Von Jochen Thies

Die "SZ" prognostiziert, dass die mögliche Wahl am 18. September die deutsche Parlamentslandschaft verändern könne. Die "Frankfurter Rundschau" befragt den Schriftsteller Martin Mosebach zur Bedeutung des Konservativen in der heutigen Welt. Zum britischen Multilkulturalismus und seiner Doppelmoral berichtet die "FAZ".
Die "SZ" prognostiziert, dass die mögliche Wahl am 18. September die deutsche Parlamentslandschaft verändern könne. Die "Frankfurter Rundschau" befragt den Schriftsteller Martin Mosebach zur Bedeutung des Konservativen in der heutigen Welt. Zum britischen Multilkulturalismus und seiner Doppelmoral berichtet die "FAZ".

"Am Abend des 18. September", schreibt Franz Walter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "könnte sich die deutsche Parlamentslandschaft mit einem Schlag verändern. Bislang ist die Republik im Wesentlichen Regierungen und Bündnisse kleiner Koalitionen gewohnt. Es spricht viel dafür, dass es damit im Herbst 2005 vorbei sein dürfte. Halten die Grünen und die neue Linkspartei in etwa ihre gegenwärtigen Umfrageergebnisse, verliert die Union noch ein wenig, legen die Sozialdemokraten zwei oder drei Prozentpunkte zu, dann gibt es weder eine Mehrheit für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün".

Der Göttinger Politikwissenschaftler fährt fort:

"Ernsthaft aber muß man für den Herbst 2005 mit einer (…) großen Koalition rechnen. Alt-68er mögen das wie eh und je als Menetekel, als Anschlag auf die Demokratie geißeln. Aber für das Land ist die große Allianz von Bürgertum, Kirchen und Arbeitnehmerbewegung – wie man das früher wohl klassisch formuliert hätte – besser als die bislang gepflegte kleinteilige Binnenintegration nur des jeweils einen Lagers. Denn Deutschland hat eine Menge Probleme".

Walter beschreibt danach ihren Kern:

"Es gibt kaum ein anderes demokratisches Land, in dem der politische Gestaltungsspielraum so reduziert ist wie in Deutschland. Nirgendwo jedenfalls ist das Obstruktionsarsenal der Nicht-Regierungsparteien so aufgefüllt wie hier. In England etwa ist die Opposition durch und durch ohnmächtig; sie kann schreien, wüten und attackieren, es interessiert im Grunde niemanden. In Deutschland aber steht die Opposition machtpolitisch stets mitten in der Arena, über ihre Ministerpräsidenten, im Bundesrat, in den öffentlich-rechtlichen Gremien, über ihre Repräsentanten und Anhänger in den Tarifparteien, in den korporatistischen Bündnissen, mit Richtern ihrer Couleur auch im Bundesverfassungsgericht".

Walter weiß:

"Durchschlagende Reformen sind in den letzten Jahren nur in denjenigen Staaten gelungen, die – wie in England und Neuseeland – über eine außerordentlich geringe Zahl von innergesellschaftlichen Vetomächten verfügten oder aber – wie in der Schweiz und den Niederlanden – ihren Koalitionsbogen weit ausgespannt hatten. "

Zur historischen Parallele vor fast 40 Jahren meint der Politologe:

"Auch 1969 stand am Ende der Regierung Kiesinger-Brandt nicht die autoritäre, demokratisch deformierte Gesellschaft, sondern der Frühling des Sozialliberalismus, der Aufbruch neuer sozialer Bewegungen und der Beginn vielfältiger bürgergesellschaftlicher Emanzipationsansprüche. Die zuvor großkoalitionär fraternisierten Volksparteien standen danach in scharfer programmatisch kontroverser Abgrenzung gegeneinander".
Soweit Franz Walter.

Ina Hartwig befragt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU den Schriftsteller Martin Mosebach zu Bedeutung des Konservativen in der heutigen Welt. Der Literat meint:

"Bis zur industriellen Revolution waren die Lebensbedingungen, von den klimatischen Differenzen abgesehen, in der ganzen Welt sehr ähnlich. Gegenwärtig erleben wir nicht den Zusammenstoß von Zivilisationen, sondern den Endkampf jener Zivilisationen, die sich noch verzweifelt gegen den Sieg der industriellen Revolution wehren, obwohl sie de facto schon von ihr überwältigt worden sind. Mich überzeugt die These, dass wir eine Umwälzung erleben von den Ausmaßen, wie sie die Zähmung des Feuers in der Steinzeit besaß. "

Zu Alltagsleben meint Mosebach:

"Ich glaube, es gibt nichts Köstlicheres als ein von festen Gewohnheiten geprägtes Leben. Gewohnheiten geben dem Leben eine Form, die es sogar zum Kunstwerk machen kann. Ich bewundere Verhältnisse, in denen die Menschen nach festen Gewohnheiten leben, essen, sich anziehen, sprechen. Solche Gewohnheiten sind das Fundament der Kultur."

Zum britischen Multilkulturalismus und seiner Doppelmoral berichtet Gina Thomas in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Als Ray Honeyford, Leiter einer Schule in Bradford, in der asiatische Kinder die große Mehrheit bildeten, vor zwanzig Jahren auf Englisch als der vorherrschenden Sprache im Unterricht bestand, wurde er von linken Politikern und einer Handvoll extremer Asiaten als Rassist verunglimpft und aus dem Amt geschasst. "

Frau Thomas über einen zweiten Fall:

"Als David Goodhart, Herausgeber des liberalen Monatszeitschrift "Prospect", kürzlich in einem Essay die Spannungen im Wohlfahrtsstaat zur Sprache brachte, welche die ethnische Vielfalt erzeugt, und für eine Definition gemeinsamer Werte plädierte, die "breit genug sind, um Menschen aus vielen unterschiedlichen Milieus einzuschließen, ohne derart breit zu sein, dass sie bedeutungslos wird," wollte man auch ihn in die rechte Ecke abschieben. "

Gina Thomas berichtet ferner, dass die BBC sich weigerte, die Londoner Attentäter als "Terroristen" zu bezeichnen, weil der Begriff das Verständnis eher behindere als fördere und ein öffentlich-rechtlicher Sender objektiv berichten müsse.

Die langjährige Großbritannien-Korrespondentin kommt zu dem Schluss, dass immer neue Konzessionen an die 1,6 Millionen britischen Muslime gemacht werden, von denen 13 Prozent die Terrorangriffe am 11. September 2001 guthießen. Weiter heißt es bei ihr:

"Man versucht, sie zu beschwichtigen, sei es durch kleine Gesten wie das Verbot der österlichen "hot cross buns", weil die symbolische Anspielung auf die Kreuzigung Christi die Anhänger des Islam verletzten könnte, oder durch große Schritte wie das geplante Gesetz gegen die Aufhetzung zum Religionshass, das jahrhundertealte britische Bürgerrechte einschränkt."

Zum Tode von Lothar Romain schreibt Manfred Schneckenburger in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Ein ungewöhnlicher Kunsthistoriker ist von uns gegangen (…) Seit 1996 war Lothar Romain Präsident der Universität der Künste in Berlin gewesen. Er hat dabei Großes geleistet. Aber auch schon vorher scheute er vor keiner Gremienpräsenz, weder vor Kulturpolitik noch vor Kulturmanagement zurück. Gesellschaftliche Einbindung und künstlerische Autonomie verstand er immer als Pole, zwischen die seine Arbeitsbiographie gespannt war (…) Drei Jahrzehnte lang stand Romain, ohne jeden Aktionismus, als einer der großen Anreger, Berater, Bewirker auf Seiten der Kunst (…) Für viele junge Künstler war er der erste Autor oder Ausstellungsredner, der ihrem Selbstverständnis sichere Grundlinien vorgab: weit mehr als ein Lebensvorspiel zur Präsidentschaft der Universität der Künste in Berlin, die in ihrer heutigen Form der letzte große Beitrag Romains zu einer Neugründung ist."

Der Verfasser von 30 Büchern, darunter wichtige Monographien über Warhol, Heiliger und Schultze wurde nur 61 Jahre alt.