Von Klaus Pokatzky

Die "Welt" schreibt über das Jugendwort des Jahres 2009 - das Verb "hartzen". Die "Süddeutsche" klärt uns über die Sprachentwicklung besonders im Fußball auf und die Frankfurter Rundschau sieht in der Schweizer Abstimmung über Minarette auch den Ausdruck einer Identitätskrise.
"Ich hartze, du hartzt, wir hartzen."

Das lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. Die deutsche Sprache hat ein neues, ausgezeichnetes Wort. Hendrik Werner schreibt:

"Das Verb 'hartzen' ist als Jugendwort 2009 ausgezeichnet worden. Es tritt damit die Nachfolge des Begriffs 'Gammelfleischparty' an, der 2008 aufs Sprachtreppchen gehievt wurde."

Mehr als 45.000 Jugendliche hatten im Internet ihre Vorschläge unterbreitet und über eine Shortlist fürs Finale abgestimmt in diesem Wettbewerb, hinter dem im Wesentlichen der Sprachverlag Langenscheidt steht. Frage Nummer Eins, Kollege Hendrik Werner von der WELT, der Mitglied der Jury war, was bitte bedeutet "hartzen" genau?

"Im Jugendjargon steht der Ausdruck 'hartzen' für prekäre Untätigkeit: Als seine Synonyme gelten 'gammeln' und 'sinnlos rumhängen'."

Das Wort gammeln erinnert uns daran, dass wir auch einmal jung waren; und daher noch Frage Nummer Zwei: Wofür steht der Sieger von letzten Jahr – die Gammelfleischparty? Antwort von Hendrik Werner:

"Als Synonym für Feiern von Menschen, die älter als 30 sind."

Danke, das reicht erst einmal und wir wenden uns einem Ausdruck zu, der schon unseren Urahnen geläufig gewesen sein dürfte, in den Zeiten, als es noch kein Jugendwort des Jahres gab: dem Klammerbeutel, mit dem jemand gepudert sein soll, der nicht ganz richtig im Kopf ist.

"Die gängige Erklärung lautet, dass so ein Jemand statt mit der Puderquaste mit dem Beutel für die Wäscheklammern gepudert wurde und diesen Schlägen seinen Dachschaden verdankt."

Diese Erklärung verdanken wir dem Kollegen Hermann Unterstöger, der in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zuverlässig beobachtet, welche Entwicklung unsere Sprache nimmt, die ja stets im Fluss ist – und keineswegs vor sich hingammelt oder harzt. Vor zwei Jahren etwa sagte der Präsident des Deutschen Fußballbundes Theo Zwanziger, dass Deutschland als Ersatzkandidat für die nächste Fußballweltmeisterschaft nicht zur Verfügung stehe, falls Südafrika die nicht hinkriegen sollte:

"Wir wären ja mit dem nassen Handtuch geschlagen, wenn wir versuchen würden, das fantastische Sommermärchen von 2006 zu wiederholen."

Besonders wenig gammelt und harzt die deutsche Sprache offenbar in unserer Fußballwelt. Denn die nächste Steigerung kam von Uli Hoeneß, als er noch Manager von Bayern München war und zu den sogenannten Spielertransfers befragt wurde, den unsere Urahnen mit dem Klammerbeutel noch als Menschenhandel bezeichnet hätten:

"Wir wären doch mit dem Klingelbeutel geschlagen, wenn wir uns jetzt darüber Gedanken machen würden, welche Spieler wir im Winter abgeben sollten."

Hermann Unterstöger in der SÜDDEUTSCHEN:

"Wer immer das sein wird, er ist mit dem Geldbeutel gepudert."

Womit unsere schweizerischen Nachbarn geklammert oder gepudert waren, als sie sich am Sonntag bei ihrer Volksabstimmung für ein Verbot von Minaretten in ihrem schönen Ländlein aussprachen, wussten wir zunächst nicht. "Es geht um die unbewältigte Geschichte seit 1989", klärt uns nun die FRANKFURTER RUNDSCHAU auf, "um die Identitätskrise eines Landes", schreibt Tobi Müller, "das seit zwanzig Jahren eine Kränkung nach der andern hinzunehmen hat".

Und dann zählt er die eidgenössische Leidensgeschichte auf: erst Kommunismus weg, dann die quälende Aufarbeitung der Rolle der Schweiz in der Zeit des Nationalsozialismus, dann die einstige Swissair in deutschen Händen und dann auch noch der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück ante portas auf der Suche nach deutschen Steuerflüchtigen.

"Nichts lieber hasst der Schweizer als den Deutschen, der nicht mehr nur als Tourist anreist, sondern plötzlich auch als Chef."

Tobi Müller zur "Identitätskrise aus Schweizer Sicht":

"Es geht um die Angst vor einer unbestimmten Invasion. Erst Kommunisten, dann Muslime, seit diesem Sommer auch Viren – die Angst vor der Schweinegrippe wurde in der Schweiz um ein Vielfaches stärker geschürt als in Deutschland."

Schweinegrippe wird bestimmt das Wort des Jahres.