Von Jochen Thies

Die Thematik rund um den Karikaturenstreit lässt uns nicht los, weiterhin beherrscht unter anderem die daraus resultierende Kontroverse zwischen den deutschen Migrationsforschern und den drei Autorinnen Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali oder Seyran Ates die Feuilletons. Außerdem berichtet die "FAZ" über die Pläne, das Göttinger Max-Plack-Institut für Geschichte durch ein anderes am gleichen Ort zu ersetzen, um ethnische und religiöse Konflikte zu studieren.
Moshe Zimmermann befasst sich in "DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" mit dem
Karikaturen-Streit und schreibt:

"Wenn Israelis auf judenfeindliche Karikaturen aus der muslimischen Welt so reagiert hätten wie die gegenwärtigen Moslems auf die Mohammed-feindlichen Karikaturen aus Dänemark, hätten seit Jahren hunderte von Botschaften islamischer Länder in aller Welt lichterloh gebrannt. Denn judenfeindliche, antisemitische Karikaturen mit direktem Bezug auf die jüdische Religion (zum Beispiel Ritualmord) sind in der muslimischen Welt gang und gäbe, und nicht erst seit der letzten Attacke des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad auf Israel und seinem Leugnen des Holocaust. Wie weit man gehen kann, veranschaulicht der soeben von einer Teheraner Zeitung initiierte Karikaturen-Wettbewerb zum Thema Holocaust."

Der in Jerusalem lehrende Historiker fährt fort:

"Muslimische Gesellschaften, die sich wie man weiß, erniedrigt und gedemütigt fühlen, suchen nach Geltung oder auch Vergeltung, benutzen ihre Religion auch als Mittel, als Zuflucht vor der eigenen gesellschaftlichen und kulturellen Misere. Die Zerstörung der Twin Towers am 11. September und die eifernde Reaktion auf die Karikaturen sind zwei Seiten derselben Münze – die Reaktion einer frustrierten, an Selbstvertrauen armen, vom "Westen" an den Rand des Weltgeschehens gedrängten Gesellschaft, die in fundamentalistischer Religiosität den einzigen Rückalt zu finden glaubt."

Miriam Lau befasst sich in "DER WELT" mit der Kontroverse zwischen den deutschen Migrationsforschern und drei Autorinnen, die das Thema Gewalt gegen Frauen auf eindringliche Weise in die deutsche und westeuropäische Öffentlichkeit gehoben haben. Dort heißt es:

"Im Windschatten des weltweiten muslimischen Volkszorns über die dänischen Mohammed-Karikaturen findet auch bei uns eine Kampagne in Sachen Islam statt."

Unter dem Titel "Gerechtigkeit für Muslime" war in der Wochenzeitung "DIE ZEIT" vom 1. Februar ein offener Brief erschienen. 58 Migrationsforscher unter der Federführung des Pädagogen Mark Terkessidis und Yasemin Karakasoglu beklagten sich darin über eine Reihe von Büchern, die das Thema Ehrenmorde und Gewalt gegen Frauen im Islam zum Gegenstand machen. Miriam Lau geht in die Einzelheiten:

"Autorinnen wie Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali oder Seyran Ates, so heißt es in dem Aufruf, hätten 'reißerische Pamphlete geschrieben, in denen eigene Erlebnisse und Einzelfälle zu einem gesellschaftlichen Problem aufgepumpt werden, das umso bedrohlicher erscheint, je weniger Daten und Erkenntnisse eine Rolle spielen.'

Tatsächlich haben alle drei Autorinnen persönliche Erfahrungen: Kelek aus ihrer eigenen Familie, Ates ist von einem Fremden in einer Beratungsstelle angeschossen worden, Hirsi Ali, Abgeordnete im holländischen Parlament, lebt unter Polizeischutz. Ihre Gegner halten ihr vor, den Islam pauschal als 'patriarchale und reaktionäre Religion' zu betrachten"."

Kelek entgegnet: ""Was haben alle diese Migrationsforscher eigentlich all die Jahre mit ihren Mitteln und Stellen getan, und was haben sie übersehen, dass so viele Probleme nicht erkannt wurden?"
"Am 16. Februar", so weiß Jürgen Kaube in der "FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG" zu berichten, "will die geisteswissenschaftliche Sektion der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in Berlin über den Vorschlag diskutieren, das Göttinger Max-Plack-Institut (MPI) für Geschichte durch ein anderes am gleichen Ort zu ersetzen."

Was soll dort erforscht werden? Eine sogenannte Perspektivkommision der MPG schlägt vor, fortan in Göttingen ethnische und religiöse Konflikte zu studieren.

"Unter dem Titel "Heterogene Gesellschaften" denkt man Kaube zufolge bei Max Planck seit längerem schon über eine Schwerpunktbildung nach, die einer "postnationalen" Gegenwartslage durch Forschung gerecht werden kann."

Ganz abgesehen davon, dass sich die so genannte Gegenwartslage fortlaufend ändert und damit Wissenschaftsmoden Tür und Tor geöffnet wird, bleibt das Faktum, wie Johann Schloemann zum gleichen Thema in der "SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" schreibt, dass es im Falle der Schließung "innerhalb der 78 Institute der Max-Planck-Gesellschaft keinen Ort mehr für die historische Grundlagenforschung geben wird."

Der Etat der Max-Planck-Gesellschaft beträgt gegenwärtig 1,3 Milliarden Euro. Die sieben geisteswissenschaftlichen Institute machen 3,4 Prozent der Gesamtausgaben aus, in absoluten Zahlen knapp 46 Millionen Euro. Zu Recht lautet bei Schloemanns Artikel die Hauptzeile: "Im Rausch der Anwendbarkeit".

"Was bleibt", schrieb Reinhardt Koselleck, "sind die getöteten Toten." Ulrich Raulff fährt in der "SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" fort:

"Aus diesem Satz spricht nicht nur die obsessive Erinnerung des Überlebenden an die Gefallenen und Ermordeten, sondern – hinter der Maske der doppelten Negation – auch der Wunsch des Historikers, der sich von keiner Dialektik und keiner Utopie den Tod wegreden lassen wollte: damit am Ende das Leben das letzte Wort habe."

Reinhart Koselleck verstarb vor wenigen Tagen in Bielefeld im Alter von 82 Jahren.