Von Klaus Pokatzky

In der "Tageszeitung" erzählt der Berliner Prominenten-Friseur Udo Walz, wie oft ihm zum Haarschnitt Angela Merkels gratuliert wird. Die "Berliner Zeitung" spricht mit Norbert Lammert, im "Kompetenz-Team" der Kanzlerkandidatin zuständig für den Kulturbereich, über die neuesten Berliner Träume, das alte Stadtschloss wieder aufzubauen. Und die "Süddeutsche Zeitung" druckt Auszüge aus der am 9. September erscheinenden Autobiographie von Peter Glotz ab.
"In meinen Papieren hatte ich damals immer eine Message: Antworte nie auf die Fragen von Journalisten!" Das sagt im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Günter Struve, heute Programmdirektor der ARD, in den sechziger Jahren Wahlkämpfer für die SPD-Politiker Willy Brandt und Klaus Schütz. Glücklicherweise verstößt Günter Struve gegen seine eigene Maxime vom ehedem und antwortet sehr wohl auf die Fragen von Journalisten: Etwa zur neuen Fernsehvariante der Kandidatin Angela Merkel: "Sie ist nicht nur äußerlich verändert, sondern hat sich auch dem moderaten Ton des Fernsehens angepasst."

Was die äußere Veränderung der Kandidatin angeht, wissen die Leser und Leserinnen der Klatschspalten ja schon lange, dass dahinter ein Mann steht - cherchez l’homme - und der äußert sich in der TAZ. Seit der Berliner Prominenten-Friseur Udo Walz zur Schere und möglicherweise anderem gegriffen hat, dürfen wir Angela Merkel ja nicht mehr als die Frisur, die aus dem Osten kam, bezeichnen: "Jede Woche gratulieren mir zehn Leute dazu, wie ich das hinbekommen habe", freut sich nun also der Meister des Barbierwesens - der übrigens neulich denn auch folgerichtig in die CDU eingetreten ist, obwohl das so folgerichtig auch nicht wieder war, denn Udo Walz findet auch die FDP "hervorragend … Aber die FDP kam nicht auf mich zu. Die CDU war schneller."
So wird in Berlin Politik gemacht und so wurde in Berlin immer schon Politik gemacht - und da lesen vor allem bodenständige Westfalen gerne, wie sich der bodenständige Westfale Norbert Lammert, designierter Kulturstaatsminister in einem frisch gefönten Merkel-Kabinett, im Interview mit der BERLINER ZEITUNG zu den neuesten Berliner Blütenträumen äußert, die nach einer jetzt veröffentlichten "Machbarkeitsstudie" ja schon wieder ihr altes Stadtschloss in den Himmel wachsen wähnen:

"Meine Neigung zum Jubel hält sich in Grenzen, weil ich außer der Machbarkeitsstudie auch die Haushalte des Bundes und des Landes Berlin im Auge habe. Da empfiehlt sich etwas mehr Vorsicht."

Und dann gibt es noch das, was man im Fußballerdeutsch eine Klatsche nennt, aus dem Munde des gebürtigen Bochumers gegen Berliner Größenwahn an sich - und eine kleine Probe trockenen westfälischen Humors:

"Was Berliner Projekte angeht, gibt es eine Serie von so eindrucksvollen Ankündigungen und so schäbigen Realisierungen, dass ich mich aus purer Freundlichkeit jedes Kommentars enthalte."
Zum besonders Lesenwerten in den Samstagsfeuilleton zählt ein monumentaler Beitrag des CDU-Vordenkers und Gesellschaftswissenschaftlers Meinhard Miegel über den "Niedergang des Westens und asiatischen Aufstieg" - und beeindruckenden Zahlen zur Erschütterung unseres westlich-industrialisierten Selbstbewusstseins:

"In den frühindustrialisierten Ländern sieht man nicht, dass jedes Jahr weltweit etwa 63 Millionen Erwerbspersonen neu in den Arbeitsmarkt eintreten, ihn aber nur rund 25 Millionen - zumeist altersbedingt - verlassen."

Und dann gibt es den Abschied von einem anderen Vordenker: von Peter Glotz, dem verstorbenen ehemaligen SPD-Generalsekretär, aus dessen am 9. September erscheinender Autobiographie "Von Heimat zu Heimat. Erinnerungen eines Grenzgängers" die SÜDDEUTSCHE Auszüge druckt und den Nachruf von Heiner Geißler hat verfassen lassen - dem früheren Generalsekretär der CDU und anderen Grenzgänger, Querkopf und intellektuellen Querulanten:

"Ich habe nie erlebt, dass er die Grenzen des Anstandes und der Fairness überschritten hätte. Seine glänzende Rhetorik machte ihn zu einem gefährlichen politischen Gegner."

Das Etikett des "Vordenkers" Peter Glotz ist für Heiner Geißler nicht treffend genug:

"Ich habe ihn eher als einen hochintelligenten aber nachdenklichen Menschen kennen gelernt, der über die vorausschauende fast prophetische Kraft verfügte, das Notwendige für die Zukunft zu erkennen."