Von Jochen Thies

In der "Frankfurter Rundschau" denkt der Soziologe Peter Fuchs über den Weltjugendtag und dessen gezielten Appell ans Gefühl durch "riefenstahlsche Masseninszenierungen" nach. Die "Süddeutsche Zeitung" untersucht das Verhältnis Benedikts XIV. zu seinem Heimatland. Und "Die Welt" berichtet von den Andeutungen, die Norbert Lammert, Mitglied in Angela Merkels Kompetenzteam, zu seinen Vorstellungen als potentieller Kulturstaatsminister gemacht hat.
Der Kölner Weltjugendtag veranlasst den Soziologen Peter Fuchs in der Frankfurter Rundschau zu den folgenden Überlegungen:

"Seit einiger Zeit (und im Weltjugendtag gegenwärtig kulminierend) wird diese klare, trockene Kirche seltsam "sentimentalisiert". Es ist, als ob sie, diese sündige Pilgerin durch alle Turbulenzen der Zeiten, die nie auf einen Zug aufgesprungen ist, nur weil er modern ist, nun plötzlich Gefallen daran findet, auf diesen einen der jugendbewegten Gemeinschaftsseligkeit und ihre massenmediale Wirksamkeit aufzuspringen. Sie gibt sich den Anschein, dass sie schäumt und brodelt, auf Pumaschuhen läuft, die unvermeidlichen Rucksäcke, Handys und Walkmans trägt, dass sie wie eine soziale Bewegung sei, durch-enthusiasmiert und de-rationalisiert bis auf ihren Grund."

"Hunderttausende", fährt der in Neubrandenburg lehrende praktizierende Katholik fort, "mitunter Millionen, fassen sich an den Händen und zelebrieren Friede, Freude und zu Herzen gehende Gemeinschaft. Die Kirche, scheint es, hebt an zu schunkeln, sogar: zu rocken. Sie entdeckt die Popularität, sie wird, wie man gesagt hat, Pop."

Fuchs äußert starke Bedenken. Er meint: "Zum Beispiel werden wir Zeugen riefenstahlscher Masseninszenierungen. Das ist nicht nur formal so, sondern auch funktional äquivalent: Es geht um Giga-Appelle ans Emotionale, um bedenkenlose Gefühlsausschüttung, die als Instrument der Reflexionsblockade genutzt wird. Das herdersche "Ich fühle, ich bin", das goethische "Gefühl ist alles!" gewinnt dabei aktuelle Bedeutung. Es heißt jetzt: "Wir fühlen, wir sind jung, wir sind, und das ist alles!"

Fuchs resümiert:

"An die Stelle des Sakralen, des Numinosen tritt von sich selbst begeisterte Begeisterung. Gesucht wird die Kontingenz vernichtende seelische Bewegtheit, die schlichte Botschaft Nina Ruges: Alles wird gut! - irgendwie, irgendwann. Jemand wird’s richten. Habemus papam … Die katholische Kirche täte gut daran, Kontingenzen der Moderne auf ihre eigene Weise auszuhebeln. Kognitive Verfettung, die eines der Symptome sich selbst feiernder Systeme sind, sollte sie vermeiden. Und zur Kenntnis nehmen: Strohfeuer wärmen bekanntlich nicht lange, so wenig wie die Jugend lange währt"."

Ähnlich äußert sich Volker Panzer in der Welt.

"Was wir beim Weltjugendtag oder auch schon beim Sterben Johannes Paul II. erlebten, hat mit religiösem Glauben wenig zu tun. Im Gegenteil: Es ist ein Sichtbarwerden der Profanität der Welt und des Bedürfnisses nach einem Wärmestrom in Zeiten der Globalisierung und der Medialisierung der Welt. Wir wissen ja, dass wir alles, was wir von der Welt wissen, aus den Massenmedien wissen. Der Siegeszug der Kameras als allgegenwärtiges Auge einer unsichtbaren Sendezentrale hat ein Phänomen hervorgebracht, das man vielleicht als "global entertainment" bezeichnen kann."

Alexander Kissler untersucht in der Süddeutschen Zeitung die Beziehung von Bendikt XVI. zu seinem Heimatland und meint, dass ihm Deutschland über die Jahre fremd geworden sei, dass er nun in das Land seiner einstigen Widersacher zurückgekehrt sei.

"Seit 1968 verschieben sich, klagt Ratzinger, die Gewichte weg von der Kirche als Communio hin zum Consilium, von der Glaubens - und Schicksalsgemeinschaft zur Quasselbude und durchdemokratisierten "Räte-Kirche". Speziell an den deutschen Gremienkatholizismus ist dieser Vorwurf gerichtet,"

weiß Kissler zu berichten.

Dennoch hält der Verfasser für die Zukunft eine günstige Prognose bereit:

"Wenn die Zeichen nicht trügen, markiert der Wechsel vom polnischen Charismatiker zum scheuen Beter eine Zeitenwende. Der mönchische Geist, den Benedikt schon durch seinen Namen verkörpert, der Geist des Maßhaltens und der Innerlichkeit, könnte sich als das benötigte Kontrastprogramm herausstellen zum Geist des Machens und der Leistung. Vielleicht gibt es doch noch ein Happy End in dieser Zerrüttungsgeschichte zwischen den Deutschen und ihrem Papst."

Marc Zitzmann beleuchtet in der Neuen Zürcher Zeitung das Lebenswerk von Frère Roger, der bei der Abendandacht in Taizé Opfer einer Gewalttat wurde.

"Heute besteht die Gemeinschaft aus rund hundert Brüdern, die etwa 30 Ländern entstammen und allen (christlichen) Konfessionen angehören. Kennzeichen von Taizé sind eine vereinfachte Liturgie und der unerschütterliche Glaube an die Einheit des Christentums. Theologische Debatten oder gar Diskussionen über das Funktionieren der kirchlichen Institutionen treten in den Hintergrund. Gelegentlich wurde deshalb der Vorwurf laut, in Taizé werde eine Ökumene des "kleinsten gemeinsamen Nenners" gepflegt. Doch widerfuhr den Initiativen von Frère Roger sowohl seitens der Päpste Johannes XXXIII. und Johannes Paul II. als auch des Erzbischofs von Canterbury sowie mehrerer orthodoxer Patriarchen hohe Wertschätzung",

schreibt Marc Zitzmann.

Petra Steinberger befasst sich in der Süddeutschen Zeitung mit den israelischen Siedler-Kindern, die radikaler als ihre Eltern sind.

"Hilltop Youth nennen sich die extremsten unter ihnen inzwischen stolz selbst, die "Jungen der Hügelkuppen". Sie ziehen aus schon bestehenden Siedlungen im Westjordanland und nehmen, meist nur ein kleines Stück entfernt von der "Muttersiedlung", eine Hügelkuppe in Besitz, um eine neue Siedlung zu gründen - ungenehmigt, illegal, aber das gehört sozusagen zum Spiel. Sie stehen dem 1990 ermordeten, rechtsradikalen Meir Kahane nahe und halten die Landnahme der besetzten Gebiete für ein absolutes Recht, das es gegen die Araber zu verteidigen gilt. Viele von ihnen sind bereit, auch gegen die eigene Armee und Polizei anzutreten. Inzwischen werden sie vom israelischen Geheimdienst Shin Bet überwacht. Dort hat man sie laut der israelischen Zeitung "Yediot Aharonot" schon mal mit der Hamas verglichen, ja man könnte sie als deren Gegenspieler auf israelischer Seite bezeichnen."

Zum Kompetenzteam, das Kanzlerkandidatin Angela Merkel in dieser Woche vorstellte, gehört auch Norbert Lammert, der, wie Stefan Kirschner in der Welt schreibt, bodenständige Chef der Ruhrgebiets-CDU. Bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin deutete Lammert seine Vorstellungen als potentieller Kulturstaatsminister an. Er sagte unter anderem: "Der Bund hat sich in Bereichen breit gemacht, in denen er originär nichts zu suchen hat". Kirschner zufolge benutzt Lammert "gern das Wort von der 'kooperativen Kulturpolitik', von einem Miteinander des Bundes und der Länder. Versöhnliche Worte vom wahrscheinlich künftigen Kulturstaatsminister, der als Gegenleistung allerdings erwartet, dass die Länder künftig nicht nur mitreden dürfen, sondern auch mehr zahlen sollen", heißt es in der Welt.