Von Klaus Pokatzky
In den Feuilletons stößt die Auszeichnung von Peter Handke mit dem Heinrich-Heine-Preis auf Kritik. Ein weiteres Thema: der Hamburger Kongresses des Journalisten-"Netzwerks Recherche".
"Die Sucht, sich im Internet zu verewigen, hat endlich einen Namen – Exscribitionismus." Das erfuhren wir aus der Tageszeitung DIE WELT. Exscribitionismus. Denk ich an die virtuelle Welt in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. "Der österreichische Schriftsteller Peter Handke erhält in diesem Jahr für sein Schaffen den mit 50.000 Euro dotierten Heine-Preis der Stadt Düsseldorf." Das meldete unter anderem die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Die Auszeichnung ehrt Persönlichkeiten, deren geistiges Schaffen im Dienste des sozialen und politischen Fortschritts sowie der Völkerverständigung steht." Völkerverständigung? Da müssen wir schon schlucken.
Heinrich Heine, der Aufklärer: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin". " "Handke verfolge in seinem Werk 'eigensinnig wie Heinrich Heine seinen Weg zu einer offenen Wahrheit', begründete die Jury ihren Entscheid", lasen wir noch in der Meldung zum Heine-Preis, der einem Mann verliehen wird, der sich in den letzten Jahren vor allem als Propagandist des serbischen Kriegspotentaten Slobodan Milosevic hervorgetan hatte – als "Beweihräucherer des serbischen Faschismus", wie in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy schrieb. Diesen Artikel schrieb Bernard-Henri Lévy vor der Meldung aus Düsseldorf dagegen, dass die Comedie Francaise ein Handke-Stück aus ihrem Spielplan genommen hatte - nachdem der Schriftsteller bei der Beisetzung Milosevics wieder einmal unrühmliche Schlagzeilen gemacht hatte. Wenn das Stück einmal angesetzt sei, müsse es auch gegeben werden, so Bernard-Henri Lévy – doch: "Man hätte - und das ist die Wahrheit - Handke nicht auf den Spielplan setzen dürfen. Man muß früher bemerken, daß man keine Lust hat, mit einem zusammenzuarbeiten, für den das Leid der Serben größer ist "als jenes der Juden in der Nazizeit"."
"Denk ich an Journalisten in der Nacht" könnte die unendliche Geschichte vom Bundesnachrichtendienst (BND) und seinem libidinösen Verhältnis zur Medienszene überschrieben sein: eine Geschichte von Verrat und Verkaufen – die weniger nach Heine und schon gar nicht nach Handke, sondern fast schon nach Shakespeare schreit. Ein Thema auch des Hamburger Kongresses des Journalisten-"Netzwerks Recherche", von dem Ulrike Simon im TAGESSPIEGEL schrieb: ""Ein verhunztes Bild" gäben Journalisten ab, meinten viele Kongressteilnehmer. Andere beklagten, Journalisten hätten ein "geradezu erotisches Verhältnis zur Krise des eigenen Berufsstands"." Auf jeden Fall haben manche Journalisten auch ein leicht neurotisches Verhältnis zu Fakten. Der BND mutierte im Laufe der letzten Wochen zu einem an Unappetitlichkeit kaum noch zu übertreffenden Organ – gerade auch in einem Hamburger Magazin, das dereinst ein politisches Nachrichtenmagazin war. Auf einen Hinweis warten wir bislang vergebens: Dass der SPIEGEL vor der berühmten Affäre, der er 1962 seinen Namen gab und ohne die seine spätere Bedeutung nicht denkbar wäre, den angeblich geheimnisverräterischen Artikel "bedingt abwehrbereit" einem deutschen Nachrichtendienst vor dem Druck zur Lektüre und zur Überprüfung übergab: dem Bundesnachrichtendienst.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zitierte in ihrem Bericht über die Jahrestagung des "Netzwerks Recherche" abschließend den Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, mit dem "denkwürdigen Satz: "Ein Journalist wirbt nicht, und wer wirbt, ist kein Journalist." Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN: "Gezielt war das in Richtung Reinhold Beckmann und vor allem Johannes B. Kerner, die zuletzt als Werbefiguren von sich reden machten. Über Kerner redet der Fernsehrat des ZDF angeblich Anfang Juni. "
Es gibt viel auszumisten in den Ställen der Medien. Was noch war? Der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte im Deutschlandradio Farbige vor einigen Orten in Ostdeutschland als "No-go-areas" gewarnt - und damit reflexhafte parteiübergreifende Prügel bezogen. "Wir müssen die Gefahr beim Namen nennen", meinte hingegen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN Christian Geyer: "Keine "no-go-areas" konkret bezeichnen zu dürfen, heißt konkret, die Taten nicht mehr zu bezeichnen, derentwegen man sich in bestimmte Gegenden nicht mehr traut. Das erst spielte den Tätern in die Hände."
Die zündende Idee hatte die WELT AM SONNTAG. Sie ließ die 29-jährige Journalistin Hindia Kiflai Monim aus Eritrea antworten, die seit 25 Jahren in Deutschland lebt und in Halle an der Saale arbeitet. "Vor kurzem mußte ich mein Auto in die Werkstatt bringen. Mein Kollege empfahl mir eine Werkstatt etwas außerhalb der Stadt. Weil ich mich nicht auskenne, hat mich ein Freund hingefahren. Zum Autoabholen wird er mich auch wieder hinfahren. Die Werkstatt ist zwar sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Aber: Ich müßte in einer No-go-Area umsteigen." Denk ich an Deutschland in der Nacht…
"Sie können auch anders", lasen wir im TAGESSPIEGEL: "Mit einer Musical-Show kämpfen die Neuköllner Rütli-Schüler gegen Vorurteile." Die Rütli-Schule, bekannt aus Funk und Fernsehen und den Boulevardzeitungen mit den großen Buchstaben sowieso, schien ja vor Wochen fast eine von ausländischen Schülern beherrschte No-go-Area für Berliner Hauptschul-Pädagogen zu sein – und nun stellten Schüler und Lehrer ein Musical-Programm auf die Beine unter dem Titel: ""Rütli tanzt – wir können auch anders"." Angeleitet von den Musikern der "Young Americans", einer Truppe, deren Mitglieder selber gerade dem Schüleralter entwachsen sind: wie Jackie Chan, "in Laos geboren und selbst erst 18 Jahre alt", wie Kaspar Renner im TAGESSPIEGEL berichtete. In 200 deutschen Schulen hat die Truppe schon "Education-Projekte" durchgeführt. Kaspar Renner: "Die Young Americans sind dort zur Stelle, wo Schüler an ihrem Selbstvertrauen zweifeln. Vor kurzem erst haben sie am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt gearbeitet."
Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich noch nicht völlig um den Schlaf gebracht…
Heinrich Heine, der Aufklärer: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin". " "Handke verfolge in seinem Werk 'eigensinnig wie Heinrich Heine seinen Weg zu einer offenen Wahrheit', begründete die Jury ihren Entscheid", lasen wir noch in der Meldung zum Heine-Preis, der einem Mann verliehen wird, der sich in den letzten Jahren vor allem als Propagandist des serbischen Kriegspotentaten Slobodan Milosevic hervorgetan hatte – als "Beweihräucherer des serbischen Faschismus", wie in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy schrieb. Diesen Artikel schrieb Bernard-Henri Lévy vor der Meldung aus Düsseldorf dagegen, dass die Comedie Francaise ein Handke-Stück aus ihrem Spielplan genommen hatte - nachdem der Schriftsteller bei der Beisetzung Milosevics wieder einmal unrühmliche Schlagzeilen gemacht hatte. Wenn das Stück einmal angesetzt sei, müsse es auch gegeben werden, so Bernard-Henri Lévy – doch: "Man hätte - und das ist die Wahrheit - Handke nicht auf den Spielplan setzen dürfen. Man muß früher bemerken, daß man keine Lust hat, mit einem zusammenzuarbeiten, für den das Leid der Serben größer ist "als jenes der Juden in der Nazizeit"."
"Denk ich an Journalisten in der Nacht" könnte die unendliche Geschichte vom Bundesnachrichtendienst (BND) und seinem libidinösen Verhältnis zur Medienszene überschrieben sein: eine Geschichte von Verrat und Verkaufen – die weniger nach Heine und schon gar nicht nach Handke, sondern fast schon nach Shakespeare schreit. Ein Thema auch des Hamburger Kongresses des Journalisten-"Netzwerks Recherche", von dem Ulrike Simon im TAGESSPIEGEL schrieb: ""Ein verhunztes Bild" gäben Journalisten ab, meinten viele Kongressteilnehmer. Andere beklagten, Journalisten hätten ein "geradezu erotisches Verhältnis zur Krise des eigenen Berufsstands"." Auf jeden Fall haben manche Journalisten auch ein leicht neurotisches Verhältnis zu Fakten. Der BND mutierte im Laufe der letzten Wochen zu einem an Unappetitlichkeit kaum noch zu übertreffenden Organ – gerade auch in einem Hamburger Magazin, das dereinst ein politisches Nachrichtenmagazin war. Auf einen Hinweis warten wir bislang vergebens: Dass der SPIEGEL vor der berühmten Affäre, der er 1962 seinen Namen gab und ohne die seine spätere Bedeutung nicht denkbar wäre, den angeblich geheimnisverräterischen Artikel "bedingt abwehrbereit" einem deutschen Nachrichtendienst vor dem Druck zur Lektüre und zur Überprüfung übergab: dem Bundesnachrichtendienst.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zitierte in ihrem Bericht über die Jahrestagung des "Netzwerks Recherche" abschließend den Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, mit dem "denkwürdigen Satz: "Ein Journalist wirbt nicht, und wer wirbt, ist kein Journalist." Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN: "Gezielt war das in Richtung Reinhold Beckmann und vor allem Johannes B. Kerner, die zuletzt als Werbefiguren von sich reden machten. Über Kerner redet der Fernsehrat des ZDF angeblich Anfang Juni. "
Es gibt viel auszumisten in den Ställen der Medien. Was noch war? Der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte im Deutschlandradio Farbige vor einigen Orten in Ostdeutschland als "No-go-areas" gewarnt - und damit reflexhafte parteiübergreifende Prügel bezogen. "Wir müssen die Gefahr beim Namen nennen", meinte hingegen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN Christian Geyer: "Keine "no-go-areas" konkret bezeichnen zu dürfen, heißt konkret, die Taten nicht mehr zu bezeichnen, derentwegen man sich in bestimmte Gegenden nicht mehr traut. Das erst spielte den Tätern in die Hände."
Die zündende Idee hatte die WELT AM SONNTAG. Sie ließ die 29-jährige Journalistin Hindia Kiflai Monim aus Eritrea antworten, die seit 25 Jahren in Deutschland lebt und in Halle an der Saale arbeitet. "Vor kurzem mußte ich mein Auto in die Werkstatt bringen. Mein Kollege empfahl mir eine Werkstatt etwas außerhalb der Stadt. Weil ich mich nicht auskenne, hat mich ein Freund hingefahren. Zum Autoabholen wird er mich auch wieder hinfahren. Die Werkstatt ist zwar sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Aber: Ich müßte in einer No-go-Area umsteigen." Denk ich an Deutschland in der Nacht…
"Sie können auch anders", lasen wir im TAGESSPIEGEL: "Mit einer Musical-Show kämpfen die Neuköllner Rütli-Schüler gegen Vorurteile." Die Rütli-Schule, bekannt aus Funk und Fernsehen und den Boulevardzeitungen mit den großen Buchstaben sowieso, schien ja vor Wochen fast eine von ausländischen Schülern beherrschte No-go-Area für Berliner Hauptschul-Pädagogen zu sein – und nun stellten Schüler und Lehrer ein Musical-Programm auf die Beine unter dem Titel: ""Rütli tanzt – wir können auch anders"." Angeleitet von den Musikern der "Young Americans", einer Truppe, deren Mitglieder selber gerade dem Schüleralter entwachsen sind: wie Jackie Chan, "in Laos geboren und selbst erst 18 Jahre alt", wie Kaspar Renner im TAGESSPIEGEL berichtete. In 200 deutschen Schulen hat die Truppe schon "Education-Projekte" durchgeführt. Kaspar Renner: "Die Young Americans sind dort zur Stelle, wo Schüler an ihrem Selbstvertrauen zweifeln. Vor kurzem erst haben sie am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt gearbeitet."
Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich noch nicht völlig um den Schlaf gebracht…