Von Jürgen Liebing
In der vergangenen Woche blickte man in den Feuilletons auf die ersten 100 Tage des Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann, zurück und außerdem wurde der türkische Film "Tal der Wölfe" kontrovers diskutiert. Weitere Themen waren der Theaterskandal um den Kritiker Gerhard Stadelmaier und das Auseinanderdriften der Weltkulturen.
Gute Nachrichten sind dieser Tage selten. Darum wollen wir mit einer guten Nachricht beginnen: "Suhrkamp eröffnet Berliner Repräsentanz". Das ist den großen überregionalen Blättern einen Besuch in der Fasanenstraße wert gewesen, wobei der Ort der neuen Suhrkamp-Repräsentanz in Berlin gleich die Verdoppelung der guten Nachricht ist, denn wir lasen in den vergangenen Wochen überall vom Niedergang des Westens der Hauptstadt, und nun springt ein Frankfurter Verlagshaus beherzt in jene Lücken, die von um die Ecke an den Kurfürstendamm oder gen Osten ziehenden Fachgeschäften für Luxus und Moden hinterlassen wurden.
Ina Hartwig sucht in der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom Freitag nach dem Haar in der Party-Suppe, findet aber keines. Lothar Müller, den die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG entsandte, erinnert in der Wochenendausgabe daran, dass das Haus Suhrkamp 1950 in Berlin gegründet wurde, dass überhaupt auch der Fischer-Verlag, der sich in Frankfurt am Main breit gemacht hat, ursprünglich Berliner war. Es habe dann am Schluss der Party noch Preise geregnet, teilt Müller mit. Im Berliner TAGESSPIEGEL verspricht Marius Meller:
"Berlin wird sich nun mehr Zeit nehmen für Suhrkamp."
Und Eckhard Fuhr hält in der Tageszeitung DIE WELT mit einigem Staunen fest, "dass Berlin doch auch eine Hauptstadt der Literatur und des Geistes sei."
In dieser Hauptstadt fand in dieser Woche die Bilanzpressekonferenz des Staatsministers für Kultur und Medien im Bundeskanzlerinnenamt statt. Bernd Neumann blickte auf seine ersten 100 Tage im Amt zurück, was in den Tageszeitungen nicht viel Platz wegnahm, weil so viel nun auch wieder nicht zu melden war. Von "mager" bis "ohne Visionen" gingen die Kommentare, was ja wirklich keine bunte Palette ist.
Nun aber das Wochenmagazin FOCUS:
Eine Seite mit Foto von Bernd Neumann im dunklen Zweireiher mit Einstecktuch, die Arme um den Oberkörper verschlungen, als friere ihn. Dann – auf drei Seiten verteilt – ein Interview und weitere Fotos: Neumann und Merkel, Neumann und Schuster, Neumann und Schifferklavier. Schuster ist der Generaldirektor der Berliner Museen, und das Schifferklavier ist dem Bremer beim Erwerb der Lehrerexamensnote "sehr gut" behilflich gewesen. Alles Informationen, auf die man immer schon gespannt war.
Durch das Interview werden wir nun überrascht von der Information, dass Neumann sich von einer Zeitung zur Kandidatur für sein heutiges Amt gedrängt fühlte. Das ist allerdings die einzige Neuigkeit in diesem FOCUS-Interview. Und so bleibt die Ausbeute der ersten hundert Amtstage des Bernd Neumann mager.
Ein großes Thema war in der vergangenen Woche die Frankfurter Spiralblock-Affäre. Ein Schauspieler hatte einem Kritiker den Notizblock entwunden, hatte ihn zurückgegeben, worauf der Kritiker unter Türenschlagen und Mitnahme einer Verbalbeleidigung durch den Darsteller das Haus verließ. Dann wurde telefoniert, denn auch in Frankfurt am Main kostet eine Intrige nicht mehr als ein Ortsgespräch.
Man las das sehr ausführlich in der betroffenen FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, deren Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier sich beschmutzt und erniedrigt fühlte. In den übrigen Blättern wurde hin- und herüberlegt, was nun mehr verletzt wurde, die Freiheit der Kunst oder die Freiheit der Presse. In der Wochenzeitung DIE ZEIT adelte Peter Kümmel den Kritiker als "Meister des neunschwänzigen Verrisses" und bescheinigte seinen Texten die "Qualität grandioser Sprachwirbelstürme, die sozusagen alle Alfred heißen". Alfred wie Alfred Kerr, der Berliner Theaterscharfrichter der zwanziger Jahre, Vorbild des Frankfurter Nachwuchses.
Inzwischen stellte der Kritiker Christoph Müller im Berliner TAGESSPIEGEL klar, dass die Schauspieler-Ohrfeige, die vor 26 Jahren Gerhard Stadelmaier getroffen haben solle, nur ihm, Christoph Müller, gegolten habe. Inzwischen haben sich die Wogen auch gelegt, und der Schauspieler Thomas Lawinky ist berühmt, das in Frankfurt am Main aufgeführte Ionesco-Stück bekam einen anderen Titel, und weiterhin ist politischer Wahlkampf in der Mainmetropole.
Viel Wirbel machte der türkische Film "Tal der Wölfe", der mit großem Publikumserfolg auch in deutschen Kinos lief. Es handelt sich um einen vorderasiatischen Action-Film, dessen Handlung den Mustern dieser Sorte Kino folgt: Blut wird vergossen und die niedrigen Instinkte des Publikums werden reichlich bedient, ganz wie man es auch aus westlichen Action-Filmen kennt. Jörg Lau stellte in der Wochenzeitung DIE ZEIT fest:
"Die Stärke dieser Größenfantasie verdankt sich der realen Schwäche des Westens."
Allgemein wurde die Forderung des Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, den Film kurzerhand zu verbieten, zurückgewiesen. Im Berliner TAGESSPIEGEL war zu lesen, dass der Regisseur für einen kommerziellen Erfolg den Nachteil eingehandelt habe, "dass sein Name für ein antiamerikanisches und antiwestliches Machwerk steht."
Die weiteren großen Debatten der Woche handelten vom Karikaturenstreit und dem Auseinanderdriften der Weltkulturen. Im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL findet sich dazu in der jüngsten Ausgabe ein Interview mit dem italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Zum Thema Sicherheitskontrollen an den Grenzen sagte er Mathias Schreiber und Matthias Matussek: "Wo es angeblich um Sicherheit geht, geht es in Wirklichkeit um Kontrolle und um Macht."
Im Berliner TAGESSPIEGEL am Sonntag schreibt Harald Martenstein zum Thema "Meinung oder Freiheit". Der Autor kommt zu der Erkenntnis:
"Weil ein freies Leben in vieler Hinsicht angenehmer ist als ein unfreies, darf der Westen zuversichtlich sein – auf lange Sicht besitzt sein Konzept der Freiheit die größere Sogkraft und bringt das stärkere Wirtschaftssystem zustande."
Ina Hartwig sucht in der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom Freitag nach dem Haar in der Party-Suppe, findet aber keines. Lothar Müller, den die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG entsandte, erinnert in der Wochenendausgabe daran, dass das Haus Suhrkamp 1950 in Berlin gegründet wurde, dass überhaupt auch der Fischer-Verlag, der sich in Frankfurt am Main breit gemacht hat, ursprünglich Berliner war. Es habe dann am Schluss der Party noch Preise geregnet, teilt Müller mit. Im Berliner TAGESSPIEGEL verspricht Marius Meller:
"Berlin wird sich nun mehr Zeit nehmen für Suhrkamp."
Und Eckhard Fuhr hält in der Tageszeitung DIE WELT mit einigem Staunen fest, "dass Berlin doch auch eine Hauptstadt der Literatur und des Geistes sei."
In dieser Hauptstadt fand in dieser Woche die Bilanzpressekonferenz des Staatsministers für Kultur und Medien im Bundeskanzlerinnenamt statt. Bernd Neumann blickte auf seine ersten 100 Tage im Amt zurück, was in den Tageszeitungen nicht viel Platz wegnahm, weil so viel nun auch wieder nicht zu melden war. Von "mager" bis "ohne Visionen" gingen die Kommentare, was ja wirklich keine bunte Palette ist.
Nun aber das Wochenmagazin FOCUS:
Eine Seite mit Foto von Bernd Neumann im dunklen Zweireiher mit Einstecktuch, die Arme um den Oberkörper verschlungen, als friere ihn. Dann – auf drei Seiten verteilt – ein Interview und weitere Fotos: Neumann und Merkel, Neumann und Schuster, Neumann und Schifferklavier. Schuster ist der Generaldirektor der Berliner Museen, und das Schifferklavier ist dem Bremer beim Erwerb der Lehrerexamensnote "sehr gut" behilflich gewesen. Alles Informationen, auf die man immer schon gespannt war.
Durch das Interview werden wir nun überrascht von der Information, dass Neumann sich von einer Zeitung zur Kandidatur für sein heutiges Amt gedrängt fühlte. Das ist allerdings die einzige Neuigkeit in diesem FOCUS-Interview. Und so bleibt die Ausbeute der ersten hundert Amtstage des Bernd Neumann mager.
Ein großes Thema war in der vergangenen Woche die Frankfurter Spiralblock-Affäre. Ein Schauspieler hatte einem Kritiker den Notizblock entwunden, hatte ihn zurückgegeben, worauf der Kritiker unter Türenschlagen und Mitnahme einer Verbalbeleidigung durch den Darsteller das Haus verließ. Dann wurde telefoniert, denn auch in Frankfurt am Main kostet eine Intrige nicht mehr als ein Ortsgespräch.
Man las das sehr ausführlich in der betroffenen FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, deren Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier sich beschmutzt und erniedrigt fühlte. In den übrigen Blättern wurde hin- und herüberlegt, was nun mehr verletzt wurde, die Freiheit der Kunst oder die Freiheit der Presse. In der Wochenzeitung DIE ZEIT adelte Peter Kümmel den Kritiker als "Meister des neunschwänzigen Verrisses" und bescheinigte seinen Texten die "Qualität grandioser Sprachwirbelstürme, die sozusagen alle Alfred heißen". Alfred wie Alfred Kerr, der Berliner Theaterscharfrichter der zwanziger Jahre, Vorbild des Frankfurter Nachwuchses.
Inzwischen stellte der Kritiker Christoph Müller im Berliner TAGESSPIEGEL klar, dass die Schauspieler-Ohrfeige, die vor 26 Jahren Gerhard Stadelmaier getroffen haben solle, nur ihm, Christoph Müller, gegolten habe. Inzwischen haben sich die Wogen auch gelegt, und der Schauspieler Thomas Lawinky ist berühmt, das in Frankfurt am Main aufgeführte Ionesco-Stück bekam einen anderen Titel, und weiterhin ist politischer Wahlkampf in der Mainmetropole.
Viel Wirbel machte der türkische Film "Tal der Wölfe", der mit großem Publikumserfolg auch in deutschen Kinos lief. Es handelt sich um einen vorderasiatischen Action-Film, dessen Handlung den Mustern dieser Sorte Kino folgt: Blut wird vergossen und die niedrigen Instinkte des Publikums werden reichlich bedient, ganz wie man es auch aus westlichen Action-Filmen kennt. Jörg Lau stellte in der Wochenzeitung DIE ZEIT fest:
"Die Stärke dieser Größenfantasie verdankt sich der realen Schwäche des Westens."
Allgemein wurde die Forderung des Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, den Film kurzerhand zu verbieten, zurückgewiesen. Im Berliner TAGESSPIEGEL war zu lesen, dass der Regisseur für einen kommerziellen Erfolg den Nachteil eingehandelt habe, "dass sein Name für ein antiamerikanisches und antiwestliches Machwerk steht."
Die weiteren großen Debatten der Woche handelten vom Karikaturenstreit und dem Auseinanderdriften der Weltkulturen. Im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL findet sich dazu in der jüngsten Ausgabe ein Interview mit dem italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Zum Thema Sicherheitskontrollen an den Grenzen sagte er Mathias Schreiber und Matthias Matussek: "Wo es angeblich um Sicherheit geht, geht es in Wirklichkeit um Kontrolle und um Macht."
Im Berliner TAGESSPIEGEL am Sonntag schreibt Harald Martenstein zum Thema "Meinung oder Freiheit". Der Autor kommt zu der Erkenntnis:
"Weil ein freies Leben in vieler Hinsicht angenehmer ist als ein unfreies, darf der Westen zuversichtlich sein – auf lange Sicht besitzt sein Konzept der Freiheit die größere Sogkraft und bringt das stärkere Wirtschaftssystem zustande."