Von Klaus Pokatzky

Der "Tagesspiegel" schreibt über Loriots Engagement für Berlins Renaissance-Theater. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" diskutiert über die Äußerungen des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble im Zusammenhang mit dem Überfall auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam. Die "Neue Zürcher Zeitung" widmet sich der neuen gesellschaftskritischen Literatur im kapitalistischen „Tigerstaat“ Polen.
Kommen wir gleich zum Positiven – es wird noch negativ genug. "Loriot will Berlins Renaissance-Theater helfen." Das lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL, der eine Meldung der Nachrichtenagentur ddp wiedergab.

"Der 82-Jährige wird bei der Benefiz-Matinee am 30. April zur Erhaltung des Berliner Renaissance-Theaters auftreten, wie das Haus auf seiner Internetseite mitteilte."

Das freut uns Loriot-Fans, nachdem unser Meister doch kürzlich erklärte, er wolle sich vom Bildschirm verabschieden.

"Nur wenige Wochen nach seinem angekündigten Rückzug aus dem Fernsehen wagt sich Vicco von Bülow alias Loriot wieder ins Rampenlicht."

So begann die ddp-Meldung, wörtlich in den TAGESSPIEGEL gehoben. Da regt uns ja schon die Formulierung auf, können wir nur frei nach Frau Hoppenstedt in der Jodelschule sagen: Loriot "wagt sich ins Rampenlicht". Das wagt eine Agentur zu formulieren, und beim TAGESSPIEGEL redigiert das niemand weg. Es ist schon eine Unverschämtheit, was einem so Tag für Tag in den Agenturen geboten wird – frei nach dem Fernsehabend aus Loriot's dramatischen Werken: "Ehe, Politik und andere Katastrophen".

"Ein ungeheuerlicher Fehlgriff, der bei einem Innenminister konsterniert." Mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG müssen wir nun leider aus der Welt Loriots in die der wahren politischen Katastrophen eintauchen.

An diesem Wochenende berichten die Agenturen aus der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam und über mögliche alkoholbedingte Hintergründe jener Bluttat vom Ostersonntag, nach der ein Deutsch-Äthiopier immer noch im Koma liegt. Also kein fremdenfeindlicher Hintergrund, wie ihn die Öffentlichkeit unverzüglich sah und auch die Bundesanwaltschaft nährte, während Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm vor schnellen Schlüssen warnte?

Mit dem Innenminister, dem die FRANKFURTER ALLGEMEINE den "ungeheuerlichen Fehlgriff" attestierte, war allerdings Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gemeint, der nach der Gewalttat von Potsdam erklärt hatte, dass "auch blonde blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten werden, zum Teil sogar von Tätern, die möglicherweise nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben".

"Wolfgang Schäuble sollte seine blauäugige Redefigur zurücknehmen", verlangte Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:

"Sie bestätigt gegen Schäubles Willen das rassistische Sprachmuster, das der Innenminister gerade bekämpfen will." Und: "So gebrauchte er gedankenlos das Vokabular, mit dem rassistische Straftäter ihre Verbrechen rechtfertigen."

Spielen wir jetzt einen Moment den advocatus diaboli – was wäre eigentlich, wenn sich am Ende tatsächlich herausstellte, in Potsdam seien "nur" einige alkoholisierte Personen aneinander geraten, von denen eine (mit schwarzer Hautfarbe) von zwei anderen (mit weißer Hautfarbe) dann so sehr zusammengeschlagen wurde, dass sie sechs Tage danach noch in Lebensgefahr schwebte?

Wäre das Ganze dann keine rassistische Gewalttat mehr, hätten dann am Freitag die besorgten Menschen in Potsdam umsonst demonstriert?

"Ein Land, das eine Tat wie den Gewaltakt von Potsdam landesweit skandalisiert und ächtet, schafft womöglich mehr Vertrauen "im Ausland" als ein Land, das zur Tagesordnung überginge."

Das schrieb Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN – und wir möchten dem nur eines hinzufügen: Es wäre schön, wenn jedes Mal der zivilisierte Bürger protestierend auf die Straße ginge, wenn einer seiner Mitmenschen lebensgefährlich zusammengeschlagen oder gar ermordet wird, egal, welche Augen-, welche Haar, welche Hautfarbe er hat.

"Wenn die ,Polacken‘ da sind, kommt die Crème de la Crème der Szene."

Das ist ein Zitat aus dem TAGESSPIEGEL – aus einem Vorbericht zu einer ARD-Reportage über die Sicherheitsmaßnahmen bei der Fußballweltmeisterschaft.

"Ein anonymisierter, gewaltsuchender Hooligan eines Berliner Bundesligaklubs, hofft auf "interessante" Begegnungen mit den "Polacken": "Wenn die kommen, kommt die Crème de la Crème der Szene","

schreibt Olaf Sundermeyer im TAGESSPIEGEL. Das sind nicht unbedingt die Geld zahlenden Touristen, die unsere Politiker nach der Tat von Potsdam im Hinterkopf haben – während der anonymisierte, gewaltsuchende Hooligan eines Berliner Bundesligaklubs vielleicht ganz ungewollt das Thema hinter dem Thema anspricht: Wie tolerant sind wir gegenüber Gewalt, wie verurteilt unsere Justiz etwa die berühmte Wirtshausschlägerei, wenn überhaupt?

""Für die heutigen Twens in Polen sind Bezeichnungen wie ‚Generation Nichts’ in Umlauf."
Das erfahren wir aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, die sich mit der neuen gesellschaftskritischen Literatur im kapitalistischen "Tigerstaat" Polen beschäftigt. Da die polnische Hooligan-Szene nach dem Urteil des eben zitierten, wenn auch anonymisierten Fachmanns "die Crème de la Crème der Szene" darstellt, nun ein wenig Landeskunde zu unserem östlichen und jungen EU-Nachbarn und seiner "Generation Nichts".

"Die Angehörigen dieser starken Jahrgänge erleben eine Gesellschaft, welche die höchste Arbeitslosenquote und zugleich die längste Wochenarbeitszeit in der EU auf sich vereinigt", schreibt Gerhard Gna in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:

"Den postsozialistisch verwahrlosten öffentlichen Raum beherrschen Shopping-Malls und Supermärkte, an deren Kassen sich Lehrerinnen am Nachmittag zu ihren umgerechnet 300 Euro Monatsgehalt ein Zubrot verdienen."

Wir suchen nach dem versöhnlichen Wort zum Sonntag.

"Wenn Sie mich jetzt fragen, wen ich in Deutschland verehre, dann hätte ich den Loriot genannt."

Das lesen wir im TAGESSPIEGEL – in einem Interview mit dem Schauspieler und Grimme-Preisträger Christoph Maria Herbst:

"Loriot durchzieht mein Leben. Wenn es mir schlecht geht, schaffen Loriot-Filme es sofort, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Mit Freunden kann ich stundenlang nur in Loriot-Zitaten reden."

Wir können nur anfügen: Wir kennen diese Stunden. Sie gehören zu den schönsten.