Von Klaus Pokatzky

Roger Boyes, Korrespondent der Londoner "Times", meint, "Sadomaso schlägt sich auch in der Sehnsucht nach einer großen Koalition nieder". Die Frau von DGB-Chef Sommer, Ulrike Sommer, gesteht, sie liebe Deutschland. Und der Historiker Heinrich August Winkler meint, die große Koalition dürfe nicht scheitern.
"Sadomaso schlägt sich auch in der Sehnsucht nach einer großen Koalition nieder. " Hier spricht ein britischer Kollege. "Sadisten wählen die CDU, Masochisten die SPD. " Roger Boyes, Korrespondent der Londoner "Times" in Berlin, hat für die neue Hochglanz-Zeitschrift "Park Avenue" seinen Unmut über "eine neue Dekadenz" in teutonischen Landen zu Protokoll gegeben und das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL zitierte daraus: "halb nackte Männer und Frauen (stellen sich) in die Schlangen des KitKat-Club, um dort ausgepeitscht zu werden".

Wir sind beeindruckt von den Ortskenntnissen unseres britischen Kollegen auch von jenen Lokalitäten, die der Triebbefriedigung des metrosexuellen Singles dienen. In Berlin wie in London. Nur in Berlin gibt es eben jetzt die große Koalition – noch mal: "Sadisten wählen die CDU, Masochisten die SPD. "

Da könnte man frei nach Nietzsche sagen: wenn Du als Weib Bundeskanzler sein willst, vergiss die Peitsche nicht. Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin? "Ich bin sicher, dass sie sich als Bundeskanzler begreift und nicht als Bundeskanzlerin", meinte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG Peter Richter: "Denn da, wo sie herkommt, nannten sich Frauen auch Direktor und nicht Direktorin. "

Auch unser Kollege Peter Richter kommt daher, wo Angela Merkel herkommt – oder Angela? – und wo ja auch der frische SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck herkommt. "Es treten zwei Naturwissenschaftler an, die gegen die Verführung von großen Masterplänen doppelt geimpft sein müssten: durch ihre Wissenschaft und ihre Erfahrungen in der DDR", freute sich im SPIEGEL der Wessi-Schriftsteller Peter Schneider, wie die Ossis jetzt die Wessis verdrängen: "So könnte denn die freiwillig-unfreiwillige Machtübergabe an die Ossis der Beginn einer nachholenden und gelingenden Wiedervereinigung werden. "

Ist’s nur Advent und sind die Federn auch der scharfzüngigsten Intellektuellen von weihnachtlicher Stumpfheit? Nein, der kritische Amerika-Freund, der selbstbewusst-germanische Transatlantiker Peter Schneider, der in Washington und Berlin lebt, profitiert von seinen über den deutschen Tellerrand hinausreichenden US-Erfahrungen und lieferte ein interessantes Argument:

"Eher nolens als volens hat das westdeutsche politische Establishment eingestanden, dass es am Ende seiner Weisheit war. Aus Not und gleichsam hinter seinem eigenen Rücken hat es sich eines amerikanischen Integrationsmodells bedient. Bekanntlich lebt die innovationsfreudigste Gesellschaft des Westens davon, dass sie sich die frischen Energien ihrer Neubürger zunutze macht. Die Erfahrung ist ja, dass die Neubürger "die amerikanischen Werte", die den länger Einheimischen bereits schal geworden sind, mit neuer Verve und Leidenschaft aufladen. "

Angela oder Angela? Wir hören beide Varianten jeden Tag im Radio. Eckhard Fuhr brachte in der Tageszeitung DIE WELT noch die dritte Variante: "Angie legt sich fröhlich ins Geschirr" – und zwar bei ihrer Regierungserklärung am Mittwoch, einem Bekenntnis zu einer Politik der kleinen Schritte, einer Absage an den "großen Wurf, den entscheidenden Ruck".

"Wer erklärt uns Angela Merkel? " Oder Angela oder Angie – auf jeden Fall verwies Caroline Fetscher im Berliner TAGESSPIEGEL darauf, wer der typische Journalist ist, der uns nun Angela, Angela oder Angie beschreiben und erklären soll:

"Im statistischen Durchschnitt ist der deutsche Journalist ein 41 Jahre alter Mann mit Hochschulabschluss. "

Doch Angela, Angela und Angie weiß Rat, wie Caroline Fetscher berichtete:

" "Vier auffallende Damen" als persönliche Gäste der Kanzlerin machte zum Beispiel ein Reporter bei der Wahl im Parlament aus: die Verleger-Witwe Friede Springer, die Moderatorin Sabine Christiansen, die Event-Agentin Isa Gräfin von Hardenberg und die Society-Reporterin Inga Griese. "

Fünf Freundinnen sollt Ihr sein… Fast eine sechste könnte Ulrike Sommer, die Frau des DGB-Vorsitzenden sein, die, als gelernte Journalistin, Krimis über das politische Berlin schreibt. "Sie lebt davon, daß man sie unterschätzt", meinte Ulrike Sommer zu Angela Merkel im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG:

"Es ist nicht meine politische Richtung, aber wie sie ihren eigenen Stil kultiviert, selbst entscheidet, wann sie etwas entscheidet, sich nicht beeindrucken läßt – da kann sich mancher Mann was von abschneiden. "

Wenn Du zum Polit-Männchen gehst, nimm’ die Peitsche mit? Ulrike Sommer:

"Sie setzt spannende Mechanismen in Gang, wenn man zum Beispiel sieht, wie gestandene Männer erklären, sich mit dieser Frau nie wieder vertragen zu können. Wie Männer zu Mimosen werden. "

Und am Ende ihres Interviews sagte die Frau des Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes noch etwas sehr Schönes:

"Ich liebe dieses Land, auch wenn man das unter linksliberal gesinnten Menschen nicht so gerne zugibt. "

Damit kommen wir schließlich zum Historiker, der weitaus öfter Interviews gibt als Ulrike Sommer. "Wir brauchen einen aufgeklärten Patriotismus – also die Bereitschaft, vor der eigenen Geschichte nicht wegzulaufen, sondern Folgerungen für die Zukunft aus ihr zu ziehen", sagte Heinrich August Winkler im Interview mit der STUTTGARTER ZEITUNG. Das hat er so oder ähnlich auch schon in einigen anderen Interviews der letzten Zeit gesagt, etwa im SPIEGEL, aber da Heinrich August Winkler ein fulminantes Werk über die Weimarer Republik verfasst hat, wollen wir ihn doch gerne noch zu den Chancen der neuen Regierungskoalition unter Angela, Angela, Angie hören:

"Wenn diese Koalition scheitern sollte und wenn die verantwortbaren Alternativen dazu sich als nicht realisierbar erweisen, dann befänden wir uns in der Tat in einer gefährlichen Situation, für die das Wort Staatskrise keine Übertreibung wäre. Dann wären Diskussionen über Parallelen zu Weimar begründet. Dahin darf es nicht kommen. "

Nun aber noch: Angela oder Angela? Der Duden sagt: Beides geht. Und Angela, Angela, Angie kommt übrigens vom lateinischen angelus, der Engel. Es weihnachtet sehr.