Von Klaus Pokatzky
Blindtext ist in der Welt, Loriot in guter Erinnerung, aber die Encyclopaedia Britannica bald nicht mehr im Regal. Daneben interessieren sich die Feuilletons für den protestantischen Pontifex und roten Nagellack im Pfarramt.
"Lorem ipsum dolor sit amet." So begann ein Artikel in der Tageszeitung DIE WELT. "Wa hava laasad trenzsa gwo producgs su Idfo". Das stand auch noch da drin – und die Frage: "who would ever read this stuff?" Ja, wer jemals würde dieses Zeug lesen, das kein normaler Leser der WELT vor die Augen bekam – es stand nämlich in jener digitalen Ausgabe, die dem Kulturpressebeschauer am Tag vor dem Erscheinen der Zeitung zugesandt wird, wenn manchmal noch nicht alle Artikel geschrieben sind. In der gedruckten Ausgabe am nächsten Tag stand dann ein Kommentar zur Leipziger Buchmesse. "Lorem ipsum dolor sit amet" ist die Formel für den Blindtext, der als Platzhalter im Layout verwendet wird. "Überschrift zwei Zeilen", stand über dem schönen Text – und das hätten wir uns gerne von Loriot vortragen lassen wie einst seine literarische Lesung des Kursbuchs der Bundesbahn: "Überschrift zwei Zeilen".
Und damit zum Meister: "Loriot ist "Sprachwahrer des Jahres 2011". Die Leser der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt wählten den im vergangenen Jahr verstorbenen Humoristen mit 17,7 Prozent auf den ersten Platz." Das lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Begründung: "Loriot habe die deutsche Sprache geprägt, "wir verdanken ihm Wortschöpfungen wie die ,Spannfedermuffe‘". Zudem habe er die deutsche Grammatik um das "zweite Futur bei Sonnenaufgang" bereichert." Und eben um die literarischen Bahnverbindungen von Germersheim und Landau – mit dem Höhepunkt: "In Saarbrücken Hauptbahnhof kann mit Anschluss nicht gerechnet werden." Das Werk sollte in keinem deutschen Bücherschrank fehlen.
"Die "Encyclopaedia Britannica" wird nach 244 Jahren nicht mehr gedruckt." So schreckte der Berliner TAGESSPIEGEL die Liebhaber und Liebhaberinnen des gedruckten Buches auf, in deren Bücherschrank die "Encyclopaedia Britannica" nicht fehlte. Und nun gibt es keine neue Auflage mehr. Die 15. wird die letzte sein. Alles weitere dann im Internet. "Das Ende der Printausgabe sei ein von langer Hand geplanter letzter Schritt, um sich vollkommen auf den digitalen Markt einzustellen, teilte Jorge Cauz, Präsident der "Encyclopaedia Britannica", mit," schrieb Joachim Huber im TAGESSPIEGEL. "Manche mache das zwar traurig und nostalgisch, aber heute habe das Unternehmen ein besseres Werkzeug, da die Internetausgabe kontinuierlich aktualisiert werde," hatte der Britannica-Präsident Cauz auch noch gesagt. Präsident der "Encyclopaedia Britannica" möchte man in diesen Tagen nicht sein. Da eher schon Bundespräsident. Auf den neuen freut sich ganz Deutschland. Ganz Deutschland?
"An diesem Sonntag wird zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ein protestantischer Pfarrer zum Bundespräsidenten gewählt." Das lasen wir in der Beilage Christ&Welt in der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Jetzt fürchten Katholiken das Schlimmste: die Langeweile und die Stille. Der Protestant an sich predigt Wein und trinkt Wasser", schrieb Christiane Florin und machte dann doch auch uns Katholiken wieder Mut: "Wenn Joachim Gauck endlich gewählt sein wird, muss er eine Art Pontifex, ein Stellvertreter Martin Luthers auf Erden, werden." Denn: "Einen solchen Prediger könnten sogar die Katholiken lieben. Die 25 Millionen evangelischen Christen aber werden lernen müssen, sich an ihrem Oberhaupt abzuarbeiten. Gewiss wird es in Deutschland nicht lange dauern, bis der erste hauptberufliche Papstkritiker, Pardon, Gauckkritiker ein Buch schreibt. Gerüchten zufolge wird unmittelbar nach dem letzten Wahlgang eine Glaubenskongregation zusammentreten. Ihr gehören alle Journalisten an, die schon einmal übers protestantische Pfarrhaus geschrieben haben. Sie prüft die Glaubwürdigkeit der Person und gegebenenfalls den Beschädigungsgrad des Amtes. Als Präfekt ist Kai Diekmann, der Chef der "Bild"-Zeitung, im Gespräch."
Kennen Sie noch Horst Köhler? Das war der Vorgänger von Christian Wulff. "Wo er diagnostizieren könnte, vermutet er. Wo er aufklären könnte, versteckt er sich im Floskelwald." So fasste die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen Auftritt des Altbundespräsidenten Horst Köhler in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg zusammen, wo er zum Thema "Vertrauen in die Führungseliten der Gesellschaft" sprechen sollte. "Während hinter ihm auf den Altarbildern das Brot geteilt wird und alle vom selben Wein trinken, fühlt sich Köhler keineswegs frei genug, um als gutgestellter Privatmann über die politische Kettenreaktion zu reden, die sein Rücktritt vor zwei Jahren auslöste. Stattdessen gibt er sich so bescheiden und verkleidet, als würde von ihm nur noch verlangt, die Rolle eines sachkundigen Bürgers zu spielen," notierte Ingolf Kern von der Veranstaltung – und bemängelte, wie sich Köhler "laubsägt" "durch eine Exegese der ihm aufgetragenen Begriffe," wie er "spricht über Anstand und Sitte, Klarheit und Wahrhaftigkeit, nur nie über sich oder die, die er besonders gut kennt." Horst Köhler war ja auch der, der harmlose Pressekritik an einem seiner Interviews als Majestätsbeleidigung begriff und dann Fahnenflucht aus dem Amte beging – abschließender Zapfenstreich inklusive mit Soldaten, die wirklich wissen, was es heißt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen.
"Darf eine Pastorin roten Nagellack tragen?" Das fragte in der schönen Ratgeberrubrik in Christ&Welt der Leser Reiner S. aus Itzehoe. Er fragte sich das "seit letztem Sonntag. Die bunten Finger haben mich regelrecht von meiner Andacht abgelenkt. Gibt es nicht auch einen Knigge für Geistliche?" Und es antwortete wie immer die Pastorin Dr. Petra Bahr, die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland – und zwar sehr salomonisch: "Wie sagt Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Korinth: "Es ist alles erlaubt, aber es dient nicht alles zum Guten." Das bezieht sich nicht nur auf das Styling der Pastorin, sondern auch auf den kritischen Blick des Gemeindeglieds."
So sei es. So soll es geschehen.
Und damit zum Meister: "Loriot ist "Sprachwahrer des Jahres 2011". Die Leser der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt wählten den im vergangenen Jahr verstorbenen Humoristen mit 17,7 Prozent auf den ersten Platz." Das lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Begründung: "Loriot habe die deutsche Sprache geprägt, "wir verdanken ihm Wortschöpfungen wie die ,Spannfedermuffe‘". Zudem habe er die deutsche Grammatik um das "zweite Futur bei Sonnenaufgang" bereichert." Und eben um die literarischen Bahnverbindungen von Germersheim und Landau – mit dem Höhepunkt: "In Saarbrücken Hauptbahnhof kann mit Anschluss nicht gerechnet werden." Das Werk sollte in keinem deutschen Bücherschrank fehlen.
"Die "Encyclopaedia Britannica" wird nach 244 Jahren nicht mehr gedruckt." So schreckte der Berliner TAGESSPIEGEL die Liebhaber und Liebhaberinnen des gedruckten Buches auf, in deren Bücherschrank die "Encyclopaedia Britannica" nicht fehlte. Und nun gibt es keine neue Auflage mehr. Die 15. wird die letzte sein. Alles weitere dann im Internet. "Das Ende der Printausgabe sei ein von langer Hand geplanter letzter Schritt, um sich vollkommen auf den digitalen Markt einzustellen, teilte Jorge Cauz, Präsident der "Encyclopaedia Britannica", mit," schrieb Joachim Huber im TAGESSPIEGEL. "Manche mache das zwar traurig und nostalgisch, aber heute habe das Unternehmen ein besseres Werkzeug, da die Internetausgabe kontinuierlich aktualisiert werde," hatte der Britannica-Präsident Cauz auch noch gesagt. Präsident der "Encyclopaedia Britannica" möchte man in diesen Tagen nicht sein. Da eher schon Bundespräsident. Auf den neuen freut sich ganz Deutschland. Ganz Deutschland?
"An diesem Sonntag wird zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ein protestantischer Pfarrer zum Bundespräsidenten gewählt." Das lasen wir in der Beilage Christ&Welt in der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Jetzt fürchten Katholiken das Schlimmste: die Langeweile und die Stille. Der Protestant an sich predigt Wein und trinkt Wasser", schrieb Christiane Florin und machte dann doch auch uns Katholiken wieder Mut: "Wenn Joachim Gauck endlich gewählt sein wird, muss er eine Art Pontifex, ein Stellvertreter Martin Luthers auf Erden, werden." Denn: "Einen solchen Prediger könnten sogar die Katholiken lieben. Die 25 Millionen evangelischen Christen aber werden lernen müssen, sich an ihrem Oberhaupt abzuarbeiten. Gewiss wird es in Deutschland nicht lange dauern, bis der erste hauptberufliche Papstkritiker, Pardon, Gauckkritiker ein Buch schreibt. Gerüchten zufolge wird unmittelbar nach dem letzten Wahlgang eine Glaubenskongregation zusammentreten. Ihr gehören alle Journalisten an, die schon einmal übers protestantische Pfarrhaus geschrieben haben. Sie prüft die Glaubwürdigkeit der Person und gegebenenfalls den Beschädigungsgrad des Amtes. Als Präfekt ist Kai Diekmann, der Chef der "Bild"-Zeitung, im Gespräch."
Kennen Sie noch Horst Köhler? Das war der Vorgänger von Christian Wulff. "Wo er diagnostizieren könnte, vermutet er. Wo er aufklären könnte, versteckt er sich im Floskelwald." So fasste die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen Auftritt des Altbundespräsidenten Horst Köhler in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg zusammen, wo er zum Thema "Vertrauen in die Führungseliten der Gesellschaft" sprechen sollte. "Während hinter ihm auf den Altarbildern das Brot geteilt wird und alle vom selben Wein trinken, fühlt sich Köhler keineswegs frei genug, um als gutgestellter Privatmann über die politische Kettenreaktion zu reden, die sein Rücktritt vor zwei Jahren auslöste. Stattdessen gibt er sich so bescheiden und verkleidet, als würde von ihm nur noch verlangt, die Rolle eines sachkundigen Bürgers zu spielen," notierte Ingolf Kern von der Veranstaltung – und bemängelte, wie sich Köhler "laubsägt" "durch eine Exegese der ihm aufgetragenen Begriffe," wie er "spricht über Anstand und Sitte, Klarheit und Wahrhaftigkeit, nur nie über sich oder die, die er besonders gut kennt." Horst Köhler war ja auch der, der harmlose Pressekritik an einem seiner Interviews als Majestätsbeleidigung begriff und dann Fahnenflucht aus dem Amte beging – abschließender Zapfenstreich inklusive mit Soldaten, die wirklich wissen, was es heißt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen.
"Darf eine Pastorin roten Nagellack tragen?" Das fragte in der schönen Ratgeberrubrik in Christ&Welt der Leser Reiner S. aus Itzehoe. Er fragte sich das "seit letztem Sonntag. Die bunten Finger haben mich regelrecht von meiner Andacht abgelenkt. Gibt es nicht auch einen Knigge für Geistliche?" Und es antwortete wie immer die Pastorin Dr. Petra Bahr, die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland – und zwar sehr salomonisch: "Wie sagt Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Korinth: "Es ist alles erlaubt, aber es dient nicht alles zum Guten." Das bezieht sich nicht nur auf das Styling der Pastorin, sondern auch auf den kritischen Blick des Gemeindeglieds."
So sei es. So soll es geschehen.