Von Jens Brüning

Die "Zeit" befasst sich ausführlich mit den Folgen der Finanzkrise. Die "FAZ" geht davon aus, dass das "Denkmal der Freiheit und Einheit" wohl dreimal so teuer werden wird wie geplant. Und die "taz" zitiert den Medientheoretiker Norbert Bolz mit folgendem Satz: "Je mehr Geld die Welt regiert, umso urbaner und ziviler wird sie."
"Der Kapitalismus hat eine Postadresse", lesen wir in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Der als Poptheoretiker bekannte Diedrich Diederichsen kennt die Adresse sehr genau, und er weiß, dass es eine Deckadresse ist. Gelesen wird die Post, die an die Nummer 11 in der Wall Street geht, in den Büros der Börse. Diederichsen erinnert an die Briefe, die Kinder dem Weihnachtsmann schreiben. Die Eltern dieser Kinder wissen, in welchem Postamt sie die abgeben müssen. In diesem Zusammenhang gewinnt an Bedeutung, was außerhalb des Begriffs "Kapitalismus" angesiedelt ist. Diederichsen schreibt in der ZEIT:

"Man muss glauben – an was immer gerade als wertvoll gehandelt wird. Sonst stürzt alles ein."

Und führt geradewegs in eine andere Metaphorik, nämlich zu den "besinnungslosen Sprüngen ins Nichts, die den Wall-Street-Mythos ausmachen." Das Nichts ist in der Wall-Street ziemlich hartes Pflaster.

In kurzen Gedankensplittern widmen sich drei weitere ZEIT-Mitarbeiter dem "Ruin des kapitalistischen Heilsversprechens". Thomas Assheuer urteilt:

"Der märchenhafte Way of Life der USA ist auf Pump gebaut, die Steuersenkungspolitik nützte vor allem den Wohlhabenden in den Premiumlagen, der Graben zwischen Arm und Reich ist schwindelerregend. Die effektive Analphabetenquote erreicht fast 28 Prozent, 2,3 Millionen US-Bürger sitzen im Gefängnis."

Dass es sich bei diesen 2,3 Millionen nicht um Wall-Street-Broker handelt, setzen wir als bekannt voraus. Thomas Assheuer weiß auch und schreibt in der ZEIT:

"Nach dem jüngsten Zusammenbruch der virtuellen Welt sind die Menschen real arbeitslos oder müssen real ihre Häuser verkaufen."

Es gibt in dieser Zusammenstellung unter dem Titel "Pleite der letzten Utopie" so hübsche Formulierungen wie "Jungfrauenmaschine", womit der Handel mit Finanzwerten bezeichnet wird, oder den Begriff "Sozialintegrative Macht der Solidarität", bei dessen Nennung sich wohl jeder Besitzer gewisser Mengen von Nullen vor dem Komma auf dem Kontoauszug zum Fragezeichen verkrümmt. ZEIT-Feuilletonchef Jens Jessen erinnert indes an den Altmeister der europäischen Philosophie:

"Kant knüpfte die Freiheit an die Vernunft, die uns überhaupt erst befähigt, das Gute zu erkennen."

Der vorwitzige Gesamtredakteur des ZEIT-Feuilletons, der sich hinter dem Namen "Finis" versteckt und – da er als Letzter zur Feder greift – immer alles besser weiß, hat die Kursbewegungen der "Ikarus-Zertifkate" der Schweizer Großbank UBS beobachtet. Man weiß, dass jener Ikarus der Sonne zu nahe kam und abstürzte. "Finis" weiß es besser:

"Vom griechischen Mythos ist ein zweiter Schluss überliefert. … Hier erholt sich Ikarus vom Sturz und landet mit seinem Vater Daedalus wohlbehalten im reichen Sizilien."

Wir verharren skeptisch, denn heutzutage ist Sizilien auch nicht mehr Heimstatt der Reichen. Es bleibt aber Hoffnung, wenn wir "Finis" glauben wollen:

"Seit gestern steigt der Börsenkurs von UBS … wieder."

Um weiter in der Welt des Geldes zu bleiben, sei kurz der Artikel von Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG erwähnt, in dem er darauf hinweist, dass das in Berlins Mitte geplante "Denkmal der Freiheit und Einheit" wohl dreimal so teuer werden wird wie geplant. Im selben Blatt berichtet Kerstin Holm von einer "millionenschweren Mammutschau" in Moskau, in der keine ausgestorbenen Ur-Elefanten, sondern allerlei Kunstwerke gezeigt werden. Holms Fazit:

"Auf dem Schiff der Zukunft ist nicht für alle Platz."

In der TAGESZEITUNG, kurz TAZ wird der Medientheoretiker Norbert Bolz mit einem, seine Kenntnis vom Lauf der Welt charakterisierenden Satz zitiert:

"Je mehr Geld die Welt regiert, umso urbaner und ziviler wird sie."

Bolz sagte dies auf einem Philosophen-Kongress. Und zu guter Letzt wird man eines Tages von den Ereignissen der letzten Wochen das lesen können, was am Ende einer Filmkritik im Berliner TAGESSPIEGEL steht:

"Es ist damals irre viel passiert."