Von Klaus Pokatzky

"Was 'gratis' ist, ist keineswegs 'umsonst'", klärt die "Neue Zürcher Zeitung" auf. Sie interviewt außerdem den Schriftsteller Reinhard Jirgl, der mit dem Grimmelshausen-Preis ausgezeichnet wurde. Die "SZ" beschreibt eine Lesung von Günter Grass in einer Justizvollzugsanstalt.
"Was 'gratis' ist, ist keineswegs 'umsonst'."

Darüber klärt uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in ihrer verdienstvollen Sprach-Reihe "Stichwort" auf.

"Das Schlüsselwort heisst gratia mit der doppelten Bedeutung 'Gunst' und 'Dank'", " schreibt Klaus Bartels. " "Es bezeichnet zunächst die Freude, die ein Schenkender mit seiner Gabe dem Beschenkten bereitet, und sodann die Freude, die mit dem Dank des Empfängers auf den Geber zurückfällt."

Danke NEUE ZÜRCHER, wir empfehlen die Lektüre nicht zuletzt in Bayreuth, auf dem Grünen Hügel.

"Die Bayreuther Festspiele zahlen teilweise Hungerlöhne – deshalb ist jetzt die Festspieleröffnung mit 'Tristan und Isolde' vom Streik bedroht."

Das teilt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit und gibt Berechnungen wieder, die die Bayreuther Gewerkschaftssekretärin Barbara Schneider aufgestellt hat.

"Berechne man etwa den Stundenlohn, der manchem freiberuflichen Bühnenschlosser in Bayreuth zuletzt wirklich ausbezahlt worden sei, so komme man auf Löhne unter 4 Euro. Wenn sich das nicht binnen drei Wochen ändere, so werde das Orchester zur Festspieleröffnung im Dunkeln spielen müssen, fehlender Beleuchter wegen."

Da graust es dem Opernfreund und er greift zur NEUEN ZÜRCHER, in der Klaus Bartels offenbar auch die Wagner-Währung beschrieben hat, in der die beiden neuen Leiterinnen der Bayreuther Festspiele Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier ihre Beleuchter und Kulissenschieber entlohnen.

"Man zahlt vielmehr in der ältesten und menschlichsten Währung, in der ein freundliches Wort die grosse, ein freundlicher Blick die kleine Münze ist: mit dem Ausdruck der Freude, mit einem herzlichen Dank."

Ebenfalls in der NEUEN ZÜRCHER klärt uns der Schriftsteller Reinhard Jirgl über seine Schriftstellerei auf. "Der Stoff bestimmt den Stil und die Sprache!", wird da der große Alfred Döblin zitiert, der so geschrieben hat, dass er auch zu verstehen war.

"Sein bewusst literarisches Bekenntnis", schreibt dann Reinhard Jirgl, "formuliert der Schriftsteller erst durch die Wahl seiner Schreibweise. Den alphanumerischen Code, die Interpunktion und Orthographie dem konventionellen Regelwerk nicht unreflektiert zu entnehmen, sondern diese Grundelemente als variablen, dem jeweiligen Kontext angemessenen Sinnträger zu gestalten, gibt dem Material eine wesentliche Bestimmungsgrösse für den Text."

Heiliger Alfred, verhilf dem Kollegen mal zu einer flotten Feder, können wir da nur seufzen – oder die redaktionelle Anmerkung der NEUEN ZÜRCHER studieren:

"Zu Jirgls literarischen Eigenheiten zählt ein sehr freier, expressiver Umgang mit Orthographie und Interpunktion."

Und ein gestörtes Verhältnis zur leichten Sprache.

"Schriftsteller leben von Beschädigungen, von Krisen."

So zitiert die SÜDDEUTSCHE Günter Grass, der in Berlin vor ausgesuchtestem Publikum gelesen hat – nämlich vor 200 Insassen der Justizvollzugsanstalt Tegel:

" "Langhaarige, Glatzköpfige, Stiernackige, Tätowierte, Araber, Deutsche, Alte, Nie-jung-Gewesene",

hat Georg Diez beobachtet und die Diskussion akribisch protokolliert.

" "Er will Wahlkampf im Osten machen, sagt Grass noch, er bezeichnet Schreiben als 'wunderbare Einsamkeit' und wird kurz mit Günter Wallraff verwechselt. 'Sie waren doch mal bei Siemens und haben sich als Inder ausgegeben und haben dann darüber geschrieben', sagt ein Häftling und Grass darauf: 'Ich war einmal in Indien, das ist richtig.' Nächste Frage: 'Wollen Sie nicht als Häftling nach Tegel kommen und dann darüber schreiben?' Günter Grass: 'Da müsste ich erst überlegen, für was sie mich hier einsperren könnten.' So heiter kanns im Knast zugehen – auf jeden Fall protokolliert Georg Diez am Ende: Standing Ovation. Und: Der Gefängnispfarrer steht zufrieden daneben, er hat beide Hände verbunden, ein Motorradunfall. 'Der liebe Gott', sagt er, 'hat einen komischen Humor.'

Der liebe Gott hat auch viel Grazie.