Von Klaus Pokatzky

Das Bücherregal stirbt aus, heißt es in der "Süddeutschen Zeitung". Die "Frankfurter Rundschau" berichtet, dass die Internet-Fan-Gemeinde von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier trotz des bevorstehenden Wahlkampfs noch sehr überschaubar ist. Und die "FAZ" findet die RTL-Serie "Erwachsen auf Probe" zum Davonlaufen.
"Aus Billy, dem Regal, wurde Benno, der Turm."

Das steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – und zwar nicht über den Kinderfernsehkanal KI.KA, in dem es auch noch Bernd, das Brot gibt, sondern über unser Lieblingsmöbel, und das ist definitiv nicht der Fernseher.

"Das Buchregal stirbt aus – noch bevor die E-Books in unserem Leben eine massentaugliche Rolle spielen, die keine Regale mehr benötigen, sondern nur den großen Speicher des Internet."

So lautet die Trauerbotschaft, die Gerhard Matzig verkündet von einem schleichenden Tod, zu dem auch gehört, dass offenbar in manchen Kreisen schon lange die VHS-Kassetten die Bücher aus den IKEA-Regalen verdrängt haben – und: "sogar Billy, das millionenfach verkaufte Globalmöbel, wird inzwischen mit Glastüren oder in der Kombination mit einem DVD-Turm angeboten". Und das ist eben Benno, der Turm. Er hat laut Gerhard Matzig auch das Weinregal verdrängt, Weine zu hegen und zu pflegen kostet schließlich seine Zeit, Jahre und Jahrzehnte – und wer hat heute schon Zeit?

"Die Bewirtschaftung eines Buchregals ist ebenfalls mit hohem Aufwand verbunden. Wenn aber schon die Zeit fehlt, eine Zeitung zu lesen, wie soll man dann eine Bibliothek pflegen?"

Ganz im Vertrauen, lieber Kollege Matzig, das geht ganz einfach: Man muss nur seine Wohnung vom Fernseher und dem Videoapparat befreien und schon kann man sich liebevoll Billy und seinem Bruder Ivar widmen. Und daneben noch jede Menge Feuilletons lesen. Diesmal sind sie sich bei einem Thema erstaunlich einig: beim Fernsehen.

"Schöner Schwachsinn", schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU über das neueste Produkt aus dem Hause RTL, "großer Mist", meint die SÜDDEUTSCHE zur Sendung "Erwachsen auf Probe" – in der vier Teenagerpaare erst an Gummipuppen üben, wie es ist, ein Baby zu haben, und dann an lebenden Säuglingen, die von ihren Eltern gegen Honorar an RTL ausgeliehen wurden. "Böses Fernsehen, ganz böses Fernsehen", schimpft die Tageszeitung DIE WELT, "vielleicht noch ein bisschen böser als man es gewohnt ist". Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ist das "Zum Davonlaufen" – doch immerhin sind mehr als drei Millionen Zuschauer sitzen geblieben vor dem Fernsehkasten, vor allem junge Frauen, und haben sich etwa dieses Pärchen mit seiner künstlichen Babypuppe zum Üben angetan, das Michael Hanfeld für die FRANKFURTER ALLGEMEINE in einem Satz standrechtlich auszischt:

"Elvir schlägt seine Freundin, wenn sie ihm nicht den nötigen 'Respekt' zollt, Arbeiten zu gehen, ist ihm zu anstrengend, das soll seine 'schwangere' Freundin tun, die mit einem künstlichen Babybauch umherläuft, und schließlich erstickt der Nachwuchsmacho im Schlaf die neben ihm liegende Babypuppe."

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt will in der kommenden Woche mit RTL darüber sprechen, inwiefern "Erwachsen auf Probe" moralische Grenzen der Programmfreiheit überschreitet. Wir dachten immer, Big Brother und Dschungelcamp wären nicht mehr zu untertreffen. Wir leben glücklich mit Billy und Ivar.

"Spätestens seit US-Präsident Barack Obama", lesen wir in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, "ins Weiße Haus eingezogen ist, grübeln deutsche Politiker darüber nach, wie sich das Netz für den Bundestagswahlkampf nutzen lässt." Das weltweite Netz natürlich, das Barack Obama in seinem Wahlkampf genutzt hat, wie noch kein Politiker vor ihm, vor allem auch das soziale Internet-Netzwerk Facebook.

"Im Vergleich zu Obamas 6,2 Millionen Facebook-Unterstützern nehmen sich derzeit knapp 3400 Steinmeier-Getreue und rund 8200 Merkel-Freunde vergleichsweise mickrig aus","

schreibt Fabian Löhe in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.

""Und beim Wettbewerber StudiVZ ist der Wahlkampf-Startschuss erst vor Wochen gefallen. Die Nutzer erfahren dort, dass Angela Merkel Gartenarbeit und die Beatles mag, Frank-Walter Steinmeier Fußball und Jazz."

Das sind alles liebenswerte Hobbys: Fernsehen wäre schlimmer.