Von Klaus Pokatzky
Gewalt gegen Buchhändlerinnen, lügende Schauspieler und die psychologische Wirkung des Lesens: Unser Blick in die Feuilletons vom Donnerstag.
"Offenbar sind wir eine Gesellschaft von Hosenscheißern geworden." Das lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG – der Eidgenosse liebt es deutlich. Sicherheitskontrollen beim Einlass zur Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse hat Joachim Güntner tapfer durchlitten: "Taschen werden durchleuchtet, die Besucher mit Detektoren abgetastet. Es ist wie auf dem Flughafen, und die Warteschlangen sind entsprechend lang. Wessen Ängste sollen hier beruhigt werden?"
Wahrscheinlich die Ängste der Besitzer von Sicherheitsfirmen. Die müssen ja beschäftigt werden. Dabei sind die Bücherfreunde doch so liebe Menschen – jedenfalls lieb zu ihrem Buch.
"Mehr als 50 Prozent können sich nur schlecht von ihren Büchern trennen", erfahren wir aus der BERLINER ZEITUNG, die von einer Umfrage berichtet – nach der "entspannen die Saarländer sich am liebsten mit Büchern, in Sachsen-Anhalt empfindet man sie als einen guten Freund, und für die Schleswig-Holsteiner sind sie ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben."
Das klingt gut; aber es geht noch besser. "Psychologen von der New School for Social Research haben in Experimenten mit 1 000 Teilnehmern herausgefunden, dass Lesen die Empathiefähigkeit steigert", teilt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit über unseren Freund, das Buch, das uns hilft, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. "Wissenschaftler der University of Exeter", schreibt Kathleen Hildebrand, "untersuchten, welche Hirnregionen aktiv wurden, wenn Probanden Lyrik oder Prosa lasen. Das Ergebnis: Lyrik regte Bereiche an, die für Introspektion zuständig sind."
Für alle, die gerade kein Fremdwörterbuch als guten Freund und wichtigen Bestandteil der Zeitungslektüre mit sich herumtragen: Introspektion heißt Selbstbeobachtung. Also: von Lyrik lernen heißt Selbsterkenntnis lernen. "Die Basis der Studie ist allerdings recht eingeschränkt", holt uns die SÜDDEUTSCHE in die prosaische Realität zurück: Die Forscher untersuchten nur 13 Freiwillige. Ganz prosaisch, also sehr nüchtern gesagt: Die Studie ist ein Witz.
"Die Zahl der Buchhandlungen in Deutschland geht drastisch zurück." Das ist jetzt kein Witz. "Vor acht Jahren waren noch fast 4500 Händler vom Dachverband als Mitglieder geführt, 2012 waren es nur noch 3500." Das steht in der BERLINER ZEITUNG.
"Die meisten Läden gehen an ihrer inneren Buchferne zugrunde", das verkündet provozierend die Wochenzeitung DIE ZEIT. "In der Tat hat das Siechtum der Ladengeschäfte begonnen, lange bevor Amazon und andere Versender auf den Plan traten", schreibt Jens Jessen. "In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte bereits auf ernste Schwierigkeiten stoßen, wer in einer Münchner Universitätsbuchhandlung das berühmte Buch von Ernst Robert Curtius" – geschrieben mit großem "C" und kleinem "t" – "über Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter kaufen wollte. Der Kunde musste die Buchhändlerin mit Gewalt daran hindern, im Verzeichnis Lieferbarer Bücher unter "Kurzius" – mit großem "K" und kleinem "z" – ""zu suchen.""
Mit Gewalt – das ist schon ein kriminelles Jugendbekenntnis, Kollege Jessen. "Um in die Schlagzeilen zu kommen, hat der Schauspieler Uwe Ochsenknecht am Anfang seiner Karriere oft gelogen." Darüber klärt uns wiederum die BERLINER ZEITUNG auf und zitiert: "Da habe ich Geschichten erfunden, ich wäre mit zwölf Jahren von zu Hause ausgerissen, hätte in Spanien bei Zigeunern gelebt, hätte das Leben kennengelernt – alles Quatsch, alles erfunden." Das hat er nun auf der Frankfurter Buchmesse erzählt. Ochsenknecht warb dort für seine Autobiografie "Was bisher geschah".
Feuilletonredakteure, die einst Gewalt gegen Buchhändlerinnen ausübten, und Buchautoren, die gelogen haben: nun wissen wir, warum es bei einer Buchmesse solche Sicherheitskontrollen geben muss.
Wahrscheinlich die Ängste der Besitzer von Sicherheitsfirmen. Die müssen ja beschäftigt werden. Dabei sind die Bücherfreunde doch so liebe Menschen – jedenfalls lieb zu ihrem Buch.
"Mehr als 50 Prozent können sich nur schlecht von ihren Büchern trennen", erfahren wir aus der BERLINER ZEITUNG, die von einer Umfrage berichtet – nach der "entspannen die Saarländer sich am liebsten mit Büchern, in Sachsen-Anhalt empfindet man sie als einen guten Freund, und für die Schleswig-Holsteiner sind sie ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben."
Das klingt gut; aber es geht noch besser. "Psychologen von der New School for Social Research haben in Experimenten mit 1 000 Teilnehmern herausgefunden, dass Lesen die Empathiefähigkeit steigert", teilt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit über unseren Freund, das Buch, das uns hilft, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. "Wissenschaftler der University of Exeter", schreibt Kathleen Hildebrand, "untersuchten, welche Hirnregionen aktiv wurden, wenn Probanden Lyrik oder Prosa lasen. Das Ergebnis: Lyrik regte Bereiche an, die für Introspektion zuständig sind."
Für alle, die gerade kein Fremdwörterbuch als guten Freund und wichtigen Bestandteil der Zeitungslektüre mit sich herumtragen: Introspektion heißt Selbstbeobachtung. Also: von Lyrik lernen heißt Selbsterkenntnis lernen. "Die Basis der Studie ist allerdings recht eingeschränkt", holt uns die SÜDDEUTSCHE in die prosaische Realität zurück: Die Forscher untersuchten nur 13 Freiwillige. Ganz prosaisch, also sehr nüchtern gesagt: Die Studie ist ein Witz.
"Die Zahl der Buchhandlungen in Deutschland geht drastisch zurück." Das ist jetzt kein Witz. "Vor acht Jahren waren noch fast 4500 Händler vom Dachverband als Mitglieder geführt, 2012 waren es nur noch 3500." Das steht in der BERLINER ZEITUNG.
"Die meisten Läden gehen an ihrer inneren Buchferne zugrunde", das verkündet provozierend die Wochenzeitung DIE ZEIT. "In der Tat hat das Siechtum der Ladengeschäfte begonnen, lange bevor Amazon und andere Versender auf den Plan traten", schreibt Jens Jessen. "In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte bereits auf ernste Schwierigkeiten stoßen, wer in einer Münchner Universitätsbuchhandlung das berühmte Buch von Ernst Robert Curtius" – geschrieben mit großem "C" und kleinem "t" – "über Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter kaufen wollte. Der Kunde musste die Buchhändlerin mit Gewalt daran hindern, im Verzeichnis Lieferbarer Bücher unter "Kurzius" – mit großem "K" und kleinem "z" – ""zu suchen.""
Mit Gewalt – das ist schon ein kriminelles Jugendbekenntnis, Kollege Jessen. "Um in die Schlagzeilen zu kommen, hat der Schauspieler Uwe Ochsenknecht am Anfang seiner Karriere oft gelogen." Darüber klärt uns wiederum die BERLINER ZEITUNG auf und zitiert: "Da habe ich Geschichten erfunden, ich wäre mit zwölf Jahren von zu Hause ausgerissen, hätte in Spanien bei Zigeunern gelebt, hätte das Leben kennengelernt – alles Quatsch, alles erfunden." Das hat er nun auf der Frankfurter Buchmesse erzählt. Ochsenknecht warb dort für seine Autobiografie "Was bisher geschah".
Feuilletonredakteure, die einst Gewalt gegen Buchhändlerinnen ausübten, und Buchautoren, die gelogen haben: nun wissen wir, warum es bei einer Buchmesse solche Sicherheitskontrollen geben muss.