Von Klaus Pokatzky
Friedrich der Große, Christian Wulff - und Umberto Eco: Die Woche in den Feuilletons.
"Für alle, die keine Überraschungen mögen, kursieren im Internet-Mitteilungsdienst Twitter inzwischen sämtliche bevorstehenden Weltuntergangstermine." Das haben wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gelesen. "Der nächste Termin ist bekanntermaßen die Wintersonnenwende dieses Jahres." Das ist erst kurz vor Weihnachten – und bis dahin können wir noch munter weiter leben. Das Leben ist doch so schön. "Das neue Jahr könnte, wie das alte, ziemlich unordentlich werden." So drohte uns da leider die Wochenzeitung DIE ZEIT.
"Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding", so hat die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Marschallin von Werdenberg im "Rosenkavalier" zitiert und "das Gedenk- und Jubiläumsjahr 2012" aufgelistet – "mit dem Gedenken, Begehen und Feiern, mit den Geburts- und Todestagen", so Wolfgang Schreiber, "den Erinnerungen an Kriegszüge, Schlachten, Katastrophen, Friedensschlüsse, an Erstaufführungen und -publikationen, Thronbesteigungen, Gründungsdaten."
Wir müssen uns hier leider beschränken. Greifen wir uns also nur heraus den Mann, den der Berliner TAGESSPIEGEL "Ersten Diener des Staates" nannte und DIE ZEIT "Den besten Diener". Am 24. Januar ist es 300 Jahre her, dass Friedrich der Zweite von Preußen geboren wurde. "Friedrich der Große war eine Ausnahme in der deutschen Geschichte", hieß es bei Jens Jessen in der ZEIT: "Sein Erbe ist die helle Toleranz." Von ihm stammte ja bekanntlich auch der schöne Spruch: "Gazetten dürfen, so sie delectieren sollen, nicht genieret werden."
Für die Staatsoberhäupter unserer Tage würde das übersetzt etwa so lauten: Zeitungen dürfen nicht belästigt werden – wenn sie uns erfreuen sollen. "Er war bereits ein moderner "Achtzehnhunderter", weil er Untertanen nicht nur als Zählmasse begriff, sondern als Aktivposten, die es zu "produktivieren" galt." Das sagte im Interview mit der ZEIT die Historikerin Ute Frevert. "Man musste sie pfleglich behandeln, in ihre "Glückseligkeit" investieren und sie bei Laune halten, denn nur so brachten sie dem Land und seinem Herrscher wirklichen Nutzen." Das waren noch schlaue Herrscher. "Es ist nie zu spät für Sanssouci und eine schöne deutsche Bonbonniere, die Mischung aus Geist, Libertinage, Verantwortung und Disziplin." Das meinte ebenfalls in der ZEIT der Schriftsteller Hans Pleschinski – und spannte so den borussischen Bogen in unsere Tage.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE beschäftigte sich ganz zeitlos nicht mit echten Monarchen, nicht mit Halb-Monarchen als republikanischen Staatsoberhäuptern – sondern mit dem Chef an sich: "Ein Philosoph hat keinen Chef", schrieb Nils Minkmar. "Im Amerikanischen hat der Begriff die schönste Bedeutung, da steht er für Koch. Sein Machtbereich ist tellergroß und jeder Gast prüft täglich die Leistung." DIE WELT griff einen Spruch von Bundespräsident Christian Wulff aus seinem Interview mit ARD und ZDF auf. "Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden", titelte sie und machte dann "Einen Besuch in der Kantine des Bundespräsidenten": "Die Kantine bietet vegetarische Tortellini an geviertelten Champignonköpfchen und Chili con Carne in saftigen Farben an", notierte Laura Ewert. "Mit dem Angebot der Kantine im Bundespräsidialamt verändert sich die Republik nicht zum Negativen."
Das freute uns sehr – zumal DIE WELT ansonsten mit dem Bundespräsidenten nicht gerade zimperlich umging in dieser Woche. Hellmuth Karasek beschrieb den Fernsehauftritt in der WELT als "unfreiwillige Parodie" und wies auf den Bundespräsidenten als unfreiwilligen Sprachschöpfer hin – "'Wulffen' heißt übrigens laut Twitter: jemandem den Anrufbeantworter vollsabbeln."
Der FRANKFURTER ALLGEMEINEN verging jeder Humor bei dem exklusiven Interview für die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. ""Sie hatten das Interview, das alle wollten, das aber niemand von den Zeitungsleuten bekam", schrieb Michael Hanfeld: "Mit der "Staatsferne" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es in einem solchen Moment allerdings nicht mehr weit her. Die Sender wirken vielmehr staatstragend, wenn nicht präsidialamtshörig, da sie sich eines klaren Urteils und auch der Chance enthielten, die Bundespräsidentenshow noch am Abend selbst zu hinterfragen."
Eine "Verkehrte Welt" beklagte die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Der Präsident der Bundesrepublik entschuldigt sich beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, weil er mit unbedachten Äußerungen am Telefon Druck ausgeübt und die Pressefreiheit in Frage gestellt hat." Das meinte der Schriftsteller Hans Christoph Buch: "'Bild' avanciert so vom Prüfstein zum Gralshüter der Meinungsfreiheit, was eigentlich dem Bundespräsidenten obliegt, der als überparteiliche, moralische Instanz ohne Rücksicht auf Opportunität die Grundwerte der Demokratie nicht nur predigen, sondern in seiner Person verkörpern, ja vorleben soll."
Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG ruft unmissverständlich zum Rücktritt auf: "Er findet aus dem Dickicht, in das er sich einst zur Verdunkelung seiner Geschichte begeben hat, nicht mehr heraus", schreibt Nils Minkmar. "Von den Deutschen wurde in den letzten Jahren viel verlangt. Einem Bundespräsidenten zuzusehen, der seine eigenen Probleme nicht zu lösen versteht – das ist zu viel verlangt."
Vergessen wir im Jahr der Jahrestage nicht den 80. Geburtstag des italienischen Schriftstellers und Philosophen Umberto Eco. "Eco ist, wonach wir alle suchen, was wir alle gerne wären", lobte Arno Widmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Umberto Eco ist die eierlegende Wollmilchsau."
Eco for Bundespräsident!
"Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding", so hat die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Marschallin von Werdenberg im "Rosenkavalier" zitiert und "das Gedenk- und Jubiläumsjahr 2012" aufgelistet – "mit dem Gedenken, Begehen und Feiern, mit den Geburts- und Todestagen", so Wolfgang Schreiber, "den Erinnerungen an Kriegszüge, Schlachten, Katastrophen, Friedensschlüsse, an Erstaufführungen und -publikationen, Thronbesteigungen, Gründungsdaten."
Wir müssen uns hier leider beschränken. Greifen wir uns also nur heraus den Mann, den der Berliner TAGESSPIEGEL "Ersten Diener des Staates" nannte und DIE ZEIT "Den besten Diener". Am 24. Januar ist es 300 Jahre her, dass Friedrich der Zweite von Preußen geboren wurde. "Friedrich der Große war eine Ausnahme in der deutschen Geschichte", hieß es bei Jens Jessen in der ZEIT: "Sein Erbe ist die helle Toleranz." Von ihm stammte ja bekanntlich auch der schöne Spruch: "Gazetten dürfen, so sie delectieren sollen, nicht genieret werden."
Für die Staatsoberhäupter unserer Tage würde das übersetzt etwa so lauten: Zeitungen dürfen nicht belästigt werden – wenn sie uns erfreuen sollen. "Er war bereits ein moderner "Achtzehnhunderter", weil er Untertanen nicht nur als Zählmasse begriff, sondern als Aktivposten, die es zu "produktivieren" galt." Das sagte im Interview mit der ZEIT die Historikerin Ute Frevert. "Man musste sie pfleglich behandeln, in ihre "Glückseligkeit" investieren und sie bei Laune halten, denn nur so brachten sie dem Land und seinem Herrscher wirklichen Nutzen." Das waren noch schlaue Herrscher. "Es ist nie zu spät für Sanssouci und eine schöne deutsche Bonbonniere, die Mischung aus Geist, Libertinage, Verantwortung und Disziplin." Das meinte ebenfalls in der ZEIT der Schriftsteller Hans Pleschinski – und spannte so den borussischen Bogen in unsere Tage.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE beschäftigte sich ganz zeitlos nicht mit echten Monarchen, nicht mit Halb-Monarchen als republikanischen Staatsoberhäuptern – sondern mit dem Chef an sich: "Ein Philosoph hat keinen Chef", schrieb Nils Minkmar. "Im Amerikanischen hat der Begriff die schönste Bedeutung, da steht er für Koch. Sein Machtbereich ist tellergroß und jeder Gast prüft täglich die Leistung." DIE WELT griff einen Spruch von Bundespräsident Christian Wulff aus seinem Interview mit ARD und ZDF auf. "Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden", titelte sie und machte dann "Einen Besuch in der Kantine des Bundespräsidenten": "Die Kantine bietet vegetarische Tortellini an geviertelten Champignonköpfchen und Chili con Carne in saftigen Farben an", notierte Laura Ewert. "Mit dem Angebot der Kantine im Bundespräsidialamt verändert sich die Republik nicht zum Negativen."
Das freute uns sehr – zumal DIE WELT ansonsten mit dem Bundespräsidenten nicht gerade zimperlich umging in dieser Woche. Hellmuth Karasek beschrieb den Fernsehauftritt in der WELT als "unfreiwillige Parodie" und wies auf den Bundespräsidenten als unfreiwilligen Sprachschöpfer hin – "'Wulffen' heißt übrigens laut Twitter: jemandem den Anrufbeantworter vollsabbeln."
Der FRANKFURTER ALLGEMEINEN verging jeder Humor bei dem exklusiven Interview für die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. ""Sie hatten das Interview, das alle wollten, das aber niemand von den Zeitungsleuten bekam", schrieb Michael Hanfeld: "Mit der "Staatsferne" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es in einem solchen Moment allerdings nicht mehr weit her. Die Sender wirken vielmehr staatstragend, wenn nicht präsidialamtshörig, da sie sich eines klaren Urteils und auch der Chance enthielten, die Bundespräsidentenshow noch am Abend selbst zu hinterfragen."
Eine "Verkehrte Welt" beklagte die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Der Präsident der Bundesrepublik entschuldigt sich beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, weil er mit unbedachten Äußerungen am Telefon Druck ausgeübt und die Pressefreiheit in Frage gestellt hat." Das meinte der Schriftsteller Hans Christoph Buch: "'Bild' avanciert so vom Prüfstein zum Gralshüter der Meinungsfreiheit, was eigentlich dem Bundespräsidenten obliegt, der als überparteiliche, moralische Instanz ohne Rücksicht auf Opportunität die Grundwerte der Demokratie nicht nur predigen, sondern in seiner Person verkörpern, ja vorleben soll."
Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG ruft unmissverständlich zum Rücktritt auf: "Er findet aus dem Dickicht, in das er sich einst zur Verdunkelung seiner Geschichte begeben hat, nicht mehr heraus", schreibt Nils Minkmar. "Von den Deutschen wurde in den letzten Jahren viel verlangt. Einem Bundespräsidenten zuzusehen, der seine eigenen Probleme nicht zu lösen versteht – das ist zu viel verlangt."
Vergessen wir im Jahr der Jahrestage nicht den 80. Geburtstag des italienischen Schriftstellers und Philosophen Umberto Eco. "Eco ist, wonach wir alle suchen, was wir alle gerne wären", lobte Arno Widmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Umberto Eco ist die eierlegende Wollmilchsau."
Eco for Bundespräsident!