Von Jens Brüning

Dem 25. Todestag von Romy Schneider widmet der "Spiegel" in dieser Woche seine Titelgeschichte. Für ihre plumpe Berichterstattung über den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri kritisiert die "Süddeutsche Zeitung" die "Bild". Außerdem bespricht die "SZ" die Ausstellung "Kempowskis Lebensläufe" in der Berliner Akademie der Künste.
"Sie trank weiter, Rotwein, auch in der Nacht vor ihrem Tod", "

lesen wir im Wochenmagazin DER SPIEGEL. Hier schrieb der Feuilletonchef persönlich. Zusammen mit Lars-Olav Beier signiert Matthias Matussek die Titelgeschichte zum 25. Todestag der Schauspielerin Romy Schneider. Sie präsentieren sie in der Überschrift als "Die Königin der Schmerzen" und zeigen sie schon zwei Seiten danach völlig entblößt auf dem Teppich. In das Bild eingeblendet ist das von Romy Schneider stammende Zitat: "Wer behauptet, dass Nymphomanie eine Krankheit ist?"

In der Art ist die ganze Titelgeschichte, ein wildes Prasseln von Textbausteinen aus verhangenem Himmel. Und abgedruckte Fotos werden uns im Text noch einmal extra beschrieben. Früher, als unter den Artikeln im SPIEGEL noch keine Namen standen, hatte man den Eindruck, ein ideeller Gesamtautor gehe noch einmal alle Texte durch und schleife sie auf SPIEGEL-Sprech zurecht. An diesem zwölfseitigen Wortsalat hätte er sich eine wenigstens einwöchige Depression geholt. Nicht wegen der Lebensgeschichte Romy Schneiders, notabene.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG übernimmt die Kollegenschelte der einst beim SPIEGEL zu Ruhm gekommene Hans Leyendecker. Er las die BILD-Zeitung, die gefragt hatte: "Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?" Gemeint war damit – und so stand es in der BILD-Zeitung: "Der irre Deutsch-Libanese, der einen Supermarkt anzündet."

Hans Leyendecker qualifiziert diesen Artikel als "Hetze", als "Aufwiegelung, üble Propaganda". Und mit Recht verweist er auf Heinrich Böll, der vor 25 Jahren den Nobelpreis verliehen bekam, und nur wenige Monate davor die BILD-Zeitung im SPIEGEL als "faschistoid" bezeichnet hatte. Danach entstand dann der Roman "Die verlorene Ehre der Katharina Bluhm", durchaus gespeist aus Erfahrungen des Autors mit dem Boulevard-Blatt, dem Hans Leyendecker in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bescheinigt:

" "Die Unbarmherzigkeit gegenüber Schwächeren beschränkt sich nicht nur auf manche Autoren bei 'Bild'."

Bezogen auf das Opfer der BILD-Schlagzeile namens Khaled el-Masri lesen wir in der SZ:

"Die Skepsis der Straße, das alltägliche Vorurteil, das ihn kaum noch nach draußen gehen ließ, bekommt die Bestätigung durch die Gossenpresse."

Die Glaubwürdigkeit el-Masris sei bescheinigt worden, argumentiert Hans Leyendecker, und viele Politiker hätten anerkannt, dass dem Opfer der CIA-Entführung "großes Unrecht widerfahren" sei. Das nun werde von Artikeln wie dem zitierten forsch beiseite gewischt. Reden von sauberem Journalismus, Erklärungen über die Qualität der Springer-Presse erweisen sich nach Ansicht von Hans Leyendecker als "Konfetti". Er kommt zu diesem Fazit:

"Das Wort Unternehmenskultur klingt angesichts der el-Masri-Berichterstattung wie Hochstapelei."

Ein ganz besonders feiner Mensch wurde am Wochenende in der Akademie der Künste zu Berlin mit einer großen Ausstellung seines Lebenswerks geehrt. Er konnte selbst nicht dabei sein, da er schwerkrank darniederliegt. Der Sohn las die Dankesworte seines Vaters Walter Kempowski:

"Ich danke all denen, die mein Werk wohlwollend begleiteten, und ich verzeihe jenen, die es ignorierten."

Das ist der letzte Satz der Ausstellungsbesprechung von Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Eckhard Fuhr erinnert in seiner Würdigung der Kempowski-Ausstellung in der Tageszeitung DIE WELT an zwei andere "Volksdichter". Gustav Freytag und Berthold Auerbach mit Walter Kempowski in Beziehung zu setzen, ist einigermaßen verwegen. Immerhin lobt Eckhard Fuhr in der WELT die junge Dichter-Generation, die sich von Grass und Walser abwende. Wir lesen:

"Was suchen Sie? Wahrscheinlich doch die Bestätigung, dass Erfahrung jedes Engagement blamiert."