Von Jens Brüning

Ist Charlotte Roches Aufregerroman "Feuchtgebiete" eigentlich von einem Mann geschrieben worden? Diese Frage wirft die "taz" auf und nennt die üblichen Verdächtigen wie Roger Willemsen und Bodo Kirchhoff als mögliche Hintermänner. Die Feuilletons der "Süddeutschen Zeitung" und "Frankfurter Allgemeinen" haben Ernsteres im Blick: Die Lage in Tibet und den Besuch des Dalai Lamas.
"Hat die Literatur ein Dopingproblem?", lesen wir in der TAGESZEITUNG, kurz TAZ. Diese Frage könnte Christian Kortmann bezogen auf allerhand derzeit laufende Literaturdebatten anwenden, zum Beispiel auf jene um den Roman Jonathan Littells, der einen homosexuellen Intellektuellen in SA-Uniform über die Schauplätze des Zweiten Weltkrieges hetzen lässt.

Aber Christian Kortmann zielt auf eine zuvor literarisch nicht besonders auffällig gewordene ehemalige Musikmoderatorin, die mit "maximal durchgeknalltem Zeug" unter dem Titel "Feuchtgebiete" ultimatives Aufsehen erregte und inzwischen fast Auflagenmillionärin ist. Zu Recht fragt Kortmann in der TAZ:

"Ist nicht die Debattensimulation an sich, dieser Themen-Tsunami, den manche Medien zunächst ignorierten, der dann aber alle überrollte, das eigentliche Zeitzeichen?"

Denn, auch da können wir nur zustimmend nicken, "das Werk entsteht erst, indem wir und vor allem die Autorin selbst darüber reden". Nun wäre aber eine Debatte keine Debatte, wenn sie nur Gewöhnliches fortschriebe. Das weiß natürlich der TAGESZEITUNGS-Mann Kortmann. Er stellt die Mutmaßung in den Raum, es handele sich bei der Verfasserin der "Feuchtgebiete"-Suada um ein Experiment, bei dem die angebliche Autorin nur als Redepüppchen benötigt wird, um den Mann, der sich das in seinem kranken Kopf alles ausgedacht hat, zu decken.

Unter den üblichen Verdächtigen sind Roger Willemsen und Bodo Kirchhoff, beide einschlägig erfahren und ausgewiesen durch Veröffentlichungen im Zwischenbereich von "weiblicher Ich-Perspektive" und "Schundroman". Der abgeklärte Journalist in uns kommentiert solche vermeintlichen Enthüllungen mit dem Lehrsatz:

"In China ist soeben ein Sack Reis umgefallen."

Von dort hinten, vom anderen Ende Eurasiens, gibt es allerdings derzeit weitaus gewichtigere Dinge zu berichten. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG behauptet Andrian Kreye:

"Tibet war in den Augen Europas schon immer das bessere China","

und belegt das mit allerhand weltläufigen Zitaten. Auch Hollywood-Stars finden Tibet wenigstens mythisch, und ganz nebenbei erfahren wir noch, dass Sir Edmund Hillary damals am 29. Mai 1953 auf den Gipfel des Mount Everest gepinkelt habe, während sein Begleiter dort eine Opfergabe für die Götter vergrub. Nun, Kreye zieht daraus unter anderem den Schluss:

""Nur der Eindringling kann die Eingeborenen von ihrem Zustand naturgegebener Verwahrlosung erlösen, sei es mit Bibel, Technik oder dem Kommunismus."

Er meint das aber, wie wir die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kennen, nicht positiv.

Sabine Wienand kommentiert in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die derzeitigen Turbulenzen um den Besuch des Dalai Lama in der Bundesrepublik Deutschland. "Eine Aufwertung des Dalai Lamas durch politische Aufmerksamkeit", schreibt sie, "führt mit schöner Regelmäßigkeit dazu, dass China einschnappt."

Das kann natürlich niemand wollen, wo doch die Völker verbindenden Olympischen Spiele in jenem fernen Land bevorstehen. Das Dilemma ist, bezogen auf China nebst autonomer Region Tibet:

"Wo die Wirtschaft im Rest des Landes boomt, schrumpft sie in Tibet."

Das liegt unter anderem daran, erfahren wir aus der FAZ,

"dass eine von außen aufgezwungene Modernisierung, die die kulturellen Eigenheiten der damit Beglückten nicht berücksichtigt, nicht funktionieren kann."

Das hatten wir in unseren tiefsten Bewusstseinsregionen auch schon abgespeichert, aber man kann solche Merksätze nicht oft genug wiederholen.

Auch darum sind wir ausgesprochen froh, dass uns Willi Germund in der BERLINER ZEITUNG von seinen Abenteuern bei der Übermittlung von Nachrichten aus der Überschwemmungsregion in Birma berichtet. Er hat alle seine Berichte übermitteln können, trotz Zensur und Militärregime. Eines seiner Geheimnisse gibt er an alle weiter:

"Ohne Tunnelsoftware sollte niemand nach Birma fahren."