der vergangenen Woche war der Konflikt im Nahen Osten. In der "Berliner Zeitung" kommt der israelische Schriftsteller Abraham B. Jehoschua zu Wort, in der "TAZ" seine libanesische Kollegin Iman Humaidan Junis. Doch auch das heiße Sommerwetter beschäftigt die Kulturjournalisten. Ebenso geht es um die Frage: Wer ist eigentlich Thomas Koschwitz?
"Brot und Bleistifte kommen von Gott", lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG und fluchten gleich: das Wetter auch. "Es herrscht die Hitze", klärt uns im druckfrischen SPIEGEL dessen Kulturchef Matthias Matussek auf, der zu Wagner nach Bayreuth gepilgert ist, und wirklich gut übers Wetter schreiben kann. Vor allem schreibt er dann nicht über Patriotismus:

"Die Hitze knickt Knie, bricht Blicke."

Die Hitze schlägt auch aufs Gemüt und durchwabert Redaktionsstuben – wie die der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"Die Hauptstadt hört künftig in der Früh Thomas Koschwitz. Der 50-Jährige wird als neuer Morgenmoderator beim Berliner Rundfunk vom 1. August an zwischen sechs und zehn Uhr Koschwitz am Morgen präsentieren."

Der in der Hauptstadt lebende und dort Radio hörende Kulturpressebeschauer wird weder in der Früh noch am Mittag oder in der Nacht Thomas Koschwitz hören; und wähnte, da unter der Meldung das Kürzel dpa für die Deutsche Presseagentur stand, hier wieder die berüchtigte Agenturprosa am Werk, die bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit ihr Unwesen treibt.

"Die Hauptstadt hört künftig in der Früh Thomas Koschwitz", stand aber gar nicht bei dpa, sondern da stand diesmal ganz sachlich, wie es auch etwa die Tageszeitung DIE WELT abdruckte:

"Thomas Koschwitz wird neuer Morgenmoderator beim Berliner Rundfunk."

Für solche Fälle hat die SÜDDEUTSCHE ihre Reihe "Eine wahre Geschichte", in der sie sich gern über die anderen Medien lustig macht. Und mit der Folge 162 tat sie das auch in der zurückliegenden Woche, nachdem Sabine Christiansen für ihre im Unterhaltungsprogramm laufende Talkshow für ihre "Verdienste um den politischen Journalismus" geehrt werden soll.

Von einem Verein, der dem Kulturpressebeschauer genauso wenig sagt wie Thomas Koschwitz. "Fachjournalismus jedenfalls war ihr Terrain nicht", glossierte die SÜDDEUTSCHE in ihrer "wahren Geschichte":

"Aber das hindert nun den in Stadt und Land bekannten Deutschen Fachjournalisten-Verband nicht daran, der Talklady den Deutschen Fachjournalisten-Preis zu verleihen."

Da fühlt man sich an die wirkliche politische Journalistin Carola Stern erinnert, die leider vor einem halben Jahr verstarb. Vor zwei Jahren vom Berliner TAGESSPIEGEL befragt, ob sie Christiansen, Illner und Maischberger als ihre Nachfolgerinnen betrachte, erklärter sie nur kühl: Sie wisse nicht, wer die Damen sind. Wer war noch mal Thomas Koschwitz?

Mick Jagger ist eine Woche älter als ich, schrieb in der Tageszeitung TAZ Franz Josef Wagner. Wer Mick Jagger ist, wissen wir alle: Rolling Stone – but, who the hell, is Franz Josef Wagner? "Boulevard-Reporter…Gossen - Goethe" nennt er sich selbst in dem TAZ-Text zum Stones-Konzert im Berliner Olympiastadion und Gossen - Goethe nennen ihn auch gern seine Kritiker, wenn sie in der Bild-Zeitung wieder eine seiner Kolumnen unter dem Titel "Post von Wagner" gelesen haben.

Die politische Richtung dieser Kolumne, wenn sie denn eine hat, ist zwar eher weniger kompatibel mit der der TAZ, aber vielleicht wird es ja jetzt Mode bei hochdotierten Print - Journalisten, ihre Texte nicht im eigenen Blatt zu veröffentlichen.

SPIEGEL-Kulturchef Matthias Matussek musste kürzlich ja auch einen Patriotismus-Text in der WELT Am SONNTAG publizieren, nachdem sich der SPIEGEL geweigert hatte.

"Mit 'You Can't Always' glitt ich im Taxi durch die Berliner Nacht", lesen wir noch bei Franz Josef Wagner in der TAZ: "Richtung Paris Bar, um mich mit Alkohol noch ein bisschen mehr in Stimmung zu bringen." So entstehen Texte – ob für Bild oder die TAZ.

Das Feuilleton-Thema dieser Wochen verbietet jede Witzelei und zu fürchten ist, dass es uns noch länger im Griff halten wird. Israel und der Libanon, Hisbollah und Hamas ziehen sich durch die Kulturseiten wie ein blutroter Faden.

"Im Fall der Hisbollah geht der Krieg nicht um Territorium, sondern allein um das Prinzip der Existenz Israels"

sagte der israelische Schriftsteller Abraham B. Jehoschua im Interview mit der BERLINER ZEITUNG, während seine libanesische Schriftsteller-Kollegin Iman Humaidan Junis in der TAZ sein Land verfluchte:

"Ich glaube, dass unser Feind Israel eine unglaublich herzlose, kalte, blinde Macht ist, die ohne jede Menschlichkeit Gewalt gegen Zivilisten ausübt."

Das Feuilleton spendet uns in diesen Tagen nicht unbedingt intellektuellen Trost, wenn es um den Streitfall Nahost geht.

"Die Hisbollah operiert aus der Mitte von Zivilisten heraus. Ihre Raketen lagert sie in Privathäusern libanesischer Bürger."

sagt der Israeli Abraham B. Jehoschua.

"Hisbollah ist ein Staat im Staate, was soziale Dienste anbelangt."

sagt die Libanesin Iman Humaidan Junis mit Blick auf die Leistungen für die schiitische Minderheit:

"Sie unterstützen rund 700.000 Menschen im Libanon, etwa 28 Prozent der Gesamtbevölkerung."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGS-ZEITUNG spielt publizistische Mittlerin in einem Briefwechsel zwischen Etgar Keret in Israel und seinem libanesischen Freund Samir El-Youssef, der in London lebt, wohin sich nun endlich auch seine Frau und die beiden Töchter retten konnten:

"Nach dreitägiger ungewisser Reise – von Saida nach Beirut, von Beirut nach Zypern und von dort nach London. Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der zwei kriegführende Parteien, Israel und die Hizbullah, massive Angriffe gegeneinander führen, obwohl beiden klar ist, dass sie ihre Ziele nicht verwirklichen können."

Das Feuilleton bemüht sich in diesen Tagen redlich, wenn es um dieses schmerzliche Thema geht.

"Wenn es um Israels Kampf gegen die Hisbollah ging, dann gab es bei aller Kritik (ja, man darf kritisieren!) deutlich weniger ideologisch plumpes "Hau-den-Israeli" als früher."

meint in der Sonntagsausgabe des TAGESSPIEGEL Christian Böhme, der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen".

"Manch einer wagte es sogar, Verständnis für die Situation des jüdischen Staates zu zeigen."