Von Klaus Pokatzky
Vom "Kulturgut Zeitung" schreiben die Feuilletons und mischen dabei auch gleich in die anderen wichtigen Themen der Woche: Steinbrücks Stinkefinger und die allgegenwärtige NSA.
"Oft wird von dem 'Kulturgut' Zeitung gesprochen."
Das lasen wir im Berliner TAGESSPIEGEL zur Zeitung an sich, zur gedruckten natürlich.
"Sie ist ein Kulturgut der Zeitlichkeit,"
schrieb Tim Klimes.
"Das jedoch setzt Vertrauen voraus. Vertrauen in die Redaktion, die Themen gewichtet hat. Und dieses Vertrauen greift noch an einer anderen Stelle – der Themenauswahl."
Wie beim Blick in die Feuilletons: Haben Sie Vertrauen! So wie Tim Klimes Vertrauen setzte in die Zeitungen, als er eine Woche im Selbstversuch allen raschen Nachrichten aus dem Internet eine strenge Absage erteilte und nur auf Print setzte:
"Ich habe mich ausschließlich über Zeitungen informiert, kein Radio gehört." Das wäre aber noch okay gewesen. "Den Fernseher nicht eingeschaltet." Sehr gut. "Keine Nachrichtenseiten im Netz gelesen." So entnetzt lebt Wolfgang Herles immer.
"Ich komme, abgesehen vom E-Mail-Verkehr, ohne Netz aus,"
erklärt der ZDF-Journalist im TAGESSPIEGEL vom Sonntag:
"Ich will weder von Shit zugekreischt werden noch vom elektronischen Stammtisch."
Und damit werden wir streng politisch – und kommen zum derzeit wichtigsten Thema des Wahlkampfes, nicht nur für den elektronischen Stammtisch.
"Der Stinkefinger ist auch nicht mehr, was er einmal war,"
erfahren wir aus der Tageszeitung DIE WELT – nachdem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sich auf ein Interviewexperiment des Magazins der "Süddeutschen Zeitung" eingelassen hatte. Da wird nicht mit Worten, sondern mit Gesten geantwortet: fast schon ein künstlerisches Event, das ein gewisses kreatives Potential voraussetzt. Die Kunstfreiheit ist im Grundgesetz noch freier als die Pressefreiheit. Und nachdem die Journalisten ihm eine Reihe von beleidigenden Ausdrücken hingeworfen hatten, reagierte der Gestenkünstler Steinbrück eben mit dem Mittelfinger.
"Die bekannte Geschichte des Stinkefingers beginnt bei Johnny Cash, der ihn 1969 während eines Gefängnis-Konzerts reckte,"
klärte uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf.
"Es war unter anderen Catull," römischer Dichter des ersten Jahrhunderts vor Christus, "der ihn angriffslustigen Menschen anempfahl," schrieb Edo Reents, ""abgesehen davon, dass der Stinkefinger ganz allgemein natürlich für das erigierte Glied stand, und zwar wahrscheinlich eher in animierender als beleidigender Absicht.""
Auf jeden Fall gibt es nun ein Wahlkampfthema, hinter dem die Datengier von Geheimdiensten oder ein Kriegseinsatz in Syrien verblassen.
"Ich finde es eigentlich ziemlich süß, diesen Fighter-Mittelfinger von Peer Steinbrück,"
lesen wir in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.
"Das steht ihm gut, da merkt man, dass er noch lebt und wirklich vor hat, Kanzler zu werden," schreibt Antonia Baum. "Andererseits ist die Staatsmacht schon etwas, vor dem ich mich immer gefürchtet habe und wenn einer, der dieser Staatsmacht bald sagen soll, wo es lang geht, mit seinem Mittelfinger rummacht, und glaubt dadurch speziell crazy, frei und unverbogen zu wirken, dann kriege ich irgendwie noch mehr Angst."
Aber wovor müssen wir denn bloß Angst haben?
"Am kommenden Mittwoch, fünf Tage vor der Bundestagswahl, wollen rund zwei Dutzend Schriftsteller vor dem Bundeskanzleramt ihren offenen Brief präsentieren, indem sie Merkel auffordern, die Bundesbürger vor der Ausspähung durch ausländische Geheimdienste zu schützen."
Das stand im TAGESSPIEGEL.
"Die Politik ist stets nur Zaungast der internationalen Geheimdienstgeschäfte, dem Austausch von Abhörresultaten, Daten, Zugangsmöglichkeiten oder Schnüffeltechnologien."
So relativierte die FRANKFURTER ALLGEMEINE die Einflussmöglichkeiten selbst einer Kanzlerin.
"Es ist ein dichtes, undurchschaubares Netzwerk von geheimen Absprachen und Deals. Politik und Öffentlichkeit müssen sich mit wolkigen Versicherungen begnügen,"
schrieb Frank Rieger über die "gottgleichen Wesen," über "diese selbsternannten Agenten des Guten" in mehr als deutlichen Worten:
"Wenn die Dienste sich nicht effektiv kontrollieren lassen wollen, gehören ihre Führungsriegen vor Untersuchungsausschüsse und gegebenenfalls Gerichte gestellt und die Behörden aufgelöst."
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" – so lautet der erste und wichtigste Satz unseres Grundgesetzes. "Die Würde ist antastbar" – so lautet die Überschrift eines Artikels im neuen SPIEGEL:
"Wenn Politiker nicht mehr alles tun, um die Verfassung zu schützen, wenn sie den fremden Rechtsbruch mittragen und wenn er manchmal sogar Freude in ihnen auslöst, stellt das uns selbst in Frage,"
schreibt der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach.
"Unsere Freiheit wird im Namen der Sicherheit geopfert. Aber wir leben in einer Demokratie, wir können das ändern."
Das wären doch alles wichtige Wahlkampfthemen. Oder ein westlicher Kriegseinsatz in Syrien – vor dem der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld in der WELT warnt:
"Er könnte durchaus in einen jahrelangen Religions- und Weltanschauungskrieg übergehen, in den andere Länder des Nahen Ostens hineingezogen werden."
Aber wir streiten lieber über den Mittelfinger – der ja durchaus auch seine militärischen Seiten hat:
"Im mittelalterlichen England benutzten ihn Bogenschützen zum Zeichen, dass sie ihr Gegenüber ohne weiteres mit dem Pfeil totschießen könnten,"
lernten wir aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
"Die Zeitungsexperten und die Zeitungsmacher sollten die Allgemeinheit in Zukunft nicht mehr mit den immer gleichen Texten
über das Ende der eigenen Zunft nerven."
Das war das Fazit von Tim Klimes Eine-Woche-Nur-Print-Selbstversuch im TAGESSPIEGEL.
"Im Gegenzug darf niemand genervt sein, wenn die Zeitungsmacher mit alten Traditionen brechen; wenn sie nicht mehr alle Nachrichten in die Zeitung von morgen packen wollen, weil sie dann ohnehin veraltet sind; wenn sie experimentieren."
Wir enden mit Tim Klimes, was er nach Lektüre der Zeitungsartikel empfunden hat:
"Abgeschlossen. Ad acta."
Das lasen wir im Berliner TAGESSPIEGEL zur Zeitung an sich, zur gedruckten natürlich.
"Sie ist ein Kulturgut der Zeitlichkeit,"
schrieb Tim Klimes.
"Das jedoch setzt Vertrauen voraus. Vertrauen in die Redaktion, die Themen gewichtet hat. Und dieses Vertrauen greift noch an einer anderen Stelle – der Themenauswahl."
Wie beim Blick in die Feuilletons: Haben Sie Vertrauen! So wie Tim Klimes Vertrauen setzte in die Zeitungen, als er eine Woche im Selbstversuch allen raschen Nachrichten aus dem Internet eine strenge Absage erteilte und nur auf Print setzte:
"Ich habe mich ausschließlich über Zeitungen informiert, kein Radio gehört." Das wäre aber noch okay gewesen. "Den Fernseher nicht eingeschaltet." Sehr gut. "Keine Nachrichtenseiten im Netz gelesen." So entnetzt lebt Wolfgang Herles immer.
"Ich komme, abgesehen vom E-Mail-Verkehr, ohne Netz aus,"
erklärt der ZDF-Journalist im TAGESSPIEGEL vom Sonntag:
"Ich will weder von Shit zugekreischt werden noch vom elektronischen Stammtisch."
Und damit werden wir streng politisch – und kommen zum derzeit wichtigsten Thema des Wahlkampfes, nicht nur für den elektronischen Stammtisch.
"Der Stinkefinger ist auch nicht mehr, was er einmal war,"
erfahren wir aus der Tageszeitung DIE WELT – nachdem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sich auf ein Interviewexperiment des Magazins der "Süddeutschen Zeitung" eingelassen hatte. Da wird nicht mit Worten, sondern mit Gesten geantwortet: fast schon ein künstlerisches Event, das ein gewisses kreatives Potential voraussetzt. Die Kunstfreiheit ist im Grundgesetz noch freier als die Pressefreiheit. Und nachdem die Journalisten ihm eine Reihe von beleidigenden Ausdrücken hingeworfen hatten, reagierte der Gestenkünstler Steinbrück eben mit dem Mittelfinger.
"Die bekannte Geschichte des Stinkefingers beginnt bei Johnny Cash, der ihn 1969 während eines Gefängnis-Konzerts reckte,"
klärte uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf.
"Es war unter anderen Catull," römischer Dichter des ersten Jahrhunderts vor Christus, "der ihn angriffslustigen Menschen anempfahl," schrieb Edo Reents, ""abgesehen davon, dass der Stinkefinger ganz allgemein natürlich für das erigierte Glied stand, und zwar wahrscheinlich eher in animierender als beleidigender Absicht.""
Auf jeden Fall gibt es nun ein Wahlkampfthema, hinter dem die Datengier von Geheimdiensten oder ein Kriegseinsatz in Syrien verblassen.
"Ich finde es eigentlich ziemlich süß, diesen Fighter-Mittelfinger von Peer Steinbrück,"
lesen wir in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.
"Das steht ihm gut, da merkt man, dass er noch lebt und wirklich vor hat, Kanzler zu werden," schreibt Antonia Baum. "Andererseits ist die Staatsmacht schon etwas, vor dem ich mich immer gefürchtet habe und wenn einer, der dieser Staatsmacht bald sagen soll, wo es lang geht, mit seinem Mittelfinger rummacht, und glaubt dadurch speziell crazy, frei und unverbogen zu wirken, dann kriege ich irgendwie noch mehr Angst."
Aber wovor müssen wir denn bloß Angst haben?
"Am kommenden Mittwoch, fünf Tage vor der Bundestagswahl, wollen rund zwei Dutzend Schriftsteller vor dem Bundeskanzleramt ihren offenen Brief präsentieren, indem sie Merkel auffordern, die Bundesbürger vor der Ausspähung durch ausländische Geheimdienste zu schützen."
Das stand im TAGESSPIEGEL.
"Die Politik ist stets nur Zaungast der internationalen Geheimdienstgeschäfte, dem Austausch von Abhörresultaten, Daten, Zugangsmöglichkeiten oder Schnüffeltechnologien."
So relativierte die FRANKFURTER ALLGEMEINE die Einflussmöglichkeiten selbst einer Kanzlerin.
"Es ist ein dichtes, undurchschaubares Netzwerk von geheimen Absprachen und Deals. Politik und Öffentlichkeit müssen sich mit wolkigen Versicherungen begnügen,"
schrieb Frank Rieger über die "gottgleichen Wesen," über "diese selbsternannten Agenten des Guten" in mehr als deutlichen Worten:
"Wenn die Dienste sich nicht effektiv kontrollieren lassen wollen, gehören ihre Führungsriegen vor Untersuchungsausschüsse und gegebenenfalls Gerichte gestellt und die Behörden aufgelöst."
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" – so lautet der erste und wichtigste Satz unseres Grundgesetzes. "Die Würde ist antastbar" – so lautet die Überschrift eines Artikels im neuen SPIEGEL:
"Wenn Politiker nicht mehr alles tun, um die Verfassung zu schützen, wenn sie den fremden Rechtsbruch mittragen und wenn er manchmal sogar Freude in ihnen auslöst, stellt das uns selbst in Frage,"
schreibt der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach.
"Unsere Freiheit wird im Namen der Sicherheit geopfert. Aber wir leben in einer Demokratie, wir können das ändern."
Das wären doch alles wichtige Wahlkampfthemen. Oder ein westlicher Kriegseinsatz in Syrien – vor dem der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld in der WELT warnt:
"Er könnte durchaus in einen jahrelangen Religions- und Weltanschauungskrieg übergehen, in den andere Länder des Nahen Ostens hineingezogen werden."
Aber wir streiten lieber über den Mittelfinger – der ja durchaus auch seine militärischen Seiten hat:
"Im mittelalterlichen England benutzten ihn Bogenschützen zum Zeichen, dass sie ihr Gegenüber ohne weiteres mit dem Pfeil totschießen könnten,"
lernten wir aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
"Die Zeitungsexperten und die Zeitungsmacher sollten die Allgemeinheit in Zukunft nicht mehr mit den immer gleichen Texten
über das Ende der eigenen Zunft nerven."
Das war das Fazit von Tim Klimes Eine-Woche-Nur-Print-Selbstversuch im TAGESSPIEGEL.
"Im Gegenzug darf niemand genervt sein, wenn die Zeitungsmacher mit alten Traditionen brechen; wenn sie nicht mehr alle Nachrichten in die Zeitung von morgen packen wollen, weil sie dann ohnehin veraltet sind; wenn sie experimentieren."
Wir enden mit Tim Klimes, was er nach Lektüre der Zeitungsartikel empfunden hat:
"Abgeschlossen. Ad acta."