Von Jens Brüning

"Die Welt" bezeichnet den diesjährigen Literaturnobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio als Außenseiter und findet die Wahl abseitig. Die FAZ hingegen meint, Le Clézio sei ein würdiger Preisträger. Außerdem in den Feuilletons: die Bocksprünge des Finanzmarktes und die Vergabe des Thomas-Mann-Preises der Bayerischen Akademie der Schönen Künste an Thomas Steinfeld.
"Eigentlich wollte er gar keine Preise mehr annehmen", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Thomas Steinfeld schreibt hier nicht über den Literaturnobelpreisträger, sondern über den ersten Empfänger des Thomas-Mann-Preises der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Wie gesagt, er wollte den Preis nicht annehmen, schreibt Steinfeld, "aber dann freute er sich doch, obwohl er sich eigentlich über Preise nicht freut, obwohl, doch, manchmal." Der Preisträger, der seinen Laudator ziemlich in Bedrängnis brachte, da dieser sich an eine Szene erinnerte, an die sich der Gelobte ganz anders erinnerte, also dieser komplizierte Mensch, der auch kompliziert denkt und schreibt und redet, heißt Peter Handke. Der trat übrigens von der Bühne ab, weil er zwanzig Menschen im Saal erwartet habe, aber nicht zweihundert. Ein Fall von Bescheidenheit.

Der diesjährige Literaturnobelpreisträger soll ein scheuer Mensch sein. In der Tageszeitung DIE WELT wird er als Außenseiter bezeichnet. Elmar Krekeler findet die Wahl von Jean-Marie Gustave Le Clézio abseitig und meint:

"Selbst nachts um drei würden mir drei Franzosen einfallen, mit denen man besser hätte leben können als mit diesem."

Recht ausgeschlafen gibt Manfred Flügge in der WELT Auskunft über den Preisträger.

"Er flieht das gesellschaftliche und literarische Geschwätz."

Tilmann Krause erwähnt im selben Blatt einen der Gründe für des Literaten ungebremste Produktivität:

"Er hatte umso mehr Zeit, sich fast ausschließlich dem Schreiben zu widmen, als er sein Leben, sehr unfranzösisch, weitgehend fernab der Kapitale verbrachte, fernab der zivilisierten Welt, fernab des Literaturbetriebs."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU hebt Ina Hartwig hervor:

"Fast alle Bücher Le Clézios sind mit der Kolonialgeschichte – nicht nur Frankreichs, auch Englands – verbunden."

Joseph Hanimann findet beim Nobelpreisträger die "Idee einer Weltliteratur" und lobt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Engagement trägt hier keine Fahnen."

Im selben Blatt vermutet Jürg Altwegg den Beginn eines "Kulturkampfes" zwischen der alten und der neuen Welt, hatte doch Nobel-Sekretär Engdahl in der vergangenen Woche der US-amerikanischen Literatur die Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen. Dennoch schreibt Altwegg in der FAZ:

"Die Welt bekommt einen würdigen Nobelpreisträger."

Das meint auch Alex Rühle in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Er schaut auf die Themen des gepriesenen Autors:

"Letzten Endes blickt Le Clézio oftmals selber mit eurozentrischem Blick auf all die Gegenden, wenn er in seiner Sehnsucht nach dem Heilen, Unverstellten, nach dem anderen Licht, diese Landschaften zu Paradiesen verklärt."

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG stellt Peter Urban-Halle fest:

"Der Stockholmer Akademie ist wieder einmal eine Überraschung gelungen, da kann man nichts machen."

Immer noch überrascht ist das globale Feuilleton von den Bocksprüngen des Finanzmarktes. Andreas Zielcke sorgt sich in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG um die Macht im Staate: "Nie", schreibt er, "war die Politik so radikal auf die Ad-hoc-Imperative des Finanzmarktes ausgerichtet wie jetzt, wo er darniederliegt."

Und Ulli Kulke sucht in der Tageszeitung DIE WELT die Lösung aller Geld- und Weltprobleme in den Bildgeschichten des Dagobert Duck, wenngleich er nach einem sehr ausführlichen Essay über die Wandlung vom Geld- in den Fischmarkt zu der Erkenntnis kommt, es habe sich dabei um eine Ente gehandelt:

"Ins Blatt gehoben von Donald, Dagoberts Neffen."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gibt der Soziologe Lord Ralf Dahrendorf Auskunft über den Turbokapitalismus. Es liest sich köstlich, wenn er berichtet, wie geruhsam es dereinst in Londons Finanz-City zuging.

Und entspricht einem Wort des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, der dem Berliner TAGESSPIEGEL sagte:

"Wir sollten versuchen, dem Druck der Überbeschleunigung standzuhalten."