Von Klaus Pokatzky
Geschichten aus der Medienwelt: von einer Falschmeldung, einem schier unglaublichen Moderatorengehalt und Farbfotos auf der Seite eins der ehrwürdigen "Neuen Zürcher Zeitung".
Eine kleine Geschichte von der Medienfront, eine wahre Geschichte, überschrieb sie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Die Meldung klang vielversprechend: Der "Bund Deutscher Juristen (BDJ) fordere eine Abkehr vom Folterverbot, die "Gewinnung von Aussagen mittels leichter Foltermaßnahmen und die Verwertung solcher Aussagen" seien künftig zu ermöglichen. Das jedenfalls meldete die Nachrichtenagentur AP, Associated Press, um 10.58 Uhr am Neujahrstag – nachdem sie vom "Bund Deutscher Juristen" (BDJ) eine entsprechende E-Mail erhalten hatte. Dabei wurde als BDJ-Vorsitzender ein gewisser Claus Grötz, Strafrichter am Bundesgerichtshof, zitiert. Dumm nur, dass es Richter Grötz ebenso wenig gibt wie einen Bund Deutscher Juristen. Das fiel auch AP auf, allerdings erst eine gute Stunde, nachdem die Folter-Nachricht verbreitet war. Um 12.17 Uhr zog die Agentur den Bericht zurück.
Eine kleine Geschichte von der Medienfront zu Beginn des Jahres 2006 – weil der ominöse "Bund Deutscher Juristen" (BDJ) über eine eigene Homepage im Internet verfügt, war AP schlicht von seiner Existenz ausgegangen. Irgendwann kommt aber sicherlich auch AP noch im dritten Jahrtausend an und bringt eine gut recherchierte Geschichte, wie leicht jedermann sich eine eigene Homepage im weltweiten Internet anlegen kann - unter nahezu jedem denkbaren Fantasienamen. In der Reihe "Eine wahre Geschichte", in der die SÜDDEUTSCHE die Skurrilitäten und Abnormitäten der Medienwelt aufspießt, war dieses übrigens die Folge 154.
Noch eine kleine Geschichte von der Medienfront: Auch eine wahre Geschichte. Der durch seine teilweise schockierenden Sendungen bekannte amerikanische Radio-Talkshow-Moderator Howard Stern kassiert bei seinem neuen Arbeitgeber, der Satelliten-Radio-Firma Sirius SatelliteRadioInc., auf einen Schlag 220 Millionen Dollar (167 Millionen Euro). Das meldete der Berliner TAGESSPIEGEL.
Die dritte Geschichte von der Medienfront: In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ) sind neuerdings auf der Seite eins farbige Fotos zu sehen. Eine Revolution in einem der letzten Horte gegen schnelllebigste Meldungen und die Hysteriker im medialen Gewerbe? Bewährte Qualität in neuem Kleid verspricht unser Lieblingsblatt in seinem 227. Jahrgang: Bei der optischen Neugestaltung ließ sich die Redaktion wie schon am 1. August 1946 (damals wechselte die NZZ von der alten Frakturschrift, die sich indessen weiterhin im Zeitungskopf findet, zur Antiqua) von der Maxime leiten, "die Zeitung für eine nicht auf sensationelle Aufmachung erpichte Leserschaft so ansprechend und übersichtlich wie möglich zu gestalten". Alle 50 Jahre ein neues Zeitungs-Kleid lassen wir uns gerne gefallen.
Bewahrenswertes frisch geliftet, findet auch Bundespräsident Horst Köhler vor, wenn er jetzt am Sonntag ins gründlich sanierte Schloss Bellevue zurückzieht. Die Repräsentationsräume in Bellevue, schrieb Heinrich Wefing in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN zeigen sich unverändert in der Gestalt, die sie beim letzten großen Umbau Mitte der 80er Jahre erhalten hatten, als der Fifties-Look zugunsten einer Dekoration zurückgedrängt wurde, die sich mit filigranem Stuck und neu-alten Leuchtern behutsam der äußeren Gestalt des Schlosses anzunähern versuchte.
Das schreit nahezu nach einer Gegenüberstellung mit einem quasisozialdemokratischen Mehrzweckgebäude, wie die SÜDDEUTSCHE den nun vor der Abrissbirne stehenden Palast der Republik in Berlins Mitte nennt. Es geht absolut nicht um Schönheit oder Hässlichkeit eines Gebäudes, rief Peter Ensikat zum Abschied: Ginge es darum, müsste man den benachbarten Berliner Dom, dessen Schönheit sich in den Geschmacksgrenzen des letzten deutschen Kaisers hält, auf der Stelle mit abreißen. Es ging bei der Stadtschloss-Ruine und geht nun bei dem zur Ruine gemachten Palast wieder um eine Ideologie, die die Spuren der anderen beseitigen möchte. Was mit dem Kaiserschloss als Tragödie begann, setzt sich nun beim Palast als Farce fort.
Reichlich historisch geht es auch zu, wenn unsere Bundeskanzlerin, die aus dem Osten kam, in den Feuilletons gewürdigt wird. Die BERLINER ZEITUNG hörte aus Angela Merkels Neujahrsansprache Polit-Sprüche der untergegangenen DDR heraus. Angela Merkel nutzt noch immer die DDR-Methode, große Politik für kleine Bürger auf die geistige Ebene der Grundschule herunterzubrechen, ein großes Wir-Gefühl zu vermitteln und in Losungen zu formulieren, schrieb Torsten Harmsen. Ganz anders nahm die FRANKFURTER ALLGEMEINE die Kanzlerin wahr. Angela Merkel ist dabei, das Phlegma des protestantischen Pfarrhausmädchens abzustreifen und Staat zu machen, fand Erwin Seitz:
"Manches erinnert an die erste weibliche Regentin hierzulande überhaupt: an die Kaiserin Theophanu. Als ihr Gemahl, Kaiser Otto II., im Jahr 983 starb, übernahm sie die Regierungsgeschäfte, um die Thronfolge für ihr Söhnlein zu sichern."
Auf jeden Fall ist Angela Theophanu Merkel ganz offensichtlich recht lernfähig. Zu Beginn des letzten Bundestagswahlkampfes hatte sie noch erklärt, dem damals noch SPD-Grünen Deutschland ginge es so schlecht, wie es Deutschland noch nie gegangen sei – was historisch gebildete Zeitgenossen, weniger nach Kaiserin Theophanu, sondern eher nach unseligen Zeiten der deutschen Geschichte fragen ließ. Nun zitierte der TAGESSPIEGEL aus ihrer Regierungserklärung: "Frühere Generationen, die vor uns Probleme zu lösen hatten, hatten ungleich größere Probleme." Gemeint sind damit die bundesdeutschen Aufbaugenerationen der Wirtschaftswunderjahre – Christian Schröder setzte sich im TAGESSPIEGEL mit dem jetzt allerorten auf uns einströmenden Remake auseinander: In Fernsehserien, Büchern und in der Politik kehren die 50er Jahre zurück. Von den 50ern lernen heißt fürs dritte Jahrtausend lernen? Christian Schröder:
"In der Luft lag ein Hauch von Aufbruch und Freiheit."
Eine kleine Geschichte von der Medienfront zu Beginn des Jahres 2006 – weil der ominöse "Bund Deutscher Juristen" (BDJ) über eine eigene Homepage im Internet verfügt, war AP schlicht von seiner Existenz ausgegangen. Irgendwann kommt aber sicherlich auch AP noch im dritten Jahrtausend an und bringt eine gut recherchierte Geschichte, wie leicht jedermann sich eine eigene Homepage im weltweiten Internet anlegen kann - unter nahezu jedem denkbaren Fantasienamen. In der Reihe "Eine wahre Geschichte", in der die SÜDDEUTSCHE die Skurrilitäten und Abnormitäten der Medienwelt aufspießt, war dieses übrigens die Folge 154.
Noch eine kleine Geschichte von der Medienfront: Auch eine wahre Geschichte. Der durch seine teilweise schockierenden Sendungen bekannte amerikanische Radio-Talkshow-Moderator Howard Stern kassiert bei seinem neuen Arbeitgeber, der Satelliten-Radio-Firma Sirius SatelliteRadioInc., auf einen Schlag 220 Millionen Dollar (167 Millionen Euro). Das meldete der Berliner TAGESSPIEGEL.
Die dritte Geschichte von der Medienfront: In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ) sind neuerdings auf der Seite eins farbige Fotos zu sehen. Eine Revolution in einem der letzten Horte gegen schnelllebigste Meldungen und die Hysteriker im medialen Gewerbe? Bewährte Qualität in neuem Kleid verspricht unser Lieblingsblatt in seinem 227. Jahrgang: Bei der optischen Neugestaltung ließ sich die Redaktion wie schon am 1. August 1946 (damals wechselte die NZZ von der alten Frakturschrift, die sich indessen weiterhin im Zeitungskopf findet, zur Antiqua) von der Maxime leiten, "die Zeitung für eine nicht auf sensationelle Aufmachung erpichte Leserschaft so ansprechend und übersichtlich wie möglich zu gestalten". Alle 50 Jahre ein neues Zeitungs-Kleid lassen wir uns gerne gefallen.
Bewahrenswertes frisch geliftet, findet auch Bundespräsident Horst Köhler vor, wenn er jetzt am Sonntag ins gründlich sanierte Schloss Bellevue zurückzieht. Die Repräsentationsräume in Bellevue, schrieb Heinrich Wefing in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN zeigen sich unverändert in der Gestalt, die sie beim letzten großen Umbau Mitte der 80er Jahre erhalten hatten, als der Fifties-Look zugunsten einer Dekoration zurückgedrängt wurde, die sich mit filigranem Stuck und neu-alten Leuchtern behutsam der äußeren Gestalt des Schlosses anzunähern versuchte.
Das schreit nahezu nach einer Gegenüberstellung mit einem quasisozialdemokratischen Mehrzweckgebäude, wie die SÜDDEUTSCHE den nun vor der Abrissbirne stehenden Palast der Republik in Berlins Mitte nennt. Es geht absolut nicht um Schönheit oder Hässlichkeit eines Gebäudes, rief Peter Ensikat zum Abschied: Ginge es darum, müsste man den benachbarten Berliner Dom, dessen Schönheit sich in den Geschmacksgrenzen des letzten deutschen Kaisers hält, auf der Stelle mit abreißen. Es ging bei der Stadtschloss-Ruine und geht nun bei dem zur Ruine gemachten Palast wieder um eine Ideologie, die die Spuren der anderen beseitigen möchte. Was mit dem Kaiserschloss als Tragödie begann, setzt sich nun beim Palast als Farce fort.
Reichlich historisch geht es auch zu, wenn unsere Bundeskanzlerin, die aus dem Osten kam, in den Feuilletons gewürdigt wird. Die BERLINER ZEITUNG hörte aus Angela Merkels Neujahrsansprache Polit-Sprüche der untergegangenen DDR heraus. Angela Merkel nutzt noch immer die DDR-Methode, große Politik für kleine Bürger auf die geistige Ebene der Grundschule herunterzubrechen, ein großes Wir-Gefühl zu vermitteln und in Losungen zu formulieren, schrieb Torsten Harmsen. Ganz anders nahm die FRANKFURTER ALLGEMEINE die Kanzlerin wahr. Angela Merkel ist dabei, das Phlegma des protestantischen Pfarrhausmädchens abzustreifen und Staat zu machen, fand Erwin Seitz:
"Manches erinnert an die erste weibliche Regentin hierzulande überhaupt: an die Kaiserin Theophanu. Als ihr Gemahl, Kaiser Otto II., im Jahr 983 starb, übernahm sie die Regierungsgeschäfte, um die Thronfolge für ihr Söhnlein zu sichern."
Auf jeden Fall ist Angela Theophanu Merkel ganz offensichtlich recht lernfähig. Zu Beginn des letzten Bundestagswahlkampfes hatte sie noch erklärt, dem damals noch SPD-Grünen Deutschland ginge es so schlecht, wie es Deutschland noch nie gegangen sei – was historisch gebildete Zeitgenossen, weniger nach Kaiserin Theophanu, sondern eher nach unseligen Zeiten der deutschen Geschichte fragen ließ. Nun zitierte der TAGESSPIEGEL aus ihrer Regierungserklärung: "Frühere Generationen, die vor uns Probleme zu lösen hatten, hatten ungleich größere Probleme." Gemeint sind damit die bundesdeutschen Aufbaugenerationen der Wirtschaftswunderjahre – Christian Schröder setzte sich im TAGESSPIEGEL mit dem jetzt allerorten auf uns einströmenden Remake auseinander: In Fernsehserien, Büchern und in der Politik kehren die 50er Jahre zurück. Von den 50ern lernen heißt fürs dritte Jahrtausend lernen? Christian Schröder:
"In der Luft lag ein Hauch von Aufbruch und Freiheit."