Von Jens Brüning

Die Feuilletons befassen sich mit dem Kampfeinsatz von Prinz Harry in Afghanistan. Außerdem: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung und die anstehenden Wahlen in Russland.
"Stillschweigeabkommen mit der Presse haben in England Tradition", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Und so war es auch kein inländisches Medium, das verriet, wo Unterleutnant Harry Windsor derzeit seine Tage verbringt, nämlich in Südafghanistan. Gina Thomas und Jochen Hieber schreiben in der FAZ:

"Es hat durchaus mit journalistischer Ehre zu tun, dass in England niemand der erste – und damit der Verräter – sein wollte, der das Schweigen brach."

Denn selbstverständlich wussten alle vorher, dass die Nummer drei der britischen Thronfolge nicht in der heimischen Kaserne zu halten war, wenn seine Kameraden gegen die Taliban zu Felde ziehen würden. Insofern brachen nach der Enthüllung die Dämme, und alles Material, das klandestin gesammelt worden war, kam an die Öffentlichkeit:

"Der Prinz war in seinem Unterstand zu mehreren Interviews bereit – lediglich fünfhundert Meter von den Schützengräben der Taliban entfernt."

Und was er zu sagen hatte, war durchaus "fit to print", wie der englische Ausdruck für den Sachverhalt lautet, dass etwas einer Meldung wert sei. Wir lesen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Die Königin, verriet er etwa, sei ‚sehr cool’ gewesen, als er mit ihr den Einsatz in Afghanistan besprochen habe."

Cool Britannia eben. Die Heimlichtuerei um den Fronteinsatz des Partyprinzen und ihre Aufdeckung hatte durchaus positive Folgen:

"Das Ansehen des Prinzen ist sofort stark angestiegen."

Eine ebenfalls existenzielle Frage erörtert Andreas Zielcke in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"Wie viele PCs wissen mehr über ihre Nutzer als diese selbst?"

Dieses interessante Problem erwuchs in der vergangenen Woche durch das grundlegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ausspähung privater Computer durch Strafverfolgungsorgane. Denn nur so wird ein Schuh daraus: Ein PC plaudert nur, wenn er direkt gefragt wird. Dann aber ist Gefahr im Verzug, weiß Zielcke und schreibt in der SZ:

"In ihm ist der Nutzer, hat er erst einmal das Gerät samt den Online-Kontakten eine Weile im Gebrauch, gründlicher, intimer und auch schonungsloser dokumentiert als in jedem noch so ausführlichen Steckbrief."

Merke: "Gegen den vollständigen Einblick in einen PC dürfte in vielen Fällen die Selbstentblößung im Hydepark harmlos sein." So Andreas Zielcke in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.

Am Sonntag findet in Russland eine Wahl statt. Der in Berlin lebende gebürtige Moskauer Wladimir Kaminer hat dazu einen Film gedreht. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU sagt er:

"Der Kampf gegen freie Meinungsäußerung, den in Russland manche Behörden betreiben, ist unsinnig." Das sei wahrscheinlich nicht einmal offizielle Kreml-Politik, erfahren wir. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG schreibt der ebenfalls in Moskau geborene 61-jährige Schriftsteller Viktor Jerofejew zur Wahl in Russland:

"Die Russen sind davon überzeugt, dass Präsidenten mit ihren Sekretärinnen schlafen, erst recht, wenn die Präsidenten sich die Haare gefärbt haben."

Beide Bemerkungen beziehen sich auf ehemalige Machtinhaber anderer Staaten, und Jerofejew beschäftigt sich in seinem Aufsatz für die FAZ vor allem mit Gerhard Schröder. Der steht am Sonntag allerdings nicht zur Wahl. In der Tageszeitung DIE WELT gesteht derselbe Viktor Jerofejew:

"Ich gehe nicht wählen, weil mir schlecht ist."

Und er wagt die Prognose: "Die Zukunft Russlands ist heute, wie schon so oft, völlig offen und unberechenbar."

Berechenbar ist die Erfolgsstory des Romans "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell, über dessen Bühnen-Unterhaltung im Berliner Ensemble mit Daniel Cohn-Bendit alle Zeitungen mehr oder weniger enttäuscht schreiben. Sieglinde Geisel meint in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:

"Mit seinen fahrigen Gesten verkörpert er, merkwürdig genug, das angelesene Wissen eines Strebers, der zeigen will, was er weiß."